Shop für alkoholfreie GetränkeApéros verleideten ihr: «Muss es denn immer Alkohol sein?»
500 Flaschen alkoholfreier Spirituosen und Weine hat Victoria Banaszak über die Jahre getestet. Dann war sie so weit: Sie schmiss ihren Job in der Medizintechnikbranche hin und gründete ihr eigenes Jungunternehmen.
Die wichtigste Frage zuerst: Trinkt Victoria Banaszak Alkohol? «Na klar», sagt sie. «Aber muss es denn immer Alkohol sein?» Ihre gesamte berufliche Laufbahn war die Britin in der Produktentwicklung und im Marketing in der Medizintechnikbranche tätig. Vor acht Jahren führte sie ein neuer Job in die Schweiz. Sie arbeitete bei Belimed, einem Hersteller von Reinigungs- und Sterilisationslösungen für Medizingeräte.
Teil ihrer Tätigkeit seien immer häufige Reisen zu Kunden gewesen und entsprechend diverse Apéros und diverse Geschäftsessen. «Und es passte einfach nicht zu meinem gesunden Lebensstil, jedes Mal gläserweise Alkohol zu trinken.»
Das gehe vielen Kolleginnen und Kollegen auch so. Nur gibt es an solchen Anlässen einen gewissen Gruppenzwang, dem sich die Leute fügen. Und was an Alternativen zum Alkohol bereitgestanden habe, sei auch nicht wirklich berauschend gewesen, so Banaszak. Langweilige und viel zu süsse Säfte meist.
Nach Corona war der Moment für den Neustart gekommen
Banaszak machte sich also selbst auf die Suche nach Alternativen und bestellte sich während fünf Jahren rund 500 verschiedene Alkoholalternativen aus der ganzen Welt nach Hause: Spirituosen, Weine und sogar fertige Margaritas. Irgendwann habe sie die Produkte zusammengehabt, die ihr geschmeckt hätten. Hochwertig müssen sie sein, aus natürlichen Zutaten und zuckerarm.
Banaszak wechselte damals zum Zuger Unternehmen Livinguard. Dieses hatte während der Corona-Pandemie mit seinen antiviral beschichteten Gesichtsmasken einen schnellen Aufschwung erlebt. Das habe für die Mitarbeitenden viel Stress mit sich gebracht, erinnert sich Banaszak.
Doch der Bedarf an Masken schwand im Lauf der Pandemie, im Herbst 2021 machten sich erste Verfallserscheinungen breit. «Es war der richtige Moment für meinen Neustart und um mein Start-up für Alkoholalternativen zu gründen.» Der Zeitpunkt war gut gewählt: Im Frühling 2022 ging Livinguard in Konkurs.
Über die Weihnachtstage 2021 habe sie dann ihre Website ve-refinery.ch erstellt, erinnert sich Banaszak, im darauffolgenden April ihren Shop offiziell mit nur zwei Produkten gestartet. «Es war ein Wagnis.» Die Aussichten sind gut. Denn der Markt für Alkoholalternativen wächst.
Viel Platz benötigt Banaszak für ihr Unternehmen nicht. In ihrem kleinen Büro in Zug präsentiert sie einige Produkte: alkoholfreien Gin, Weisswein, Rosé und Apérol. «Mir ging es nie darum, den Geschmack der alkoholischen Getränke zu imitieren», sagt sie.
Zur Herstellung werden oft Kräuter verwendet. Bei einer Gin-Alternative – sie stammt aus einer Manufaktur in North Cornwall, dem Süden Englands – kommt unter anderem Rapsfrucht, Sanddorn und wilder Seetang zum Einsatz. Auch der Chardonnay aus Südspanien hat einen angenehm leichten Geschmack.
Ein guter Abgang beim Wein lässt sich nicht imitieren
Doch der Wein sei eine Herausforderung unter den Alkoholalternativen, sagt Banaszak. Viele würden gerade beim Rotwein das wohlige Gefühl am Gaumen beim Abgang zu schätzen wissen. Dieses zu imitieren, sei bisher noch nicht gelungen. Um die alkoholfreie Alternative herzustellen, wird beim fertigen Wein eine sogenannte Vakuumdestillation durchgeführt. Der Wein wird also mit niedriger Temperatur erhitzt, sodass der Alkohol verdampft.
Angefangen habe sie damit, Einzelhändler wie Jelmoli, Grosshändler oder Weinhändler wie Landolt Weine abzutelefonieren, erinnert sich Banaszak. Einige ihrer Produkte seien dort gleich auf Interesse gestossen.
Anders sei es bei Gastrobetrieben gewesen, die sie angerufen habe. «Da war die Reaktion eher: ‹So etwas brauchen wir nicht.›» Nachdem die Produkte über die Grosshändler an Bekanntheit gewonnen hätten, sei das anders. Nun würden einige der Betriebe zurückrufen, weil sie nun Alkoholalternativen auf ihre Getränkekarte setzen wollten.
Inzwischen vertritt Banaszak mit ihrem Shop fünf Produzenten von Alkoholalternativen exklusiv in der Schweiz. Es laufe gut, doch habe sie am Anfang auch viel Lehrgeld bezahlen müssen. «Ich erinnere mich, dass eines Tages eine Lieferung in meinem Lager einfach nicht ankam, obwohl sie von mir bereits bezahlt war und beim Hersteller als ausgeliefert vermerkt war.»
Zum Glück sei die verloren geglaubte Ware irgendwann doch gefunden worden. «Trotzdem lernte ich dabei, dass es in einem solchen Geschäft von Vorteil ist, über eine Transportversicherung zu verfügen.»
«Mein Ziel ist es, in der Schweiz eine eigene Manufaktur aufzubauen.»
Obwohl es gut laufe, betreibt sie ihr Start-up derzeit in Teilzeit. Nebenbei nimmt sie noch Beratungsmandate in der Medizintechnikbranche an. Das habe ihr auch geholfen, in der Anfangszeit die nötige finanzielle Stabilität zu haben.
Ihr Traum aber geht über Import und Verkauf von Alkoholalternativen hinaus. «Mein Ziel ist es, in der Schweiz eine eigene Manufaktur aufzubauen.» Noch gebe es in der Schweiz nur sehr wenige Anbieter, weshalb ihre Produkte derzeit auch nur von ausländischen Produzenten stammen würden.
Wieso sich das lohnen könnte, hat sie an einer Speeddating-Veranstaltung erlebt. Dort wurden ihre Produkte ausgeschenkt. «Niemand hat den Teilnehmenden mitgeteilt, dass diese alkoholfrei sind.» Danach hätten mehrere Teilnehmende bemerkt, dass sie sich doch etwas angeschwipst fühlen würden, sagt Banaszak. «Es braucht also gar nicht immer richtigen Alkohol fürs Vergnügen.»
Dieser Artikel erschien erstmals am 9. Oktober 2023 und wurde für den Dry January aktualisiert.
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