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Sichere Energieversorgung
Ueli Maurers vergessener Katar-Plan für die Schweiz

Erdgastanks der Erdgas Ostschweiz AG.
Gasspeicher in Schlieren, mit Fussballplatz oder Hecke oder Schrebergärten im Vordergrund, mit Drohne
06.10.2022
(URS JAUDAS/TAGES-ANZEIGER)
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Ueli Maurer sitzt in Doha neben Saad Sherida al-Kaabi. Der Schweizer Finanzminister gleist mit dem Energieminister Katars gerade Verhandlungen über den Kauf von Flüssiggas auf – ein Bild mit Symbolkraft. 

Es ist März 2022, der Ukraine-Krieg erst wenige Wochen alt und die Sorge gross: Dreht Putin den Gashahn zu? Wenig später teilt Maurers Finanzdepartement mit, der Westschweizer Gasversorger Gaznat werde die Verhandlungen mit Katar führen. 

28.11.2022; Doha; Fussball Nationalmannschaft - FIFA Weltmeisterschaft Katar 2022 - Brasilien - Schweiz; Bundesrat Ueli Maurer 
(Toto Marti/Blick/freshfocus)

Die Schweiz suchte damals wie der Rest Europas fieberhaft nach Alternativen zu Gas aus Russland. Mit einigem Erfolg. Kamen vor Kriegsbeginn 47 Prozent der Gasimporte aus russischer Quelle, sind es im laufenden Jahr noch 15 Prozent. Der Grossteil gelangt über Pipelines nach Europa (9 Prozent). Beim Rest handelt es sich um Flüssigerdgas (LNG) aus Russland, das via Schiff zu europäischen Häfen transportiert und dort weiter verteilt wird. 

Die EU-Länder haben ihre LNG-Infrastruktur seit Kriegsbeginn weiter aufgebaut, um sich von Russland weiter lösen zu können. Mittlerweile macht Flüssigerdgas 40 Prozent der europäischen Gasimporte aus. Doch damit haben auch die LNG-Einfuhren aus Russland zugenommen. Im ersten Halbjahr 2023 waren es rund 40 Prozent mehr als im gleichen Zeitraum 2021, also noch vor Kriegsbeginn. 

«Je schneller wir ganz von russischem Gas wegkommen, desto besser.»

Thomas Hegglin, Verband Schweizer Gasindustrie

Ob es der EU gelingt, wie angekündigt ab 2027 kein russisches Gas mehr einzuführen, ist vor diesem Hintergrund fraglich. Nichtregierungsorganisationen üben jedenfalls scharfe Kritik an der EU. Global Witness etwa verlangt ein Handelsverbot für russisches Gas, «das Putins Taschen füllt». 

LNG Tanker ARCTIC PRINCESS vor Hammerfest (N) - Juni 2015
Date	6 June 2015 Foto Joachim Kohler ZVG

Die Schweizer Gaswirtschaft geht nicht so weit. Für den Verband der Schweizerischen Gasindustrie (VSG) ist aber klar: «Je schneller wir ganz von russischem Gas wegkommen, desto besser», sagt Sprecher Thomas Hegglin. Diese Abnabelung gehe aber nicht von heute auf morgen – auch in der Schweiz nicht. Da unser Land über keine eigenen Gasquellen verfügt, kaufen die hiesigen Energieversorger das Gas auf den europäischen Handelsplätzen ein,  sie hängen also vom europäischen Importmix ab. 

Obschon Russland weiter zu den Lieferanten gehört, blickt die Gaswirtschaft vorsichtig optimistisch auf den kommenden Winter: «Die Ausgangslage ist sicher besser als letztes Jahr», sagt Hegglin. Die europäischen Gasspeicher sind aktuell mit 99 Prozent fast voll – ein Wert, der deutlich über dem Fünfjahresschnitt von 90 Prozent liegt, vor einem Jahr waren es zum gleichen Zeitpunkt 94 Prozent. 

Frist läuft ab

Auch die Schweizer Gasversorger haben ihre Hausaufgaben gemacht. Auf Geheiss des Bundesrats müssen sie bis am 1. November im Ausland Gasreserven sichern, und zwar im Umfang von mindestens 15 Prozent des durchschnittlichen Jahresverbrauchs in der Schweiz. Dies sei gelungen, sagt Hegglin. Die Speicheranlagen stehen in Frankreich, Deutschland und Italien.

Energieminister Albert Rösti hat es im Sommer zudem geschafft, mit Rom einen Vertrag zur Versorgungssicherheit abzuschliessen: Sollte Deutschland dereinst ausserstande sein, Gas in die Schweiz zu liefern, will Italien aushelfen. 

«Es gibt weiterhin Unwägbarkeiten.»

Thomas Hegglin, Verband Schweizer Gasindustrie

Gänzlich Entwarnung gibt der VSG aber nicht. «Es gibt weiterhin Unwägbarkeiten», sagt Sprecher Hegglin. Die Risikofaktoren sind bekannt: Knapp werden könnte das Gas etwa nach einer längeren Kälteperiode, insbesondere gegen Ende des Winters hin. Oder aber, wenn die französischen Kernkraftwerke in grosser Zahl ausfallen und somit mehr Strom mit Gas produziert werden müsste. Risikoverschärfend könnte auch eine stark steigende Nachfrage nach Flüssigerdgas in Asien sein, namentlich in China. 

Nun muss sich Katar wegen seiner Nähe zur Hamas erklären. Das Emirat bestreitet jedoch, Terroristen zu unterstützen.

Sicher ist dagegen, dass die Suche nach neuen Gasquellen weiterläuft – auch potenziell umstrittenen. Das hat bereits Ueli Maurers Gang nach Katar gezeigt. Das Herrscherhaus, das über riesige Erdgasmengen verfügt, stand beim Besuch des SVP-Bundesrats international in der Kritik – wegen Menschenrechtsverletzungen im Vorfeld der Fussballweltmeisterschaft.  

In der Kritik steht das Land auch heute noch. Nun muss sich Katar wegen seiner Nähe zur Hamas erklären. Das Emirat bestreitet jedoch, Terroristen zu unterstützen, und sieht sich vielmehr als Vermittler im eskalierenden Nahostkonflikt. 

Katar bleibt Kandidat

Maurer ist inzwischen abgetreten. Das Finanzdepartement, seit Anfang Jahr unter Führung von Karin Keller-Sutter, zeigt sich für Maurers Initiative inhaltlich nicht zuständig: Ob der Gasversorger Gaznat Verhandlungen geführt habe oder noch führe, «entzieht sich unserer Kenntnis», so ein Sprecher.

Gaznat selber bestätigt auf Anfrage, mit Katar Gespräche geführt zu haben. Allerdings stehe für kurzfristige Verträge kein Erdgas zur Verfügung. «Darum ist es zu keiner sofortigen Einigung gekommen», sagt Gaznat-Direktor René Bautz. Das heisse aber nicht, dass die Verhandlungen gescheitert seien. Die Schweiz, aber auch andere europäische Länder sähen Katar als potenziellen Partner zur Sicherung ihrer Versorgung, allerdings erst in den kommenden Jahren. Daher kommentiere man nun auch die skizzierte Kritik an Katar nicht. 

Gaznat setzt auf andere Quellen. Im Dezember hat es mit dem norwegischen Gasproduzenten Equinor eine Vereinbarung für die kommenden fünf Jahre abgeschlossen. Gaznat hält diese Partnerschaft für besonders bedeutend: In einem geopolitisch schwierigen Umfeld stärke sie eine Beziehung mit einem europäischen und zuverlässigen Produzenten.