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Ein Experte ordnet ein
Das sollten Sie über Schmerzmittel wissen

[Symbolbild / Gestellte Szene] Ein Mitarbeiterin der Baeren Apotheke in Ostermundigen befuellt den medikamenten Roboter mit Produkten, fotografiert am Montag, 20. Februar 2023. (KEYSTONE/Christian Beutler)
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Schmerzlindernde Medikamente sind in der Schweiz beliebt, einfach zugänglich und in weiten Kreisen akzeptiert. Wer in der Apotheke eine Packung Tabletten kauft, erhält eine kurze Beratung der Apothekerin. Wenn das Schmerzmittel aber erst mal in der Hausapotheke versorgt ist, greifen die meisten wohl ohne gross darüber nachzudenken zum erstbesten, das ihnen in die Hände fällt.

Dabei wäre es wichtig, die Unterschiede zwischen den verschiedenen Wirkstoffen zu kennen. Wir haben deshalb bei Stephen Jenkinson nachgefragt. Er ist Leiter der Abteilung Innovationen des Schweizerischen Apothekerverbands und ausserdem Dozent am Berner Institut für Hausarztmedizin an der Universität Bern.

Paracetamol in der Schweiz besonders beliebt

Der beliebteste schmerzlindernde Wirkstoff der Schweizerinnen und Schweizer ist laut Jenkinson Paracetamol. Dieser ist in nicht verschreibungspflichtigen Medikamenten wie Dafalgan und Panadol enthalten. Es kommt ausserdem oft in Kombipräparaten wie beispielsweise Neocitran oder Pretuval C vor.

Genau das könne jedoch gefährlich werden, meint Jenkinson. Das eigentlich gut verträgliche Medikament mit geringen Nebenwirkungen auf Niere und Herz-Kreislauf-System kann in zu hoher Dosierung – 5 bis 10 Gramm – schädlich auf die Leber wirken. Gerade vom Spital werde oft die Einnahme von 1 Gramm viermal täglich verschrieben. Wer dann noch ein Neocitran trinkt oder eine vorbelastete Leber hat, der erleidet im schlimmsten Fall Leberversagen. Besonders bei bestehenden Risikofaktoren wie Alkoholismus können schon tiefere Dosen als 4 Gramm pro Tag lebertoxisch wirken.

«In den USA ist der häufigste Grund für einen arzneimittelbedingten Spitalbesuch im Bezug auf Leberversagen die Überdosierung von Paracetamol.» Dies dürfte darauf zurückzuführen sein, dass man das Schmerzmittel dort in 100er-Packungen im Einkaufszentrum kaufen könne, ergänzt der Pharmakologe.

So funktionieren entzündungshemmende Wirkstoffe

Neben Paracetamol, welches fiebersenkend und schmerzlindernd wirkt, kommt bei den Wirkstoffen Acetylsalicylsäure, Diclofenac, Ibuprofen und Naproxen noch eine entzündungshemmende Wirkung hinzu. Im Fachjargon werden sie Nichtsteroidale Antirheumatika, kurz NSAR, genannt. «Aufgrund ihrer entzündungshemmenden Eigenschaften eignen sie sich insbesondere für Schmerzen, die den Bewegungsapparat betreffen.» Diese seien oft eine Folge von Entzündungen. Hier sei Ibuprofen der beliebteste rezeptfreie Wirkstoff, da er sich auch für die Behandlung von Kindern eigne, sagt Jenkinson.

Nichtsteroidale Antirheumatika hemmen das für die Schmerzentstehung benötigte Enzym COX, wirken dadurch schmerzstillend und entzündungshemmend. COX existiert in zwei Formen: COX 1 und COX 2. Während COX 1 für die Instandhaltung von Darm- und Magenschleimhaut wichtig ist, bildet COX 2 in entzündeten Geweben sogenannte Prostaglandine, die eine Entzündungsreaktion verstärken oder aufrechterhalten.

