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Folgen der Social-Media-Störung
Schweizer Impfwerbung verzögert sich wegen Facebook-Panne

Panne auf Social Media: Das Bundesamt für Gesundheit konnte seine an Junge gerichtete Impf-Kampagne nicht wie geplant starten.
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Ausgerechnet zur Pendlerzeit und am Feierabend: Rund sechs Stunden dauerte am Montagabend der Totalabsturz von Facebook, Instagram und Whatsapp. Betroffen war ein Grossteil der 3,5 Milliarden Nutzerinnen und Nutzer weltweit – und auch Millionen von Firmen, die über diese Social-Media-Plattformen werben und darüber sogar ihre Produkte verkaufen.

In der Schweiz traf diese Megapanne den Bund. Das Bundesamt für Gesundheit konnte seine neue Impfkampagne, die sich vor allem an Junge richtet, nicht wie geplant starten.

«Unsere Videos konnten im Zeitraum, in welchem Facebook und Instagram down waren, nicht ausgespielt werden. Das ist bedauerlich», sagt Marco Meroni, Geschäftsleitungsmitglied der Werbeagentur Rod in Absprache mit dem Bundesamt.

Start-ups mit kleinem Marketingbudget besonders betroffen

Bei Denner war der Schaden ähnlich. Der Discounter hatte für seine aktuelle Kampagne «nah bei dir» am Montagabend sowohl auf Facebook als auch auf Instagram Schaltungen gebucht. Diese konnten jedoch nicht ausgeführt werden.

Für Denner ist das nicht so schlimm. «Unser Fokus liegt auf dem stationären Handel», sagt Sprecher Thomas Kaderli. Soziale Medien hätten beim Discounter «eher eine untergeordnete Bedeutung». Man nutze sie nicht als Verkaufskanäle, sondern als ergänzendes Mittel in der Kommunikation.

Betroffen sind auch die Migros und die Swiss. Beide konnten geplante Werbeschaltungen nicht ausführen. Da die Störung «nur wenige Stunden» dauerte, und die meisten Migros-Kampagnen auf eine längere Präsenzzeit ausgerichtet seien, sei die Migros «trotzdem nur marginal betroffen», sagt Sprecher Patrick Stöpper.

«Als gestern Facebook vollständig und so lange down war, habe ich kurzzeitig ziemlich geschwitzt.»

Sven Jakelj, Geschäftsführer des Schweizer Start-ups Feey

Firmen wie Denner, Migros, Swiss und auch die SBB unterhalten eine Vielzahl an Kommunikationskanälen. Sie sind darum für den Verkauf ihrer Produkte – Tickets etwa – nicht auf Facebook, Insta oder Whatsapp angewiesen. Folglich waren sie durch die Störung nicht gross eingeschränkt.

Stärker getroffen hat es spezialisierte Firmen aus den Bereichen Mode, Sport oder Lifestyle sowie junge Firmen, die häufig ausschliesslich auf Social-Media-Plattformen werben und darüber sogar hauptsächlich ihre Produkte verkaufen.

Zu diesen zählt Feey, ein vor zwei Jahren gegründetes Start-up aus Flawil SG, bei dem man online Zimmerpflanzen bestellen kann. «Wir erzielen rund die Hälfte unseres Umsatzes über Social Ads. Als gestern Facebook vollständig und so lange down war, habe ich kurzzeitig ziemlich geschwitzt», sagt Geschäftsführer Sven Jakelj. Der Ausfall habe ihm gezeigt, wie abhängig seine Firma vom Facebook-Konzern sei.

Sein längerfristiges Ziel ist es darum, andere Kanäle für Marketing, Verkauf und Vertrieb zu öffnen und diese Abhängigkeit zu vermindern. Zudem seien, so Jakelj, längerfristig die Kosten fürs Marketing auf Facebook, Insta und Whatsapp zu hoch.

Auch das junge Schweizer Modelabel Nikin, das stark auf Facebook-Werbekanäle setzt, spürte die Panne deutlich. «Wir hatten etwa 30 Prozent weniger Einnahmen als an vergleichbaren Tagen», sagt Geschäftsführer Nicholas Hänny.

Für die Influencer-Welt war der Montagabend «definitiv ein kurzer Schockmoment», sagt Sarah Schmid, Marketing Manager bei der Agentur Kingfluencers. Sie ergänzt: «Weil zu Beginn niemand wusste, wie lange der Ausfall andauern würde, fürchteten einige um ihre Daten und Followers oder gar um ihre Existenz.»

Agentur verzeichnet Einbusse von über 50 Prozent

Um das Ausmass für die Schweizer Werbewelt zu erfassen, kann man sich in Erinnerung rufen, was es wohl vor zwanzig Jahren bedeutet hätte, wenn eines Abends plötzlich während sechs Stunden auf dem Fernseher nichts zu sehen gewesen wäre. Bereits gebuchte TV-Spots hätten später ausgestrahlt werden müssen – mit entsprechendem Verlust für den Sender.

Was heisst das bezogen auf die Facebook-Megapanne? Wie gross sind die Einbussen? Sir Mary, eine Zürcher Werbeagentur, die etwa für Schweiz Tourismus oder die Allianz-Versicherung wirbt, rechnet mit einem Reichweiten- und damit Einnahmeneinbruch von 55 Prozent gegenüber dem Vortag, wie Geschäftsführer Daniel Zuberbühler sagt.

Wer kommt für diese Verluste auf? Wird Facebook den geprellten Werbekunden entgegenkommen müssen? Das Bundesamt für Gesundheit wird hierfür nichts unternehmen, sondern die Kampagne einfach leicht verspätet auf den sozialen Medien umsetzen. Sie läuft während der nächsten vier Wochen. «Uns ist wichtig, dass sie dort ihre Zielgruppen erreicht. Zu welchem Zeitpunkt sie das tut, ist nicht entscheidend», sagt Werber Marco Meroni.

«Lieber impfen lassen»: Impfkampagne im Bahnhof Bern.

Schweizer Firmen müssten Forderungen in den USA geltend machen

Genau wie die Swiss sehen auch Migros und Denner von Schadensersatzforderungen ab. Wohl auch deshalb, weil das Unterfangen kompliziert ist. «Für Schweizer Firmen dürfte es sehr schwierig sein, Entschädigungen für die ausgefallene Werbezeit zu erhalten», sagt Martin Steiger, Anwalt für Recht im digitalen Raum.

In einem ersten Schritt müssten Facebooks Werbekunden den erlittenen Schaden aufzeigen können. «Doch durch die eng gefassten Haftungsbestimmungen im Kleingedruckten dürfte sich eine Rückforderung für viele finanziell gar nicht lohnen», sagt Steiger. Eine weitere Hürde ist, dass Schweizer Firmen ihre Klage in Kalifornien oder Irland deponieren müssten, weil Facebook dort seinen Haupt- beziehungsweise Europasitz hat.

Immerhin: Steiger hält es für denkbar, dass sich Schweizer Firmen einer Sammelklage anschliessen, sollte eine solche in den USA eingereicht werden.