Schweizer EuropapolitikDie Dublin-Reform als Gefahr für die Bilateralen III
Bald muss Bern die Dublin-Regeln aktualisieren. Im schlechtesten Fall könnte diese Reform einer institutionellen Einigung mit der EU in die Quere kommen.

Ein Durchbruch in der Europapolitik ist unter anderem auf die Zustimmung des linken Lagers angewiesen. Während Lösungen im Bereich Lohnschutz verhandelt werden, stellt sich nun die Frage: Werden die Linken neue Bedingungen stellen, etwa in der Asylpolitik? Angesichts des politischen Kalenders ist dieses Szenario ernst zu nehmen.
Wenn der Bundesrat die Bilateralen III in dieser Legislaturperiode unter Dach und Fach bringen will, wird er dies wahrscheinlich vor dem Jahr der nächsten eidgenössischen Wahlen tun. Dafür müsste spätestens am 29. November 2026 eine Volksabstimmung stattfinden.
Ausgerechnet 2026 läuft auch die Frist für die Übernahme des revidierten Dublin-Systems ab. Der Kern dieser Reform muss bis zum 1. Juli 2026 umgesetzt werden. Im Falle eines Referendums wird die Abstimmung wahrscheinlich am 14. Juni 2026 stattfinden. Das ist laut der Bundesverwaltung der frühestmögliche Termin – sowie der letzte vor Ablauf der Frist. Das Risiko eines Referendums ist hoch, und das ändert die Lage.
Bei der Reform handelt es sich eher um eine Evolution als eine Revolution der Asylpolitik. Dennoch: In Brüssel gilt sie bei der Zivilgesellschaft als Ausbau der «Festung Europa».
Die Frontex-Abstimmung von 2022 hat mehrere Erkenntnisse gebracht. Selbst wenn das Risiko einer Ablehnung gering ist, kann eine Opposition der linken Parteien ihre Wählerschaft demobilisieren und spalten, und je nachdem eine negative Dynamik in der öffentlichen Debatte auslösen, insbesondere bei einem so emotionalen Thema.
Die Dublin-Reform kann also europapolitisch eine zusätzliche Belastungsprobe sein. In progressiven Milieus könnte sie die Skepsis gegen eine dynamische Übernahme von EU-Recht verstärken: ausgerechnet einige Monate vor der Abstimmung über ein Paket, das die Ausweitung des Prinzips der dynamischen Übernahme selbst vorsieht. Die Suche nach einer Mehrheit für die Bilateralen III wäre somit noch schwieriger.
Die rot-grünen Kräfte wissen das. Da sie mehrheitlich das Dublin-System kritisch sehen, können sie vom günstigen politischen Kalender profitieren, um im Rahmen der Umsetzung Zugeständnisse zu fordern.
Es braucht nun Bereitschaft zu Kompromissen
Angesichts dieser riskanten Verkettung beider Themen müssen alle konstruktiven politischen Akteure ihre Verantwortung wahrnehmen. Für das Parlament und den Bundesrat bedeutet dies, einen Schritt in Richtung des rot-grünen Lagers zu tun; für die linksgrünen Kräfte, unsere Beziehungen zur EU nicht mit Maximalforderungen in Geiselhaft zu nehmen.
Eine gegenseitige Kompromissbereitschaft würde die Chancen der Bilateralen III erhöhen. Ein Scheitern der Koalitionsbildung für die Dublin-Reform hingegen würde die folgende Abstimmungskampagne über das EU-Paket negativ beeinflussen. Und könnte letztlich dazu führen, dass die Abstimmung über dieses Dossier verschoben wird.
Wenn uns das letzte Jahrzehnt eines gelehrt hat, dann, dass es kein perfektes Zeitfenster für die Europapolitik gibt. Der Einbruch der Dublin-Reform in den politischen Kalender ist nur ein weiterer Beweis dafür.
Darius Farman ist Policy Fellow beim aussenpolitischen Thinktank Foraus.
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