Auf Tuchfühlung mit ReptilienSchlangen-Rendezvous im Thurgau
Im Schlangenzoo von Eschlikon leben 150 Exemplare aus allen Kontinenten. Die Betreibenden halten ein Plädoyer für die immer noch verkannten Lebewesen.
Dieser Artikel stammt aus der Schweizer Familie
Gut getarnt liegt sie unter einem Stück Holz, wie ein Laubblatt mutet ihr Kopf an. Ich sehe die Gabunviper im Terrarium erst nach detektivischen Augenblicken. Wäre ich ihr in freier Natur begegnet, hätte ich wohl kaum Ruhe bewahrt. Aber hinter bruchsicherem Glas ist sie ein Faszinosum, ein exotisches Wesen, das mir keine Sekunde Hühnerhaut beschert. «Die meisten Menschen fürchten Schlangen und wissen nicht, dass sich diese verziehen, wenn sie durch Schritte bewirktes Beben spüren», sagt Hilde Villars vom einzigen Schlangenzoo der Schweiz in Wallenwil/Eschlikon TG.
Sehr ästhetische Tiere
Hilde Villars ist eine Expertin für alles «Serpentige». Sie führt den Zoo, den ihr verstorbener Mann Jean-Claude im Juli 2000 gründete, zusammen mit ihrer Tochter Fabienne Schmid-Villars und dem Tierpfleger Joel Müller. Jean-Claude Villars, ein Maschinenbauunternehmer, hatte früh ein Faible für Schlangen und hielt zahlreiche Exemplare zu Hause, «bis der Platz drastisch knapp wurde».
Jetzt lassen sich auf 320 Quadratmetern über 150 Tiere bestaunen, Arten jedes Kontinents. «Wildfänge gibt es bei uns aber nicht. All unsere Schützlinge stammen aus Zuchten», sagt Joel Müller, der mit zwölf Jahren an der Eröffnung des Zoos dabei war. Seit 2010 arbeitet er selbst dort und weiss, wie streng die Tierschutzverordnungen sind.
Schlangen gelten dem ehemaligen Zimmermann als «sehr ästhetische Tiere», und es wäre schön, sagt er, wenn die jährlich 20’000 Besucherinnen und Besucher zu ähnlicher Erkenntnis fänden. Mir verschafft er diese im Nu, als er mir eine Kornnatter auf den Arm legt. Der senffarbene Kriecher fühlt sich kühl an, aber keineswegs sonderbar. An Ophidiophobie, der Angst vor Schlangen, werde ich garantiert nie erkranken. Vorurteile abbauen, Akzeptanz wecken für die oft verteufelten Kreaturen – das ist das Hauptziel der Zoobetreiber.
Die verkannte Spezies
Viele kennen Schlangen aus Albträumen oder als Symbole für Heimtücke, «und dem soll unsere Ausstellung entgegenwirken», sagt Hilde Villars. Mich braucht sie nicht zu überzeugen. Ich bin enorm angetan von den nahezu unbeweglich harrenden Lauerjägern mit Hautmustern, die sich die wenigsten Textildesigner ausdenken könnten. Und die häufig Namen tragen, die so speziell sind wie die Tiere selbst – Abgottschlange oder Weisslippen-Bambusotter zum Beispiel.
In der Menagerie vertreten sind auch bekanntere Arten wie der Tigerpython, die Grüne Mamba, Speikobras und diverse Klapperschlangen. Eine solche scheint mich wahrzunehmen und beginnt zu züngeln, als ich nahe an der Scheibe stehe und quasi Auge in Auge bin mit ihr. Ich wüsste zu gerne, was in ihrem geschuppten Kopf abgeht.
Was sie über die Tiere wissen, vermitteln die Zoobetreiber gerne Schülern, die mit ihren Lehrpersonen für Naturkunde vorbeikommen. Etwa, dass es weltweit über 3000 Schlangenarten gibt, von denen nur ein Fünftel giftig ist. Und dass die meisten bloss alle paar Wochen etwas zu fressen brauchen.
«Kinder sind enorm wissbegierig, wollen kaum mehr raus und am liebsten selber ein Reptil haben», sagt Hilde Villars in ihrem generell kinderfreundlichen Kleinparadies.
Manche Mädchen und Buben begnügen sich mit den meterlangen Stoffschlangen, die als Souvenirs verkauft werden. «Oder sie bringen ihre Eltern dazu, eine Patenschaft für ein Tier zu übernehmen.»
Das Interesse ist gross
Das Interesse für den Schlangenzoo ist beachtlich. «Pro Jahr melden sich bis zu 80 Gruppen für private Führungen an», sagt Joel Müller. Und gelegentlich gibt es eine Etage tiefer «sehr seriöse» Anlässe, bei denen man Schlangen tauschen, kaufen und verkaufen kann. «Wegen Corona mussten wir diese leider lange aussetzen.»
Jetzt habe ich Hunger. Normalerweise würden mir die Snacks in der Cafeteria des Hauses reichen, aber mein Appetit ist der einer Riesenschlange. Im nahen chinesischen Restaurant Royal-Garden ordere ich das dezent scharfe Rindfleischgericht Kong Pao als Take-away. Köstlich. Alles andere als ein Schlangenfrass.
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