«Berlin» auf NetflixAngestrengt spektakulär
«Haus des Geldes» hat ein weiteres Spin-off, dieses Mal mit der schillerndsten Figur. Hält die gefeierte Serie ihr Niveau?
In der ersten Staffel der gefeierten Serie «Haus des Geldes» war es eigentlich schon klar, wer ein Spin-off verdient hat: Der Geiselnehmer Berlin (alle Bankräuberinnen und Bankräuber tragen als Pseudonym einen Städtenamen) ist unter den für einen gigantischen Coup angeworbenen Angestellten zweifellos die schillerndste Gestalt.
Seine elegante Erscheinung und das betont distinguierte Auftreten heben ihn deutlich von seinen meist viel jüngeren und weniger gebildeten Komplizen ab. «Wir haben es mit einem narzisstischen Egozentriker mit Grössenwahn zu tun», heisst es an einer Stelle. Auch sein Vorstrafenregister weist Andrés de Fonollosa nicht als Allerweltsganoven, sondern als Meisterdieb aus: Juwelierläden, Auktionshäuser, Wirtschaftskriminalität.
Der Coup vor dem Coup in Madrid
So schlimm, so interessant, so gut – für eine neue Serie. Wie überraschend sich das Eigenleben einer aufblühenden Nebenfigur entwickeln kann – dafür hat «Better Call Saul», das Spin-off von «Breaking Bad», ein überragendes Beispiel geliefert. Jene Geschichte eines windigen, keiner krummen Tour abgeneigten Rechtsanwalts namens James McGill, der sich später Saul Goodman nennt. Die Frage lautet also: Schafft das «Berlin» auch?
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Wie Berlin zu dem wurde, der er in «Haus des Geldes» bis zu seinem Tod war, wäre bestimmt eine eigene Serie wert gewesen. Aber es geht letztlich nur um einen anderen grossen Coup vor dem grossen Coup in Madrid. Dessen akribische Planung und Ausführung wirkt aber so lässig und letztlich lieblos hingetupft, dass er nur wie ein Handlungshintergrund für möglichst coole szenische Versatzstücke rüberkommt.
Unter Berlins Anleitung soll ein Tunnel von einer alten Kirche zu einem Pariser Auktionshaus gegraben werden. Dort warten Juwelen im Wert von 44 Millionen Euro. Unmöglich soll das Projekt sein, undurchführbar – davon spürt und sieht man allerdings nichts.
Dass die Macher Álex Pina und Esther Martínez Lobato auch dieses Mal spektakuläre Verfolgungsjagden und spannende Szenen hinkriegen, ist für den Moment zwar erfreulich. Im Rahmen welcher Geschichte das jedoch geschieht, ist völlig egal.
Die Frage lautet: Geld oder Liebe?
Der Serie sieht man zu sehr die Anstrengung an, lässig, spektakulär, originell und sexy sein zu wollen. Und die Idee, dass Berlin sich ausgerechnet in die Gefährtin des Auktionshauschefs verliebt (ein Einfall, der schon in «Haus des Geldes» zu einer subtil aufgeheizten Liebesgeschichte führte), wirkt bei aller exquisiten Werbefilmoptik und bedeutungsschweren Liebesreflexion wie kitschiger Unsinn.
So ergeht es «Haus des Geldes: Berlin» ähnlich wie dem ersten Spin-off, «Haus des Geldes: Korea». Die Macher wollen an den Erfolg des Ursprungsprodukts anknüpfen, der Inhalt ist nachrangig.
Berlins boshafte Coolness, die sich einerseits aus seiner Selbstgewissheit, seinem Grössenwahn und dem Wissen um eine tödliche Krankheit, anderseits aus seinem Talent, Charme und seiner Intelligenz speiste, war in der Hauptserie eine attraktive Komponente. Aber da war er auch Teil eines grossen Ensembles. Je ausführlicher – oft in ständigen Close-ups – jeder Blick und jede Einlassung dieses schillernd gemeinten Charakters optisch und akustisch ausgekostet werden, desto langweiliger wird es.
«Haus des Geldes: Berlin» läuft auf Netflix.
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