Shopping und CoronaSie sind die überraschenden Verlierer im Onlinehandel
Die Pandemie hat den meisten digitalen Shops zu Rekordwachstum verholfen. Doch gewisse Anbieter sind in der Schweiz plötzlich weniger gefragt.
Der neue Sessel, die Spielkonsole oder Blumenerde – alles lässt sich bequem von der heimischen Couch aus im Netz bestellen. So gehören sie denn auch zu den grossen Profiteuren der Pandemie: die Onlineshops. Ob Möbel, Heimelektronik, Gartenprodukte oder Lebensmittel, alle Bereiche legten im vergangenen Jahr ein bisher nie da gewesenes Wachstum hin.
Als die Läden während der zwei Lockdowns schliessen mussten, kauften Schweizerinnen und Schweizer einfach in den Onlineshops ein. Und wer aus Angst vor einer Ansteckung die Supermärkte mied, wurde bei Migros.ch oder Coop.ch fündig und liess sich WC-Papier, Teigwaren oder Gemüse vor die Haustür liefern.Ende 2020 zeigten die Jahresergebnisse dann rekordhohe Wachstumsraten.
Die Migros-Tochter Digitec Galaxus, der Onlineshop der Migros selbst, Coop.ch, Zalando oder der Schweizer Onlinehändler Brack.ch: Alle legten beim Umsatz zwischen 25 und 56 Prozent zu.
Doch nicht alle Onlineshops profitierten in der Schweiz gleichermassen. Anbieter aus Asien und den USA hatten es vergangenes Jahr überraschend schwer. Und das, obwohl Aliexpress oder Wish hierzulande seit Jahren wachsen. Doch vergangenes Jahr setzte der chinesische Marktplatz Aliexpress gemäss Schätzungen des E-Commerce-Beratungsunternehmens Carpathia 450 Millionen Franken statt der 500 Millionen im Jahr 2019 um. Auch das US-Unternehmen Wish, das Billigwaren aus China vertreibt, setzte im letzten Jahr weniger um als noch im Vorjahr.
Das erstaunt, war das Volumen der Kleinwarensendungen, die aus Asien, insbesondere China, in der Schweiz eintreffen, doch in den letzten Jahren stetig gestiegen. Diese Kleinwarensendungen im Briefformat machen die Mehrheit der Sendungen aus Asien aus.
Wurden vor sechs Jahren 5,7 Millionen Kleinwarensendungen in die Schweiz geliefert, waren es laut der Schweizerischen Post 2018 bereits 23 Millionen. Zwei Drittel davon stammten von China Post. Doch im letzten Jahr sank die Zahl der Kleinwarensendungen aus Asien auf 21,8 Millionen.
Der Anteil der Sendungen aus Europa gegenüber demjenigen aus Asien hat hingegen wieder zugenommen. «Dies lässt sich dadurch erklären, dass Sendungen aus Asien aufgrund fehlender Transportmöglichkeiten auf dem Luftweg stark verzögert in der Schweiz eintrafen, was den Einkauf in europäischen E-Commerce-Shops attraktiver machte», sagt eine Post-Sprecherin.
«Viele Leute wissen, wo bei Qualität, Lieferzeit, Retouren und Supportmöglichkeit die Enttäuschung überwiegt.»
Für das gebremste Wachstum aus Asien sieht David Morant von Carpathia mehrere Gründe. «Viele Leute haben nun die Ali- und Wish-Shopping-Experience kennen gelernt und wissen, bei welchen Produktkategorien sich ein Kauf direkt aus Asien lohnt oder wo die Enttäuschung in Bezug auf Qualität, lange Lieferzeit, fehlende Retouren und Supportmöglichkeit eher überwiegt», sagt Morant.
Corona scheint die Entwicklung zudem beschleunigt zu haben: Besonders Anfang 2020 hätten viele Menschen grosse Vorbehalte gegenüber Produkten gehabt, die direkt aus Asien importiert werden. Auch hätten wohl einige Kunden Angst davor gehabt, sich beim Anfassen der bestellten Ware mit dem Coronavirus anzustecken, so der Experte. Dazu kamen noch Lieferschwierigkeiten und lange Wartezeiten, was sich wiederum negativ auf das Bestellvolumen auswirkte.
Schweizer Onlineshops verdrängen Amazon
Der Onlineriese Amazon konnte seinen Wachstumskurs in der Schweiz ebenfalls nicht fortsetzen, der Umsatz stieg im Vergleich zu anderen Anbietern wie Digitec oder Zalando nur minim. Die Gründe dafür lassen sich laut Morant in der Schweiz finden, denn es gebe mittlerweile nur noch wenige Vorteile, bei Amazon statt bei einem Schweizer Onlineshop zu bestellen. Digitec Galaxus, aber auch Brack.ch oder Microspot hätten sich zu Onlinewarenhäusern entwickelt und böten auch dank Marktplatzfunktionen ein enorm breites und tiefes Sortiment zu attraktiven Preisen.
Zudem könnten Versand- und Lieferservices wie kostenfreie Lieferung oder Retouren von Schweizer Onlineshops meist besser und zur grösseren Zufriedenheit der Konsumentinnen und Konsumenten erbracht werden. Amazon bearbeite den Schweizer Markt zudem nicht aktiv. «Die User-Experience von Amazon ist mittlerweile von vielen anderen Onlineshops überholt worden», sagt Morant.
Fehler gefunden?Jetzt melden.