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Legal kiffen
Seine kühne Vision packt Lauterbach wieder ein

Am Nein der EU aufgelaufen: Der deutsche Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD).
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Karl Lauterbach und Cem Özdemir gaben sich alle Mühe, so zu tun, als hätten sie beim ewigen Streit um legales Cannabis endlich den historischen Durchbruch geschafft. Aber es nützte alles nichts: Auch dieses Prestigeprojekt der deutschen Ampel-Koalition wurde zuletzt von der Wirklichkeit so zerrieben, dass auch die frohe Kunde der Minister kaum mehr Begeisterung auslöste.

Als Lauterbach im vergangenen Herbst seine Pläne erstmals vorgestellt hatte, war das noch ganz anders gewesen. Der sozialdemokratische Gesundheitsminister hatte geschwärmt, Deutschland könne mit seinen kühnen Vorschlägen zu einem Vorbild für ganz Europa werden. Er wollte nämlich nicht nur den Konsum von Cannabis legalisieren, sondern nach dem Vorbild Kanadas auch dessen kommerzielle Produktion und den freien Verkauf in Fachgeschäften. Mit einem Schlag sollte so in Deutschland der grösste legale Cannabis-Markt der Welt entstehen – mit einem Jahresumsatz von 4 Milliarden Euro.

Rechtliche Einwände der EU-Kommission

Doch daraus wird erst mal nichts. Die Europäische Kommission hat der deutschen Regierung in der Zwischenzeit klargemacht, dass der umfassenden Legalisierung europäisches Recht und Völkerrecht entgegenstehen, über das sich Deutschland nicht einfach hinwegsetzen kann.

Lauterbach reagierte auf die Absage, indem er seine grosse Vision flugs zu einer «Legalisierung light» schrumpfte. «Es nützt ja nichts, in Schönheit zu sterben», drückte der grüne Landwirtschaftsminister Özdemir vor den Medien in Berlin sein Gefühl aus. Und es sei ja immer noch besser, jetzt schnell das Mögliche zu tun, als die ganze Sache wieder auf die lange Bank zu schieben.

Jetzt kommen die Cannabis-Clubs

Die Legalisierung von Cannabis soll in Deutschland künftig auf zwei Säulen ruhen, einer «schnellen» und einer «langsamen»: Schon in diesem Jahr soll der Anbau, Besitz und Konsum für den privaten Gebrauch entkriminalisiert werden. Eine solche Politik betreibt in Europa bereits eine wachsende Anzahl von Ländern: die Niederlande etwa, Spanien und Portugal, Tschechien, Luxemburg und Malta.

Lauterbach will dafür sogenannte Cannabis-Clubs erlauben, deren Zweck es ist, durch gemeinsamen Anbau ihre Mitglieder mit dem Rauschmittel zu versorgen. Der Besitz von bis zu 25 Gramm Cannabis pro erwachsene Person soll künftig legal sein, ebenso der Anbau von bis zu drei Pflanzen. Pro Monat sollen Mitglieder der Cannabis-Clubs maximal 50 Gramm beziehen können, Mitglieder unter 21 Jahren 30 Gramm. Die Zahl der Mitglieder wird auf 500 pro Verein beschränkt.

Parallelen zu Versuch in Zürich

Von den berühmten holländischen Social Clubs unterscheidet die deutschen Cannabis-Clubs der Umstand, dass sie nicht über Räume verfügen sollen, in denen das Gras oder Haschisch auch konsumiert wird. Im Rahmen eines wissenschaftlich begleiteten Pilotversuchs werden diesen Sommer auch in Zürich Social Clubs eröffnet, in denen registrierte und sorgfältig ausgewählte Mitglieder Cannabis erwerben und konsumieren können.

Mit der zweiten Säule will Lauterbach die Folgen einer umfassenderen Legalisierung in einigen Modellregionen wissenschaftlich untersuchen. Dieses Projekt dürfte frühestens 2024 beginnen und ist auf fünf Jahre befristet. In den ausgewählten Regionen soll die Produktion von Genusshanf freigegeben und dessen Produkte in lizenzierten Geschäften frei verkauft werden – also so, wie es ursprünglich in ganz Deutschland geplant war.

Und bald im Rest Europas?

Aus Sicht von Lauterbach und Özdemir könnten die wissenschaftlichen Ergebnisse aus dem Experiment Deutschland die Argumente in die Hand geben, um bei der EU für eine Änderung der Rechtslage in Bezug auf Cannabis zu werben. Der repressive Weg sei gescheitert, so Lauterbach, denn er habe unter dem Strich nur mehr Süchtige, mehr Kranke und einen aggressiveren Schwarzmarkt produziert. Nun sei es an der Zeit, in ganz Europa neu zu denken.