Beratung ist bei Schmerzmitteln wichtig

«Der Nachteil an entzündungshemmenden Medikamenten ist, dass sie beide Formen des Enzyms drosseln, mal mehr, mal weniger stark», erläutert Stephen Jenkinson. Es gebe von Wirkstoff zu Wirkstoff Unterschiede, wie selektiv dieser auf COX 1 und COX 2 wirke: «Ibuprofen hemmt COX 1 beispielsweise weniger als Acetylsalicylsäure.» Je weniger das Enzym COX 1 gehemmt werde, desto besser sei die Verträglichkeit für den Magen. Naproxen hingegen habe die geringsten Nebenwirkungen auf das kardiovaskuläre System und eigne sich deshalb besser als Schmerzmittel für Menschen, die Herz-Kreislauf-Probleme hätten.

Für die Auswahl des idealen Schmerzmittels sind demnach einerseits die Art der Schmerzen und andererseits die medizinische Verfassung beziehungsweise die physischen Vorbelastungen des Patienten oder der Patientin entscheidend. Diese Faktoren sollten beim kurzen, obligatorischen Vorgespräch in der Apotheke abgefragt werden. Darum ist eine vorgängige Beratung bei der Auswahl des richtigen Schmerzmittels wichtig.

Metamizol: Kontrovers und im Ausland teils verboten

Über das viel diskutierte Medikament Novalgin und den darin enthaltenen Wirkstoff Metamizol hat diese Redaktion bereits berichtet. Es ist eines der meistbezogenen Schmerzmittel der Schweiz und wird hierzulande von vielen Spitälern standardmässig verschrieben.

Auch der Experte greift das Thema auf und sagt, dass Metamizol mit seiner fiebersenkenden und schmerzlindernden Wirkung relativ wenig unerwünschte Nebenwirkungen auf Niere und das Herz-Kreislauf-System habe. Kontrovers sei die Verschreibung aufgrund einer möglichen sehr seltenen Nebenwirkung, die zum Tod führen könne: Agranulozytose.

Dabei handelt es sich um eine gefährliche Verminderung der weissen Blutkörperchen, die dazu führt, dass das Immunsystem stark geschwächt wird. «Experten sind sich uneinig, ob der Einsatz aufgrund der Seltenheit von Agranulozytose vertretbar ist oder nicht», meint Jenkinson. Es gibt Länder, die den Wirkstoff verboten haben. In der Schweiz kann man das Medikament nach einem Beratungsgespräch auch in der Apotheke beziehen.

Wann sollte man ein Schmerzmittel nehmen?

Ab wann es sinnvoll ist, ein Medikament gegen Schmerzen zu nehmen, ist von Mensch zu Mensch unterschiedlich, da die Intensität des Schmerzes subjektiv wahrgenommen wird. Auch das Geschlecht könnte eine Rolle spielen, erklärt der Experte: «Es gibt Studien, die darauf hinweisen, dass Frauen eine höhere Schmerztoleranz aufweisen als Männer.» Sollte man durch das Leiden im Alltag eingeschränkt sein, ist die Einnahme eines Schmerzmittels laut Jenkinson sicher naheliegend.

Es gibt aber auch nicht medikamentöse Massnahmen, um Schmerzen zu lindern. Dies ist gerade für chronische Schmerzpatienten von Bedeutung, da diese sonst langzeitig Schmerzmittel einnehmen müssten. In Kombination mit einem Medikament, um den Leidensdruck vorerst zu verringern, bieten sich beispielsweise bei chronischen Rückenschmerzen auch manuelle Ansätze wie Physiotherapie oder Akupunktur an, wie Stephen Jenkinson sagt. Auch Yoga, Massagen und eine allgemeine Stressreduktion könnten helfen. Wer Kopfweh habe, könne es auch mal mit einem Coldpack oder ätherischen Ölen versuchen, bevor er zur Tablette greife.

Als chronisch gelten Schmerzen laut medizinischer Definition ab einer Dauer von drei Monaten, davor sind sie akut. Bei Kopfschmerzen spricht man von chronischen Kopfschmerzen, wenn jemand an über 15 Tagen im Monat während mindestens drei Monaten unter Kopfschmerzen leidet. Wer diese Bedingung erfülle, sollte sich Gedanken über die Ursachen machen und sich mit einer Fachperson austauschen.

Grundsätzlich, so Jenkinson, sei die gelegentliche Einnahme von Schmerzmitteln in Ordnung. «Man sollte jedoch jeden Griff zu Tabletten rechtfertigen können» und diese auf keinen Fall präventiv einnehmen.