«Ein verflixt schwieriges Jahr» im Kino Die erste Klimakleber-Komödie ist da
Ist der Kampf gegen den Klimawandel lustig? Die französische Komödie «Une année difficile» von den Machern von «Intouchables» versucht sich daran.
Am Anfang sieht man Präsidenten, viele, und so viele hat Frankreich insgesamt ja nun auch wieder nicht gehabt. Sie alle schwören die Nation auf harte Zeiten ein. Die scheinen also schon seit einem halben Jahrhundert zu grassieren, zumindest für manche Franzosen. Der Vuitton-Dior-Hennessy-Eigentümer Bernard Arnault, seit Jahren in den Top drei der reichsten Menschen der Welt, gehört wahrscheinlich eher nicht dazu.
Albert (Pio Marmaï) weiss schon eher, was harte Zeiten sind. Er arbeitet am Flughafen Charles de Gaulle, und nein, sein Problem sind weder die Anfahrtszeiten zur Arbeit noch die Pariser Mieten – er wohnt gar nicht mehr. Er zieht, wenn er mit der Arbeit fertig ist, wie ein Tourist einen Rollkoffer hinter sich her und schläft auf den Besucherbänken, den Job kann er nur behalten, weil er seine Post zu Bekannten schicken lässt. Er schlägt sich so durch, verhökert das Zeug, das die Kontrolleure den Reisenden an der Sicherheitsschleuse abgenommen haben. Am Black Friday steht er ganz früh in der Schlange eines grossen Ladens, um einen der Billigfernseher zu ergattern und ihn nicht ganz so billig weiterzuverkaufen.
Eigentlich haben die beiden Gauner akutere Sorgen als den Klimawandel
Dabei gerät er in ein Gefecht mit einer Umweltschützergruppe, die den Black-Friday-Konsumrausch gern verhindern würde – er schreit Cactus (Noémie Merlant) an, eine der Anführerinnen der Umweltschützer, und schiebt mit seinem Fernseher ab. Schade nur, dass dessen Abnehmer Bruno (Jonathan Cohen) komplett zahlungsunfähig ist und gerade aus seinem Haus fliegt. Die beiden freunden sich an – in einer Selbsthilfegruppe für Überschuldete.
«Une année difficile» von Éric Toledano und Olivier Nakache dürfte wohl die erste Komödie über Klimakleber sein – von zwei versierten Filmemachern, ihren grossen Durchbruch hatten die beiden mit «Intouchables». Die Dramödie über einen Mann im Rollstuhl und seinen Pfleger war 2011 überall in Europa ein Kassenschlager.
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Albert und Bruno geraten in «Une année difficile» in ein Treffen, weil es da Chips und Bier gratis gibt, eine Aktion der Umweltschützer gegen Lebensmittelverschwendung, wie sie aber erst vor Ort erfahren, und dann kommen sie nicht mehr aus der Nummer raus, obwohl sie eigentlich finden, sie hätten akutere Sorgen als den Klimawandel.
Sie bleiben dabei. Albert hat sich inzwischen ausgerechnet in Cactus verguckt, die ihn nicht wiedererkennt. Und Bruno ist bald ganz ergriffen von der Idee, sich für etwas einzusetzen, die Welt nicht einfach auszutricksen, sondern zu verändern. Als bei einem Treffen der Gruppe ein Imagefilme gezeigt wird und er sich selbst beim Protestieren sieht, sagt er, voller Stolz: «Das bin ich.»
Das Filmemacher-Duo Éric Toledano und Olivier Nakache nimmt hier die Frage eines anderen Regisseurs aus einer anderen Revolution auf, von Philippe Garrel, der von den 68ern wissen wollte, was eine Revolution für das Volk ohne das Volk taugt. Die Jungs und Mädels aus der Umweltgruppe sind anfangs ganz schön hochnäsig – Cactus beispielsweise, deren Spitzname nicht von ungefähr kommt, ist vom Verzicht beseelt, entpuppt sich allerdings als entlaufene höhere Tochter. Unrecht hat sie allerdings nicht: Alle haben zu viel nutzlosen Krempel. Sogar Typen wie Albert und Bruno.
Unterlegt ist der Film mit Protestsongs und Jacques Brel
Die beiden sind aber – so jedenfalls zeigt sie der Film – selbst nur Opfer einer Konsumgesellschaft, und sie lenken, eigentlich aus Eigeninteresse, den Fokus der Gruppe etwas weiter nach oben: weg von den Leuten, die einfach nur zur Arbeit fahren oder auf Schnäppchenjagd sind, hin zu grösseren Fischen. Unterlegt ist der ganze Film dann auch mit den Protestsongs der 68er und ihrer Erben – und mit Jacques Brel, bei dem manchmal vergessen wird, dass er eigentlich ein Wegbereiter war für die Dylans dieser Welt.
Albert, der kleine Gauner, fällt mit seiner Trickserei natürlich auf die Nase, und das ist eigentlich gar nicht sehr komisch. Ein Handlungsstrang mit Mathieu Amalric als Schuldenberater, der Zurückhaltung predigt und dann dauernd in absurden Kostümierungen im Casino auftaucht, wo er wegen Spielsucht gesperrt ist, ist hingegen leider viel zu albern geraten. Ansonsten ist der hoffnungsvolle, humorvolle Ansatz von Toledano und Nakache geradezu ansteckend.
Er endet in einem Traum, der einen unweigerlich an die Pandemie erinnert und somit genau genommen ein ziemlicher Albtraum ist. Man kann von Filmen keine Lösungsansätze erwarten, höchstens den einzigen, der Jacques Brel eingefallen ist, «Quand on n’a que l’amour», der hat aber leider nicht in den Film gefunden: Wenn uns nichts bliebe ausser der Liebe, hielten wir die Welt in unseren Händen.
«Une année difficile», 120 Minuten, Frankreich 2023. Aktuell im Kino.
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