World Economic Forum 2023Schweizer Firmen wollen Kosten sparen, aber kein Personal abbauen
Inflation, Lieferketten, Fachkräftemangel: CEOs haben derzeit viele Probleme. Bei der Unterwäschefirma Calida fehlen Lastwagenfahrer, und die Privatbank Julius Bär sucht Personal auf einer Gamingplattform.

Nachwehen der Pandemie, Energiemangel, Lieferengpässe, Teuerung und Arbeitskräftemangel: Wer eine Firma führt, hat derzeit viele Gründe zur Sorge. Das Tagesgeschäft nehme CEOs übermässig in Anspruch, heisst es in der 26. Ausgabe des weltweiten CEO Outlook Survey des Beratungsunternehmens PWC, das am Weltwirtschaftsforum in Davos vorgestellt wurde.
Diese multiplen Krisen machen auch Schweizer Chefinnen und Chefs Bauchweh. «Die aktuelle Weltlage stellt uns vor neue Herausforderungen», sagt Alexandra Helbling, Chefin des Unterwäsche- und Lingerieherstellers Calida, am Dienstag an einer Veranstaltung am Rande des WEF. Vor allem durch die Lieferkettenprobleme ist sie gefordert.
Zwar habe Calida bereits Massnahmen getroffen, und die Situation sei im Vergleich zum letzten Jahr deutlich besser, doch noch immer fehlten etwa Färbemittel, Karton für Verpackungen oder Spezialpapier für Werbeplakate. «Es gibt fast immer eine Komponente, die nicht vorhanden ist», sagt Helbling. «Und wegen des Ukraine-Krieges fallen weiterhin viele Lastwagenfahrer aus, sodass die Transporte unserer Produkte von den Produktionsstandorten in Rumänien und Ungarn nicht immer einwandfrei klappen», sagt Helbling.
CEOs sorgen sich wegen der Inflation
Hauptsorge der Schweizer CEOs ist laut der PWC-Umfrage jedoch die Inflation. 43 Prozent der Befragten nennen für die nächsten zwölf Monate die Teuerung als grösste Sorge. Auch bei Helbling von Calida gehört sie zu den Knackpunkten. Als Massnahme hat die Firma im vergangenen Jahr einige Preiserhöhungen vorgenommen. Helbling sagt: «Betroffen waren vor allem Produkte, bei denen massive Qualitätsverluste entstanden wären, wenn wir aufgrund der gestiegenen Rohstoffpreise auf alternative Materialien hätten umstellen müssen.»
Die Tatsache, dass die Inflation bei der globalen Umfrage an erster Stelle steht, zeigt, wie sehr sich die Weltwirtschaft in den letzten Monaten verändert hat. Noch in den Vorjahren standen Cyberrisiken ganz oben auf dem Sorgenbarometer. Nur rund einer von fünf CEOs betrachtet sie jetzt immer noch als Hauptbedrohung. Im Jahr 2021 waren deswegen noch zwei Drittel der CEOs sehr besorgt.
Dass Cybersicherheit nicht mehr so viel Bauchweh macht, erstaunt, denn in der Schweiz gab es letztes Jahr so viele Hackerangriffe auf Firmen wie noch nie. Es scheint, als wären inzwischen noch grössere Gefahren dazugekommen, die zumindest kurz- bis mittelfristig die Sorge vor Cyberangriffen überlagern.
Julius Bär umgarnt Gamerinnen und Gamer
Je nach Branche und Firmengrösse sind die Probleme anders. Die Privatbank Julius Bär etwa kämpft damit, genügend Fachkräfte zu finden. «Unser Unternehmen ist mittlerweile auch ein bisschen eine Techfirma. Im Kampf um die besten IT-Kräfte konkurrieren wir mit den Googles dieser Welt», sagt CEO Philipp Rickenbacher am WEF-Event.
Die Bank habe deshalb unter anderen Massnahmen kürzlich eine Kampagne auf der Gamingplattform Roblox gestartet. «Wir wollen bei dieser Zielgruppe präsent sein, sodass sie uns als Arbeitgeberin in Betracht ziehen», sagt Rickenbacher.
Damit ist er nicht allein. Gut zwei Drittel der für die PWC-Studie befragten CEOs gehen sogar davon aus, dass der Mangel an Personal die Profitabilität ihres Unternehmens über die nächsten zehn Jahre massgeblich beeinträchtigen wird. Daher wollen sie vermehrt in ihre Mitarbeitenden investieren. Die Mehrheit will weder Personal abbauen oder einen Rekrutierungsstopp verhängen noch die Vergütungen kürzen. Vielmehr wird etwa in Weiterbildung investiert, und die Arbeitgeber wollen Vergütungen und Zusatzleistungen ausbauen. Zudem sollen Frauen mehr und in höheren Pensen arbeiten – und ihr Wiedereinstieg oder die Vereinbarkeit von Beruf und Familie sollen vermehrt unterstützt werden.
Trotz all dieser Probleme blicken die Schweizer Unternehmenslenker zuversichtlich nach vorn. «Die Firmen wollen Kosten sparen, aber kein Personal abbauen», sagt Andreas Staubli, Chef von PWC Schweiz. «Sie tun dies, weil sie wissen, wie schwierig es ist, gute Leute zu finden.» Die Unternehmen würden deshalb ihre Ausgaben durch Automatisierung senken, aber die Leute weiterbeschäftigen.
Auch Julius Bär ist es seit je ein wichtiges Anliegen, Angestellte zu halten – kein Wunder, denn bei einer Privatbank sind viele Berater direkt und eng mit den Kunden verbunden. Halten will CEO Rickenbacher seine Angestellten nicht nur über finanzielle Anreize, sondern auch über ein gutes Arbeitsklima und Möglichkeiten zu flexiblem Arbeiten – Homeoffice etwa.
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