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Mehrjähriges Fotoprojekt
Väter und ihre Söhne: «Viele haben sich seit Jahren nicht mehr an den Händen gehalten»

Zwei Männer in einem Raum in Haskovo, Bulgarien, 2022. Der junge Mann trägt lässige Kleidung und einen Hut, der andere Mann Arbeitskleidung. Beide halten sich an den Händen.
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In Kürze:
  • Der bulgarische Fotograf Valery Poshtarov dokumentiert Väter mit ihren erwachsenen Söhnen. Das Projekt startete 2021 mit einer Aufnahme seines Vaters und Grossvaters.
  • In elf Ländern entstanden bisher über 500 dieser Generationenfotos.
  • Die Bilder zeigen wechselnde Rollen und sich verändernde Nähe in familiären Beziehungen.

Zwei erwachsene Männer, die nebeneinanderstehen und sich an den Händen halten, frontal zur Kamera gerichtet. Mehr ist da zunächst nicht. Es reicht, um den Blick zu fesseln.

Erst später entwickelt sich das grössere Bild: Die Männer ähneln einander oft, wie stehen sie eigentlich zueinander? Fühlen sie sich wohl in dem Moment? Was ist noch alles um sie herum zu sehen?

Und warum berührt es einen, sie Händchen haltend zu sehen?

Zwei Artisten in blauen Kostümen mit silbernem Zierstreifen, stehen Hand in Hand vor einem grossen, bunten Zirkuszelt in Anzio, Italien, 2024.

Valery Poshtarov lebt in Sofia, Bulgarien, als dokumentarischer Fotograf arbeitet er international. Über 500 dieser Bilder hat er bisher gemacht, die Serie hat er 2021 gestartet, und er führt sie weiter. Sie trägt den simplen Titel: «Father and Son», Vater und Sohn.

Das ist die Verbindung zwischen den Männern auf den Fotos: Es handelt sich jeweils um Vater und Sohn.

Der Clou an Poshtarovs Inszenierung ist, dass die Männer erwachsen sind. Händchenhalten ist mit Kindheit verknüpft, die körperliche Nähe, gerade zwischen Vätern und Söhnen, schwindet oft mit der Zeit dahin. Intimität wandert von den Eltern weg, hin zu anderen Bezugspersonen.

Doch die Verbindung bleibt. Poshtarovs Bilder machen sie sichtbar.

Der Fotograf Valery Poshtarov spricht bis zu 100 Menschen pro Tag an

Das erste Paar, das Poshtarov fotografiert hat, war sein eigener Vater und dessen Vater, Poshtarovs Grossvater. Die Idee kam dem Fotografen, als er realisierte, dass seine eigenen Kinder irgendwann alleine zur Schule laufen und nicht mehr auf seine Unterstützung angewiesen sein würden. Also brachte er seinen Vater und Grossvater dazu, einander wieder einmal an den Händen zu nehmen.

Als er das Foto betrachtete, erkannte Valery Poshtarov: Irgendwann drehen sich die Rollen um. «Mir wurde klar, dass ich eines Tages derjenige sein würde, der die Hand meines Vaters hält und ihn unterstützt.» Poshtarovs Grossvater starb einige Monate später, das Foto ist das einzige Bild, auf dem nur die beiden zusammen zu sehen sind.

Zwei Männer stehen neben einem alten Auto am Strassenrand in Dzimiti, Georgia, umgeben von üppigen Bäumen.

Bisher war Poshtarov für das Projekt in 11 Ländern unterwegs, in Osteuropa, aber auch in Asien oder Italien. Die Personen trifft er oft auf der Strasse an, manchmal entstehen die Fotos spontan, manchmal macht er Termine ab. Manchmal bleibt Zeit für ein Gespräch und die Inszenierung, manchmal muss es schnell gehen.

Bis zu 100 Menschen spricht er pro Tag an, wenn er mit dem Auto oder seiner Vespa unterwegs ist. Es sei nicht immer einfach, die Männer zum Mitmachen zu überzeugen, sagt Poshtarov. «Viele haben sich seit Jahren oder sogar Jahrzehnten nicht mehr an den Händen gehalten.»

Nach dem Foto von Vater und Sohn herrscht erst mal Stille

In einigen Ländern seien die Väter und Söhne zurückhaltender, während es in anderen natürlicher sei. «Es gibt viele Vorurteile, wie wir uns als Männer zu verhalten haben. Diese will ich überwinden», sagte Poshtarov in einer Dok auf Arte.

Dem Fotografen geht es bei seinem Projekt nicht um einen gesellschaftlichen Appell, etwa für mehr Körperlichkeit zwischen Männern. «Was mich an der Vater-Sohn-Dynamik am meisten fasziniert, ist der Generationen-Aspekt, was sich von der Beziehung über die Zeit weiterträgt.» Wie entsteht Identität? Familiäres Erbe? Diese Fragen tragen ihn von Land zu Land.

In seinen Bildern macht Poshtarov zwei Generationen sichtbar, wie sie sich überschneiden und wie sie sich unterscheiden. Lebensgeschichten öffnen sich. «Was mich fasziniert, ist genau diese Spannung zwischen Bewahren und Verändern.»

Das Konzept funktioniert, weil es so einfach ist. Poshtarov wurde für seine Arbeit schon mehrfach ausgezeichnet. Auf seinem Instagram-Account, wo ihm über 18’000 Menschen folgen, hat der 39-Jährige das Konzept auf den Slogan «Let’s hold hands» hinuntergebrochen. Was Poshtarov überall spürt: Die Geste macht emotional. Nachdem er das Foto gemacht habe, gebe es oft einen Moment der Stille – fast so, als würde das Shooting noch weitergehen.

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Was macht die Beziehung von Vater und Sohn aus?

«Ich glaube, die Kraft der Geste entsteht genau daraus, dass wir sie irgendwann nicht mehr machen, oder zumindest nicht sehr oft», sagt Poshtarov. Wenn es dann passiert, wie auf seinen Bildern, würden wir dem Ganzen besondere Bedeutung zuschreiben.

Aktuell plant der Bulgare, die Arbeit in Frankreich fortzusetzen. Auch die Schweiz reize ihn.

Fotograf Valery Poshtarov mit lockigem Haar und Brille lehnt lächelnd an einer Autotür im Freien.

Nach Hunderten Treffen: Was macht für ihn die Beziehung zwischen Vater und Sohn aus? «Das wahre Potenzial zeigt sich für mich, wenn keiner mehr etwas vom anderen erwartet. Es geht um diesen ehrlichen Moment, in dem jeder einfach Verantwortung für sich selbst übernimmt und sagt: ‹Das bin ich.›» Deswegen fotografiere er nur erwachsene Männer.

Wer bei Poshtarovs Bildern genau hinschaut, sieht, dass manchmal die Hand des Vaters vorn ist, manchmal die des Sohnes. Wer führt, wer stützt, wer wird gestützt? Auch das steckt im Händehalten.