Studie der Universität BaselDie Schweiz trotzt der Polarisierung
Trotz Spannungen durch Krisen und Kriege sind die politischen Gräben hierzulande nicht grösser geworden. Mögliche Gründe sind Volksabstimmungen und das Wahlsystem.
In der Schweiz hat zuletzt vor allem die Corona-Krise für wachsende politische Spannungen gesorgt, und aktuell sorgen die Kriege in der Ukraine und in Gaza für emotionale Debatten, wie auch die Proteste an den Schweizer Unis zeigen. Doch ein Forscherteam unter der Leitung von Alois Stutzer, Professor für politische Ökonomie an der Universität Basel, hat in einer Studie herausgefunden, dass sich die emotionale Polarisierung in der Schweiz in den letzten zwei Jahrzehnten kaum verändert hat. Die Studie basiert unter anderem auf Daten der SRG-Meinungsumfrage «Wie gehts, Schweiz?» von 2023 und ist die erste ihrer Art in der Schweiz.
Anderswo auf der Welt ist der Trend umgekehrt. In vielen Ländern verschärfen sich die politischen Gräben, und die Toleranz gegenüber Andersdenkenden nimmt ab. Dieses Phänomen wird als affektive oder emotionale Polarisierung bezeichnet. Beispiele sind die USA, wo gar Ängste vor einem Bürgerkrieg umgehen, oder die Slowakei, wo das politisch motivierte Attentat auf Premier Robert Fico mit dem vergifteten Klima im Land in Verbindung gebracht wird.
Mechanismen zur Konfliktlösung sind in Takt
Für die Schweizer Demokratie sind die Ergebnisse der Universität Basel erfreulich. «Wenn die emotionale Polarisierung sehr ausgeprägt ist, haben wir ein Problem in der Demokratie», erklärt Stutzer im Gespräch mit SRF. Ein politisch und kulturell vielfältiges Land wie die Schweiz könne nur bestehen, wenn die Bürgerinnen und Bürger den politischen Gegner nicht als Feind betrachteten.
Die Studie zeigt, dass es lediglich zwischen 1999 und 2003 eine kurze Phase erhöhter affektiver Polarisierung gab. Seither sind die politischen Gräben konstant geblieben. Ein Grund dafür könnten die häufigen Volksabstimmungen sein, die regelmässig polarisierende Themen aufgreifen und verarbeiten. Auch das Wahlsystem, das politische Gruppierungen zu wechselnden Koalitionen zwingt, trage zur Stabilität bei. «Die demokratischen Konfliktlösungsmechanismen scheinen in der Schweiz noch immer zu funktionieren», so Stutzer.
Sympathien für Parteien erreichten 2023 Tiefpunkt
Die Sympathien der Schweizerinnen und Schweizer gegenüber den Parteien sind generell zurückgegangen und haben 2023 einen Tiefpunkt erreicht. Ob die emotionale Polarisierung eher von links oder von rechts ausgeht, lässt sich jedoch nicht eindeutig feststellen. «Es braucht dafür immer beide Seiten. Auf Grundlage der Daten kann man niemandem die Schuld dafür geben», betont Stutzer.
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