Ihr Browser ist veraltet. Bitte aktualisieren Sie Ihren Browser auf die neueste Version, oder wechseln Sie auf einen anderen Browser wie ChromeSafariFirefox oder Edge um Sicherheitslücken zu vermeiden und eine bestmögliche Performance zu gewährleisten.

Zum Hauptinhalt springen

Entscheid zu Kriegsmaterialexporten
Politik will mehr Waffen­exporte – ausser für die Ukraine

Die Allianz gegen Waffenexporte in Buergerkriegslaender zeigt die rote Karte und reicht die Korrekturinitiative mit ueber 130 000 Unterschriften ein, am Montag, 24. Juni 2019, in Bern. (KEYSTONE/Peter Schneider)
Jetzt abonnieren und von der Vorlesefunktion profitieren.
BotTalk

Der Auslöser war der Ukraine-Krieg. Seit dem Beginn des russischen Angriffs auf die Ukraine diskutiert das Parlament darüber, wie es anderen Ländern die Wiederausfuhr von Schweizer Waffen für die Ukraine erlauben könnte. Und nun, nach anderthalbjährigen Diskussionen, ist tatsächlich eine Änderung des Kriegsmaterialgesetzes in Sichtweite.

Doch diese würde der Ukraine nichts bringen. Erstens ist die Wiederausfuhr nicht in jenem Gesetzesartikel geregelt, der geändert werden soll. Zweitens sagt das Staatssekretariat für Wirtschaft, bei der Wiederausfuhr käme weiterhin das Neutralitätsrecht gemäss Haager Abkommen zur Anwendung.

Die geplante Änderung dient einzig der Schweizer Rüstungsindustrie, wie auch die Befürworter der Gesetzesänderung einräumen. Ihr Argument: Mit den heutigen restriktiven Exportregeln gebe es zu wenig Rüstungsexporte, was die Rüstungsindustrie gefährde, auf die wiederum die Schweizer Armee angewiesen sei.

Der Ständerat hat schon in der Herbstsession eine Motion angenommen, die eine neue Ausnahmeklausel im Gesetz verlangt – eine Art Carte blanche für den Bundesrat, gewisse Rüstungsexporte in heikle Länder zuzulassen. Am Dienstag hat nun auch die Sicherheitspolitische Kommission des Nationalrats zugestimmt.

Konkret soll der Bundesrat in ausserordentlichen Umständen und zur Wahrung der aussen- oder der sicherheitspolitischen Interessen der Schweiz Waffenexporte auch dann bewilligen können, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen dafür eigentlich nicht erfüllt sind. Damit könnte er die Ausfuhr von Schweizer Waffen sogar in Länder erlauben, die in einen internen Konflikt verwickelt sind oder die Menschenrechte schwerwiegend und systematisch verletzen.

Lockern, verschärfen, lockern

Stimmt das Parlament dieser Aufweichung zu, macht es eine Verschärfung rückgängig, die erst seit kurzem in Kraft ist. Es ist die jüngste Pirouette in einer schier endlosen Abfolge von Verschärfungen, Lockerungen und gebrochenen Versprechen:

  • Erster Akt: Im Abstimmungskampf von 2009 zur Initiative der Gruppe für eine Schweiz ohne Armee (GSoA) für ein Kriegsmaterialexportverbot versichert der Bundesrat, an der restriktiven Exportpraxis festzuhalten. Die Initiative wird vom Volk abgelehnt.

  • Zweiter Akt: Fünf Jahre nach der Abstimmung lockert der Bundesrat 2014 die Regeln für Länder, welche die Menschenrechte systematisch verletzten. Exporte sind nur noch dann verboten, wenn ein hohes Risiko besteht, dass die Waffen für Menschenrechtsverletzungen eingesetzt werden.

  • Dritter Akt: 2018 will der Bundesrat die Regeln weiter lockern und auch Waffenexporte in Länder bewilligen können, die in einen internen bewaffneten Konflikt verwickelt sind. Eine Allianz um die GSoA lanciert die sogenannte «Korrekturinitiative». Damit sollen die Lockerungen rückgängig gemacht werden.

  • Vierter Akt: Der Bundesrat verzichtet nach heftiger Kritik auf die letzte geplante Lockerung. Auf die Initiative reagiert er mit einem Gegenvorschlag, der eine Verschärfung beinhaltet – aber auch eine Ausnahmeklausel: eine Carte blanche für den Bundesrat. Das Parlament jedoch streicht die Ausnahmeklausel. Daraufhin ziehen die Initianten ihr Volksbegehren zurück. 

  • Fünfter Akt: Zwei Jahre später soll diese Ausnahmeklausel nun doch ins Gesetz geschrieben werden.

GSoA und Linke prüfen Referendum

«Das ist demokratiepolitisch höchst fragwürdig», sagt Anja Gada von der GSoA. Die Organisation prüft nun ein Referendum. Auch die Linke tut das, wie SP-Nationalrätin Priska Seiler Graf sagt. Das Referendum würde dann ergriffen, wenn auch der Nationalrat der Motion zustimmt und das Parlament das Gesetz tatsächlich ändert. 

Ob der Nationalrat tatsächlich zustimmt, hängt wesentlich von der Mitte-Partei ab. In der Kommission stimmte diese dem Vernehmen nach geschlossen für die Motion, gemeinsam mit FDP und SVP. Dagegen stellten sich Grüne, SP und GLP. Im Plenum könnte es aber anders aussehen.

Pfister gegen Lockerung

Mitte-Präsident Gerhard Pfister sagt, seine Fraktion werde entscheiden müssen, welche Argumente ihr wichtiger seien – die wirtschaftlichen oder die demokratiepolitischen. «Für mich sind die demokratiepolitischen Argumente wichtiger», sagt Pfister. Er will die Motion für die Lockerung deshalb ablehnen. Dies, obwohl er damals im Parlament gegen die Verschärfung des bundesrätlichen Vorschlags stimmte – und obwohl der Antrag für die Verschärfung aus seiner Partei kam, von Andrea Gmür.

Sie wiederum hat im Ständerat nun trotzdem für die Lockerung gestimmt – mit dem Argument, die Welt sei nicht mehr dieselbe, die Sicherheitslage habe sich verändert. Im Ständerat stimmte aus der Mitte einzig Heidi Z’graggen gegen die Lockerung. Die anderen Mitglieder der Mitte-Partei stimmten Ja oder enthielten sich.

Und die Wiederausfuhr von Waffen für die Ukraine? Auch das ist noch ein Thema im Parlament. Unter dem Präsidium von SP-Nationalrätin Priska Seiler Graf tagt immer noch eine Subkommission, die einen mehrheitsfähigen Vorschlag ausarbeiten soll. Sie muss die Frage beantworten, unter welchen Voraussetzungen die Weitergabe von Schweizer Waffen erlaubt werden soll. Darüber wird das Parlament frühestens in der Sommersession 2024 befinden.