Mowag-Eagle I aus KreuzlingenSchweizer Panzerwagen in der Ukraine gesichtet
Zwei Aufnahmen zeigen einen von der Firma Mowag in Kreuzlingen produzierten Panzerwagen im Einsatz in der Ukraine. Er gelangte möglicherweise via Umwege ins Kriegsland.
An der Frühjahrssession war es eines der brennenden Themen: Soll man die Ausfuhr von Schweizer Rüstungsgütern an die Ukraine zulassen? Zwei Vorstösse von SP und FDP, die eine Wiederausfuhr von in der Schweiz produziertem Kriegsmaterial unter bestimmten Bedingungen erlauben wollten, scheiterten. Zudem ist eine Anfrage des deutschen Verteidigungsministeriums immer noch hängig, die einen Rückverkauf von 62 ursprünglich in Deutschland produzierten Leopard-2-Panzern fordert.
Nun sind zwei Bilder aufgetaucht, die jeweils einen Schweizer Panzerwagen vom Typ Eagle I, von der Schweizer Firma Mowag in Kreuzlingen hergestellt, zeigen. Die NZZ berichtete als Erste über die Fotos. Mowag ist auf den Bau von Radpanzern und Spezialfahrzeugen spezialisiert und wurde 2003 vom amerikanischen Rüstungskonzern General Dynamics Land Systems übernommen.
Wie viele Schweizer Panzerwagen genau im Ukraine-Krieg zum Einsatz kommen, ist bis jetzt nicht klar. Der spanische Kriegsfotograf Jose Colon hatte Mitte Februar unbeabsichtigt als Erster eine Aufnahme eines Mowag-Eagle-I-Panzerwagens in der ukrainischen Stadt Tschassiw Jar, nur unweit der hart umkämpften Stadt Bachmut, gemacht. Er wollte die Zerstörung und das Leiden der Zivilbevölkerung dokumentieren. Tschassiw Jar liegt entlang der einzigen Verbindungsroute der ukrainischen Truppen nach Bachmut.
Experten eines ukrainischen Militärblogs erkannten dann, dass es sich dabei um ein Panzerfahrzeug aus der Schweiz handeln muss. Inzwischen ist eine weitere Aufnahme eines Pressefotografen von AFP aufgetaucht, die einen Mowag-Eagle-I-Panzerwagen in Awdijiwka, einige Kilometer südlich von Tschassiw Jar, zeigt. Es ist bis jetzt nicht klar, ob es sich um dasselbe Fahrzeug handelt, das in Tschassiw Jar fotografiert wurde.
Die Panzerwagen wurden in kleiner Stückzahl an die UNO und in grösserer Zahl an Dänemark verkauft: 36 Exemplare gingen in den 1990er-Jahren an die dänischen Streitkräfte. Das dänische Verteidigungsministerium hat laut der NZZ bestätigt, dass keine Eagle-I-Panzerwagen an die Ukraine geliefert wurden. Allerdings wurden 27 der Fahrzeuge nach ihrer Ausmusterung 2008 an ein deutsches Unternehmen weiterverkauft.
Seco benötigt Chassisnummer
Möglicherweise gelangten davon einige Exemplare in die Ukraine, obwohl die fragliche Firma eine Nichtwiederausfuhrerklärung unterzeichnet hat. Diese verpflichtet das deutsche Unternehmen, bei einer Weitergabe Exportgenehmigungen der Behörden in Deutschland und der Schweiz einzuholen.
Das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) ermittelt nun, ob ein Verstoss gegen das Kriegsmaterialgesetz vorliegt. Das Kriegsmaterialgesetz und das Neutralitätsrecht verbieten der Schweiz den Export von Kriegsmaterial an Krieg führende Staaten. Dass bei den fraglichen Panzerwagen die Aufbauten mit Maschinengewehren anscheinend entfernt wurden, ändert daran nichts.
Das Seco gab am Donnerstag gegenüber Keystone-SDA Auskunft zum aktuellen Stand der Ermittlungen. Die über die sozialen Medien verbreiteten Bilder liessen «kaum belastbare Rückschlüsse über den Fahrzeugtyp und dessen Standort» zu. Eine abschliessende Rekonstruktion der Herkunft des Fahrzeugs sei nur mit Hilfe der Chassisnummer möglich. Auf Anfrage des Seco und des Eidgenössischen Departements für auswärtige Angelegenheiten bestätigten die dänischen Behörden, keine Eagle-Spähfahrzeuge ohne Zustimmung der Schweiz weitergegeben zu haben. Derzeit steht die Schweiz nach Seco-Angaben mit Deutschland in Kontakt. Wann diese Abklärungen abgeschlossen sind, war gemäss dem Staatssekretariat am Donnerstag noch offen.
Berichtigung: In einer früheren Version des Artikels hiess es, dass 36 Panzerwagen 1973 an die dänischen Streitkräfte geliefert wurden. Der Export fand aber in den 1990er-Jahren statt.
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