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Mamablog: Von der Frau zur Mutter
Schon mal von der «Muttertät» gehört?

Unglaublich schön, aber für immer anders: Die Verwandlung der Frau zur Mutter wird (zu) selten thematisiert.
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«Und, wie ist es, Mama zu sein? Hast du es dir so vorgestellt?» Meine ehemaligen Studienkolleginnen waren zu Besuch. Wenige Wochen davor war ich zum ersten Mal Mutter geworden und hatte mich wahnsinnig auf sie gefreut. Mir alle Mühe gegeben, so entspannt wie möglich zu wirken. Schliesslich war ich doch immer noch die Alte, oder? Spontan, unternehmungslustig, eine zum Pferdestehlen eben. Doch da war er nun, der Kloss in meinem Hals.

Ich zupfte nervös an meinen Stilleinlagen und betrachtete mein schlummerndes Kind. Eigentlich hätte ich ihnen so vieles sagen wollen. Aber sie würden es ohnehin nicht verstehen, dachte ich. Also schluckte ich nur den Kloss runter und sagte: «Ja. Schön!»

Hätte ich damals von «Matrescence» schon gehört, wäre ich liebevoller und ehrlicher zu mir selbst gewesen. Ich hätte gewusst, dass mein Gefühlschaos nichts Ungewöhnliches ist. Und die Zuversicht gehabt, dass alles gut kommt.

Veränderungen wie in der Pubertät

Worte schaffen Wirklichkeit. Und Matrescence steht für etwas, wofür uns bislang die Worte fehlten. Für das Gefühl, wenn während der Schwangerschaft unsere Welt aus den Fugen gerät und sich spätestens nach der Geburt im freien Fall durchs Universum befindet. Kurzum: für das Mutterwerden.

Laut der US-amerikanischen Psychologin Dr. Aurélie Athan ähnelt dieser Prozess dem Identitätswandel während der Pubertät. 2015 schrieb sie in «Feminism and Psychology»: «Ganz wie die Pubertät ist die Matrescence eine Erfahrung des Orientierungsverlustes und der Neuorientierung und kann mehrere Ebenen betreffen: die körperliche, psychologische, soziale und spirituelle.» Natürlich sind die Veränderungen bei jeder Frau unterschiedlich stark ausgeprägt. Fest steht aber: Das Mutterwerden verändert uns und ist ein Prozess, der weit über Geburt und Wochenbett hinausgeht.

Ambivalente Gefühle? Vollkommen ok. Ein überzogenes Mutterideal setzt junge Mütter unter Druck.

Eine 2017 veröffentlichte Studie zeigt: Hormone verändern während der Schwangerschaft nicht nur unseren Körper, sondern auch Teile des Gehirns. Anhand von MRT-Bildern waren die Veränderungen vor allem in den Hirnregionen erkennbar, die für Sozialverhalten und Einfühlungsvermögen zuständig sind. Die Forscher kamen zum Schluss, dass sich das Gehirn während der Schwangerschaft ebenso stark und wahrscheinlich ebenso permanent verändert wie in der Pubertät.

Im selben Jahr plädiert die Psychologin Alexandra Sacks in ihrem «New York Times»-Artikel dafür, die komplexen Gefühle von Frauen während der Matrescence zu normalisieren. Denn es ist normal, wenn sich die Beziehungen zu unseren Mitmenschen verändern. Wenn wir unser Kind ganz nah bei uns haben wollen und uns gleichzeitig nach Freiraum sehnen. Wenn wir uns alles rosiger vorgestellt haben und das Gefühl haben, nichts richtig zu machen.

Muttertät statt Mom-Bashing

In unserer hochzivilisierten Gesellschaft fehlt uns gerade zu Beginn des Mutterseins das Dorf. Es fehlt an Austausch mit Frauen verschiedener Generationen. Zudem prägt uns ein überzogenes Mutterideal, das zu grossem Erwartungsdruck führt. Den Druck, stets dankbar und erfüllt sein zu müssen, sich Schwierigkeiten ja nicht anmerken zu lassen.

Dies beobachten Doulas Natalia und Sarah aus München täglich bei den Frauen, die sie begleiten. Die Schwestern haben es sich darum als «Schwesterherzen Doulas» zur Aufgabe gemacht, das Bewusstsein um die Matrescence unter dem deutschen Pendant «Muttertät» (wie Pubertät) im deutschsprachigen Raum zu verbreiten. «Viele Frauen verspüren den Drang, möglichst schnell zur Normalität zurückzukehren», so die Doulas. Sie erleben, dass viele Mütter sich für ihre ambivalenten Gefühle schämen. Daher möchten die beiden diese Frauen dabei unterstützen, das nötige Selbstmitgefühl zu entwickeln.

Auch gesellschaftlich brauche es mehr Anerkennung für die Realität des Mutterseins. Die Auseinandersetzung mit Begriffen wie Mutterschaftsurlaub, die Aufwertung von Care-Arbeit und Unterstützung beim beruflichen Wiedereinstieg wären ein Anfang. Und: Über die Muttertät zu sprechen. Das löst nämlich den Kloss im Hals und ist viel cooler als Mom-Bashing.