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Champions-League-Spiel gegen YB
Für die ukrainischen Profi­sportler von Schachtar Donezk geht es um weit mehr als Fussball

epa11638177 Shakhtar players line up before the UEFA Champions League match between Shakhtar Donetsk and Atalanta in Gelsenkirchen, Germany, 02 October 2024.  EPA/CHRISTOPHER NEUNDORF
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In Kürze:
  • Schachtar Donezk spielt in der Champions League gegen die Young Boys in Gelsenkirchen.
  • Das Stadion war einst von Gazprom gesponsert, heute kommt Unterstützung aus Deutschland.
  • In der Ukraine finden Fussballspiele oft ohne Zuschauer statt, aufgrund der Kriegsgefahr.
  • Spieler können aus der Ukraine ausreisen, was bei einigen Ukrainern für Unmut sorgt.

Violett ist die Heimat der ukrainischen Fussballspieler von Donezk, violett meint in diesem Fall: russisch kontrolliert, zu sehen auf der ukrainischen Open-Source-Kriegskarte Deep State. Wo einst der Erstligist Schachtar Donezk trainierte, in die Donbass-Arena einzog, Siege feierte, herrscht heute der Besatzer. Dort nutzt die russische Armee Stellungen, um tiefer in die Ukraine einzumarschieren, dort soll nach dem Willen Wladimir Putins die gesamte Region vollständig «russifiziert» werden.

Für die Orange-Schwarzen geht das Spiel dennoch weiter – in anderen Teilen der Ukraine, vor allem aber im Ausland. Am Mittwoch laufen sie in der Champions League gegen die Young Boys aus Bern im deutschen Gelsenkirchen auf, Anfang Oktober spielten sie bereits am selben Ort. Gelsenkirchen, die Heimat des Vereins Schalke 04, ist eines ihrer sportlichen Exile geworden. Bei Schachtar sind sie geübt darin, auf Wanderschaft zu gehen.

Gazprom sponsorte lange den Austragungsort

Auch die Politik schwingt mit in diesen Matchs, denn ein Zeichen wollen sie setzen, dass es trotz Krieg weitergeht im ukrainischen Profisport. Der recht spezielle Austragungsort stärkt diese Haltung: Lange sponsorte der russische Energiekonzern Gazprom das Stadion, bis man ihm infolge der Vollinvasion die Kooperation kündigte (heute ist der Sponsor eine deutsche Biermarke). Dazu sagte jüngst Schachtar-Geschäftsführer Sergei Palkin der «Süddeutschen Zeitung»: «Und nun spielen wir, ein ukrainisches Team, an einem Ort, an dem Russland einst einflussreich war. Das ist symbolisch wertvoll.»

epa10134453 Players of Shakhtar Donetsk draped in Ukrainian flags stand before the opening soccer match of the new season of Ukrainian Premier League between Shakhtar Donetsk and Metalist 1925 Kharkiv at the empty Olimpiyskiy stadium, in Kyiv, Ukraine, 23 August 2022. Ukrainian football Premier League began its new season on 23 August with out fans amid fears of bombs annd missiles alerts, a day before six months of the Russian invasion are marked. Russian troops on 24 February 2022 entered Ukrainian territory, starting a conflict that provoked destruction and a humanitarian crisis.  EPA/ROMAN PILIPEY

In der Ukraine selbst ist der Profifussball für viele seit der Vollinvasion weitgehend unbedeutend geworden. Veranstaltungen mit grosser Zuschauerzahl sind weiter zu gefährlich und deshalb verboten. Turnierspiele finden statt, aber vor nahezu leeren Rängen – mit höchstens mal 1000, mal 1500 Zuschauenden. Das Interesse hat deutlich nachgelassen, bei gleichzeitig erschwerten Bedingungen. Es kommt vor, dass ein Match wegen Luftalarms abgebrochen werden muss, teils halten Vereine ihre Aufenthaltsorte geheim. Auch darum bieten die Matchs im friedlichen Ausland mit mehr Fans ein Stück Normalität. Der Weg dorthin ist allerdings beschwerlich.

Anfang Woche machten sich die Spieler nach Deutschland auf. Da der Luftraum über der Ukraine kriegsbedingt gesperrt ist, stiegen sie nicht in der Ukraine in einen Flieger und nahe dem Austragungsort wieder aus. Ein Bus bringt die Mannschaft für gewöhnlich vom Trainingsort – oft Kiew, diesmal war es Lwiw – über die Grenze nach Polen. Dort startet ein Charterflugzeug, am Montag ging es zum Düsseldorfer Flughafen. Am Abend dann erreichten die Schachtar-Spieler Gelsenkirchen. In kurzer Zeit kräfteschonend anreisen – das ist lange her.

Das Heimstadion von Schachtar Donezk wurde im Krieg beschädigt

Schon 2014, mit Beginn des Kriegs in der Ukraine, vertrieben die Russen den Verein. Zwischenzeitlich wurde das Stadion für Hilfsaktivitäten genutzt, beschossen, beschädigt, heute steht es ungenutzt. Damals begann die Wanderschaft von Schachtar. Doch dass heute ukrainische Spieler, unter ihnen Schachtar-Innenverteidiger Mykola Matwijenko und Torhüter Dmytro Riznyk – beide gehören auch der Nationalmannschaft an –, überhaupt das Land verlassen können, stösst bei manchen Landsleuten auf Unmut. Es gilt ein Ausreiseverbot für Männer im wehrfähigen Alter, sie müssen sich für eine mögliche Mobilmachung bereithalten. Der ukrainischen Armee fehlt es massiv an Personal, auch deswegen droht die Front im Donbass zu brechen. Spieler wie die von Schachtar reisen also privilegiert.

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Dass die Spieler beäugt werden, ist auch dem Verein klar. Dort sammelt man aufwendig Geldspenden für die ukrainische Armee. Aber nicht immer ist die Wortwahl im Diskurs geschickt gewählt. Als es aus einem Kiewer Fussballclub mal zur Rechtfertigung hiess, Profifussballer seien eben für die ukrainische Wirtschaft von grosser Bedeutung, kam die Reaktion prompt: «Produzieren die Spieler den Strom?», wurde in sozialen Medien kritisiert, wie die deutsche TAZ berichtet hat. Angesichts des Winteranfangs ist das ein neuerliches Reizthema.

Zugleich zieht die Kriegsangst auch an den ukrainischen Fussballprofis nicht vorbei. Manche tauchten nach Beginn der Vollinvasion im Ausland unter. Andere erklären selbstkritisch in Interviews ihren Respekt vor den Frontsoldaten. Oleksandr Sintschenko, derzeit Verteidiger beim FC Arsenal, sagte der BBC kürzlich auf die Frage, was er im Falle einer Mobilmachung tun würde: «Da gibt es eine klare Antwort. Ich würde kämpfen.»

Doch vielen bleibt das Argument, dass es auch in Kriegszeiten sportlichen Wettbewerb brauche, Unterhaltung, auch um den Zusammenhalt zu stärken – zuletzt gut zu beobachten bei der Fussball-EM. Aus Bunkern und Stellungen an der Front verfolgten Soldatinnen und Soldaten die Spiele der ukrainischen Nationalmannschaft. Die Ablenkung vom Grauen des Kriegs ist von der Regierung durchaus so gewünscht. Lange freuen konnten sich die Fans jedoch nicht. Die Ukraine schied in der Vorrunde aus. In Gelsenkirchen hingegen ist Donezk Favorit.