WetterorakelKachelmann: Vom Sechseläuten und den Wetterschmöckern
Jörg Kachelmann glaubt nicht an Wetterorakel. Wenn das einer wie er laut kundtut, kanns auch mal übel werden.

Nein, der Böögg hat keine Ahnung, wie das Wetter wird. Das ist wie die Sache mit dem Murmeli, auf das am 2. Februar die Sonne scheint (oder manchmal nicht), und angeblich sagt das dann irgendwas über das Wetter der Zukunft. Nein, natürlich nicht. Auch die Dauer, bis der Böögg explodiert, bedeutet natürlich nichts. Diese Dauer hängt von allem Möglichen ab: vom Holz, vom Brandbeschleuniger und wo das Ganze angezündet worden ist. Aber als Wettervorhersage bedeutet es natürlich nichts.
Und wahrscheinlich müsste ich das gar nicht mehr erwähnen: Dass es 2003 nur knapp sechs Minuten gedauert hat und dann ein heisser Sommer kam, ist Zufall. Es ist normal, dass Aberglaube irgendwann mal stimmt, würde er nie stimmen, wäre es auch praktisch, dann könnte man immer das Gegenteil von ihm nehmen. Aber das funktioniert leider auch nicht, weil eben ein Treffer reiner Zufall ist.
Die Scharlatane und der Hundertjährige Kalender
Genauso ist es beim Hundertjährigen Kalender. Es ist verrückt, dass ich im Jahr 2024 immer noch über so was schreibe, aber es gibt Menschen, die an ihn glauben. Und das tut weh. Die Legende geht also so: Zwischen 1652 und 1658 hat in einem fränkischen Kloster (also im eher nördlichen Bayern) ein Abt das Wetter beobachtet. Dann ist er gestorben, und es passierte vorerst nichts – bis ein Arzt und viele Scharlatane ab 1700 dachten: 7 Jahre Wetterbeobachtungen aus Süddeutschland, da machen wir was draus. Wir behaupten, dass sich das Wetter alle sieben Jahre wiederholt und natürlich überall identisch für ganz Deutschland, Österreich und die Schweiz dazu.
Es war nicht einfach während meiner beruflichen Zeit im Appenzellerland, in der die «Bratigg» mit Wettervorhersagen drin eine grosse Rolle spielt. Und auch im Hundertjährigen ist es immer noch alle Jahre wieder nichts weiter als die Wetterbeobachtung aus einem Kloster in Bayern. Funfact: Wenn man den Hundertjährigen oder den Wetterteil in der «Bratigg» siebenmal gekauft hat, hat man alle. Im achten Jahr steht wieder die wörtlich identische Wetter-«Vorhersage» drin wie in der vom ersten Jahr. Und ich erwähne es vorsichtshalber noch mal ein einem ganzen Satz: Nein, das Wetter, beobachtet in einem fränkischen Kloster von 1652 bis 1658, wiederholt sich nicht alle sieben Jahre, gültig und identisch für den gesamten deutschsprachigen Raum.
Einen verfaulten Blumenkohl für den Kachelmann
Und wenn man schon mal Teile des ländlichen Raums hässig macht (man wirds an den Kommentaren sehen), dann richtig. Es gibt da die Muotathaler Wetterschmöcker, das sind lauter sympathische Menschen. Ich war vor Jahren Wettermensch für einen anderen Medientitel und habe dort halbjährlich über die halbjährlichen Versammlungen und die entsprechenden «Vorhersagen» berichtet – und damit auch etwas nationale Bekanntheit geschaffen.
Anfangs haben sich die Wetterschmöcker gar nicht so ernst genommen. Das hat sich dann aber geändert. Ich bekam, als ich sanft andeutete, dass das eh nur Zufall ist, wenn es stimmt, strafhalber einen verfaulten Blumenkohl geschickt. Der stank in der Tat erbärmlich. Seither haben wir einander wieder etwas angenähert und leben in friedlicher Koexistenz.
Wetterschmöcker: 100 Prozent Quote, wenn alle etwas anderes vorhersagen
Deswegen traue ich mich mal wieder und stelle fest: Es ist wunderbar, dass die Wetterschmöcker sich alle sechs Monate treffen und einen schönen Abend haben. Und es ist eine super Idee, dass von mehreren Leuten jeder etwas anderes vorhersagt und so am Ende immer jemand da ist, der nicht ganz falsch lag (leider ist es nicht immer derselbe, was es spannend machen würde). Das ist genau wie das Set-up, wenn sechs Leute vorhersagen, was beim nächsten Würfelwurf rauskommt, und jeder nimmt eine andere Zahl: 100 Prozent Trefferquote, wie es die Muotathaler nennen würden.
Und bevor ich mich für den nächsten verfaulten Blumenkohl anschnalle: Niemand kann es besser machen als die Muotathaler, denn Pflanzen und Tiere haben keine blasse Ahnung, wie das Wetter der nächsten Monate wird. Das ist für Menschen in besonders esoterischen Ländern (die deutschsprachigen sind globale Zentrale für Aberglauben) schwer auszuhalten. Aber es ist so. Es tut mir leid. Sie können sich darüber aufregen, es ist aber immer noch so. Die Nachfahren der Schwalben, die im Herbst 1974 mit der Swissair in den Süden geflogen wurden, weil sie den Abflug verpasst haben, würden es bestätigen: Sie wissen nichts vorher. Da müssen Sie durch.

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