Miniserie «Cristóbal Balenciaga»Da bleibt einem die Luft weg
Disney+ verfilmt das Leben des spanischen Modeschöpfers Cristóbal Balenciaga. Allein beim Personal wurde aus dem Vollen geschöpft.
Was für eine hinreissende Idee, dieses Leben zu verfilmen. Potenziell steckt da alles drin, Glamour und Zeitgeschichte, Eskapismus und Abgründe, Modegötter, eine leibhaftige Königin und die herrlichsten, kostbarsten Roben einer ganzen Ära. Nicht zu vergessen: Paris, in einer Zeit, als es dem eigenen Klischee am nächsten kam, ganz in tänzelnder Bewegung und flirrend vor Verheissung, wie von sich selbst beschwipst.
All dies verdichtet sich in der Biografie des spanischen Couturiers Cristóbal Balenciaga, der in der Stadt von 1937 bis 1968 seine Maison unterhielt und zu einem der bedeutendsten Modemacher des Jahrhunderts wurde. Dass das wieder wach geküsste Haus mit dem Designer Demna heute Rekordumsätze feiert, den Gründer aber kaum noch einer kennt, ist nur ein weiterer Grund, diese Geschichte endlich zu erzählen.
Disney hat das nun erledigt, und nicht zu knapp: eine Serie aus Spanien in sechs Teilen, fünf Stunden Laufzeit insgesamt. Dafür dürfen die Drehbuchautoren allein beim Personal aus dem Vollen schöpfen.
Sie können Coco Chanel auftreten lassen als Balenciagas Fürsprecherin und bissige Kumpanin, Christian Dior als seinen Rivalen und Bewunderer; Hubert de Givenchy als begabten Schützling, an dem er auch erotisch Interesse hat, während Audrey Hepburn abblitzt, als sie um Kostüme für «Sabrina» bittet. Es steht also, davon ist auszugehen, ein süffiges Societyporträt und Überwältigungsspektakel bevor, und in der ersten Einstellung will man direkt den Champagner aufmachen: Ein Mannequin läuft durch einen Pariser Couturesalon in einer dieser beweglichen Skulpturen, die ihren Schöpfer unsterblich gemacht haben. Schmaler schwarzer Rock, das Oberteil überwölbt den Körper wie ein Schmetterlingskokon. Die Luft zwischen dem Stoff und der Haut, hat er mal gesagt, sei immer auch Teil seiner Kleider.
Die Serie erzählt Balenciagas Pariser Jahre ganz konventionell in Rückblenden; ein rares Interview, das er ein Jahr vor seinem Tod der Journalistin Prudence Glynn gegeben hat, bildet die Rahmenhandlung. Alle wichtigen Stationen werden nun pflichtschuldigst abgehandelt: Die erste, noch verhalten aufgenommene Couture-Kollektion, sein geschmeidiger Umgang mit den Nazis während der deutschen Besatzung, später die Konkurrenz mit Dior, der Feldzug gegen die Kopisten seiner Kleider, der Tod seines Lebensgefährten Wladzio d’Attainville. Schliesslich, das Spätwerk: die Hochzeitsrobe für Königin Fabiola von Belgien und die Uniformen für die Stewardessen von Air France. Da ist der Champagner aber schon längst schal geworden.
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An Alberto San Juan liegt es nicht, er spielt Cristóbal Balenciaga nahe an der Realität: als haderndes Genie und Kontrollfreak, der jede Falte, jeden Nadelstich einem erbarmungslosen Diktat unterwirft. Er spielt ihn als Soziopathen, der die Menschen scheut, die Wirklichkeit verachtet und sich innerhalb der Wände seines Ateliers eine Gegenwelt errichtet. Aber genau an diesem Punkt scheitert die Serie, schwer seufzend ergibt sie sich der Megalomanie ihres Protagonisten. Balenciaga ist als Allmächtiger in jeder Szene, und um ihn herum sind lediglich Figuren, die Talking Heads, Coco & Co. eben. Es gibt keine Nebenschauplätze und Nebenhandlungen, es gibt kein wirkliches Paris und keinen Wandel; dies zum immer gleichen Emo-Klimpern des Pianos. Je länger das alles dauert, desto klaustrophobischer wird es. Luftabklemmend geradezu.
Man wird als Zuschauer in diese Serie hineingeschnürt wie in ein Reifrock-Korsett. Was ein Jammer ist, wenn man an Balenciagas Kleider denkt. Denn so kompliziert sie waren – sie atmeten, sie schwebten.
«Cristóbal Balenciaga» läuft auf Disney+.
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