Umstrittene Radio- und FernsehgebührenDie Serafe verärgert Kundin mit doppelt verrechneter Abgabe
Wiederholt reagieren Leserinnen und Leser mit Unverständnis auf schwer nachvollziehbare Forderungen für Radio- und Fernsehgebühren. Was Betroffene tun können. Und weshalb die Serafe gelegentlich zu Unrecht angeschwärzt wird.
1685 Franken soll Elisabeth Müller (Name der Redaktion bekannt) für Radio- und Fernsehabgaben bezahlen. Das ist deutlich mehr als der Jahresbeitrag von 335 Franken. Müller schreibt der für die Erhebung von Radio- und Fernsehabgaben zuständigen Firma Serafe. Sie teilt mit, dass sie ihre Rechnungen stets pünktlich bezahlt habe und somit bis im Januar 2024 nichts mehr schulde.
Die Serafe fordert in diesem Fall Gebühren vom Februar 2019 bis Januar 2024 – also über einen Zeitraum von fünf Jahren. «Im Normalfall sendet man doch eine Mahnung nach einigen Monaten», schreibt Müller der Serafe.
Sie ist nicht die Einzige, die rückwirkend über mehrere Jahre eine hohe Rechnung erhält. Das Problem liegt in der Erfassung der Adressdaten. Und die ist für Aussenstehende schwer nachvollziehbar.
Systemwechsel zieht neue Probleme nach sich
Der Grund reicht einige Zeit zurück: Anfang 2019 kommt es zum Systemwechsel. Zuvor war die Firma Billag für das Eintreiben der Radio- und Fernsehgebühren zuständig. Wer im Besitz eines Empfangsgeräts war, musste zahlen und konnte sich selber bei der Billag an- und abmelden. Seit 2019 stellt die Serafe Rechnung, und die Bürgerinnen und Bürger schulden die Gebühr grundsätzlich unabhängig vom Besitz eines Empfangsgeräts.
Ein weiterer entscheidender Unterschied: Nutzerinnen und Nutzer können sich seither nicht mehr selber an- und abmelden. Stattdessen müssen die Einwohnerkontrollen der über 2000 Schweizer Gemeinden über ein System des Bundes namens Sedex die Adressdaten liefern. Die Serafe ist nach Gesetz verpflichtet, aufgrund dieser Daten Rechnung zu stellen.
Es kommt vor, dass Gemeinden gewisse Daten nicht liefern wollen oder aus technischen Gründen nicht liefern können. Wenn nun die Angaben mit mehreren Jahren Verzögerung eintreffen, summieren sich verschiedene Jahresbeiträge wie im Fall von Elisabeth Müller zu einem hohen Betrag.
Immerhin ist eine Ratenzahlung möglich, wenn das Geld für die hohe Rechnung nicht ausreicht. Zudem verjähren die Forderungen nach fünf Jahren. Die Serafe darf also nicht mehr als fünf Jahresbeiträge rückwirkend in Rechnung stellen.
Zweimal zur Kasse gebeten
Eine Rechnung rückwirkend über fünf Jahre mag zwar für Ärger sorgen, aber aufgrund der genannten Umstände ist das zumindest halbwegs nachvollziehbar. Für Elisabeth Müller ist aber definitiv nicht mehr nachvollziehbar, dass sie für die letzten fünf Jahre ein zweites Mal bezahlen soll. Denn sie ist sich sicher, die Serafe-Rechnung bisher jedes Jahr pünktlich bezahlt zu haben.
Immerhin zeigt die Reklamation Wirkung: Müller erhält danach eine weitere Rechnung rückdatiert auf das Datum der umstrittenen Forderung. Darauf sind diverse Abzüge aufgeführt – am Ende verbleibt ein Rechnungsbetrag von 642.10 Franken.
Auf eine erneute Reklamation hin informiert die Serafe die verärgerte Rechnungsempfängerin schriftlich. Die Rechnung basiere auf Angaben des zuständigen Einwohnerdienstes. Bei Fehlern «bitten wir Sie, sich direkt bei der Einwohnerkontrolle Ihrer Gemeinde zu melden». Später folgt eine Zahlungserinnerung mit einer Mahngebühr.
Das Beispiel illustriert die Probleme, die mit dem heutigen Abrechnungssystem entstehen können. Die Fehlerquote liegt laut Serafe zwar deutlich unter einem Prozent. Doch da es um rund 2,9 Millionen Haushalte geht, könnten 10’000 bis 20’000 von verschiedenen Fehlern oder Abrechnungsproblemen betroffen sein.
Tatsächlich darf die Serafe laut Gesetz nur gemäss den von Gemeinden gelieferten Daten Rechnungen stellen. Wenn diese Daten veraltet oder fehlerhaft sind, erhalten die Haushalte also auch veraltete oder fehlerhafte Rechnungen.
Aber kann es tatsächlich sein, dass Personen eine Rechnung für Fernsehgebühren erhalten, die sie bereits bezahlt haben? Die Antwort lautet: Ja. Wenn zum Beispiel ein Paar sich trennt und der Partner die Radio- und Fernsehgebühr bereits fürs ganze Jahr bezahlt hat. In der neuen Wohnung erhält der Partner eine weitere Jahresrechnung der Serafe und muss diese bezahlen. Denn die Gebühren werden gemäss Gesetz nach Haushalt erhoben und nicht nach Personen. Das Paar muss in diesem Fall untereinander ausmachen, wer wie viel übernimmt.
Serafe erhält den Schwarzpeter
Jeder Haushalt wird über die Kombination von zwei Zahlen definiert: über einen Gebäudeidentifikator und einen Wohnungsidentifikator. Es ist vorgekommen, dass eine Gemeinde die Wohnungsidentifikatoren eines Mehrfamilienhauses umgestellt hat. Das geschah gewiss in guter Absicht. Doch für die Serafe führt das ins Chaos: So entstehen gemäss Zahlenkombinationen andere Haushalte mit anderen Bewohnern, für die sie Gebühren eintreiben muss. Möglicherweise erhalten so Personen zum wiederholten Mal eine Rechnung für die bereits bezahlte Periode. Und die Serafe bleibt auf dem Schwarzpeter sitzen, weil sie anhand falscher Daten Geld eintreiben muss.
Die Serafe betont auf Anfrage, dass sie gegenüber Gemeinden keine Weisungsbefugnis hat. Deshalb empfiehlt sie Betroffenen bei unkorrekten Rechnungen häufig, die zuständige Einwohnerkontrolle zu kontaktieren.
Zum Fall von Elisabeth Müller will sich die Serafe aus Datenschutzgründen nicht äussern. Aber immerhin steht jetzt fest, dass die Frau vorläufig keine weiteren Mahnungen mehr erhält. Womöglich kommt es in ihrer Wohngemeinde zu vertieften Abklärungen.
Neues System für komplexe Fälle
Solche Fälle können schon bald schneller gelöst werden als bisher: Die Serafe hat dafür das Webportal «Einwohnerdienste» entwickelt. Es erlaubt auf einem sicheren Kanal, der die gesetzlichen Ansprüche erfüllt, direkt mit Gemeinden und Kantonen auch komplexere Probleme effizient zu lösen. Das Portal befindet sich in der letzten Testphase und soll noch im laufenden Jahr genutzt werden können.
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