Kommentar zu den BilateralenDer Bundesrat zeigt, wie man es sicher nicht machen sollte
Die Regierung fällt wieder einmal durch schlechte Kommunikation auf. Während sich die Verhandlungen im Klein-Klein verlieren, haben sich die Gegner eines EU-Deals längst in Stellung gebracht.
- Der Bundesrat zeigt erneut Kommunikationsschwierigkeiten in den Verhandlungen mit der EU.
- Skepsis unter Bundesratsmitgliedern führt zu mangelnder Unterstützung der Gespräche.
- Gegner des Abkommens nutzen das Kommunikationsvakuum zur Propaganda gegen Brüssel.
- Hohe Erwartungen könnten eine weitere Verhandlungsblockade wie 2018 verursachen.
Als hätte es den Beweis wieder einmal gebraucht, dass Kommunikation der Schlüssel zum Erfolg ist, demonstriert der Bundesrat gerade, wie man es sicher nicht machen sollte. Zum zweiten Mal innert weniger Jahre ist die Schweizer Regierung auf gutem Weg, die strategisch wichtigen Verhandlungen über ein neues Fundament für die bilateralen Beziehungen zur EU an die Wand zu fahren.
Kurze Rückblende: Vor vier Jahren liess der Bundesrat den zuständigen Staatssekretär Roberto Balzaretti fallen, nachdem dieser offensiv für ein institutionelles Rahmenabkommen geworben hatte. Wenig später folgten der Abbruch der Verhandlungen, eine kurze Eiszeit, schliesslich eine längere Sondierungsphase – und dann, in diesem Frühjahr, der Neustart mit Brüssel.
Der Gesamtbundesrat hat dafür grünes Licht gegeben, dem Mandat und der mit der EU vereinbarten «Landezone» zugestimmt. Die neue geopolitische Lage müsse bei den Gesprächen mit Brüssel berücksichtigt werden, die Schweiz sei Teil einer Schicksalsgemeinschaft mit den europäischen Nachbarn, mahnte Aussenminister Ignazio Cassis noch.
Doch seither herrscht Funkstille vonseiten der Landesregierung. Und wer sich vorwagt, gerät rasch ins Kreuzfeuer der Kritik oder wird zurückgepfiffen. Das dürfte auch damit zu tun haben, dass die Hälfte des Bundesrats die Verhandlungen zumindest skeptisch sieht. Aber dann hätte man es vielleicht auch lassen können. Die selbst auferlegte Nichtkommunikation ist jedenfalls nicht mehr zeitgemäss.
EU-Gegner haben Terrain längst besetzt
In einer anderen Welt würde eine Regierung mit Engagement und Herzblut für einen Deal werben, der die Beziehung zum wichtigsten Partner auf eine zukunftsträchtige Basis stellt. In der Schweizer Realität haben die Gegner einer Einigung mit Brüssel das Vakuum längst ausgefüllt.
Propaganda überlässt der Bundesrat vornehm der anderen Seite, etwa der Gruppe von Zuger Milliardären und TV-Prominenz aus früheren Zeiten mit ihrer «Kompass»-Initiative. So wird der Deal mit Brüssel zerredet und das Ende der souveränen und direktdemokratischen Schweiz an die Wand gemalt, bevor ein Abschluss vorliegt. Die Gegner einer Einigung mit der EU haben das Terrain längst besetzt.
Gleichzeitig explodieren in der Schweiz Erwartungen, die niemals erfüllt werden können. Ein gutes Beispiel ist die Forderung nach einer griffigen Schutzklausel, die im Kommunikationsvakuum des Bundesrats eine gefährliche Eigendynamik entwickelt hat. Ohne einen Durchbruch hier kann ein Schweizer Verhandlungsteam kaum mehr aus Brüssel zurückkehren. Mit Erwartungsmanagement hätte der Bundesrat verhindern können, dass man wie beim Rahmenabkommen wieder in eine Sackgasse gerät und am Ende die Übung vielleicht abbrechen muss.
Letzte Hoffnung
Noch geben sich jedoch beide Seiten zuversichtlich, bis Ende Jahr zu einem Abschluss zu kommen. 120 Verhandlungssitzungen in unterschiedlichen Runden wurden seit März geführt, um am Paket mit den Regeln für die Streitschlichtung und mit den neuen Abkommen zu Strom oder Gesundheit zu feilen. Dabei kreist man eigentlich seit 2014 und dem verunglückten Rahmenabkommen immer um dieselben Fragen. Ein unglaublicher Einsatz von Energie und Lebenszeit, bei dem man sich erneut im Klein-Klein zu verlieren droht.
Beim Neustart hatte Bundesrat Ignazio Cassis zu Recht auf das grosse Bild der düsteren geopolitischen Lage verwiesen. Dieser Blick für das grosse Bild ist in den Endlosverhandlungen verloren gegangen.
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