Massnahmen zum EnergiesparenMinus 2 Grad: SBB drehen die Heizung runter
Der ÖV setzt eine neue Stromsparmassnahme um. Wie fest in Bahn, Bus oder Tram die Temperaturen sinken, hängt von der Länge der Strecke ab.
In Werkstätten weniger Warmwasser verbrauchen oder kühlere Büros: Von den bisherigen Energiesparaktionen der SBB hat die Kundschaft nicht viel mitbekommen. Das ändert sich ab Ende Monat: Dann dreht die grösste Stromverbraucherin der Schweiz, wo immer es möglich ist, in den Zügen die Heizung runter. Grundsätzlich werde bei den SBB die Temperatur von 22 auf 20 Grad gesenkt, sagt eine Sprecherin auf Anfrage. Und zwar in allen Zügen, in denen eine Kundenbegleiterin oder ein Kundenbegleiter die Einstellung vornehmen kann. «Wobei die genaue Innentemperatur natürlich mit der Anzahl Reisenden variiert.»
Die SBB halten sich damit an Richtlinien, die eine Arbeitsgruppe des Branchenverbands VöV in einem Grundlagenpapier festgehalten hat: Eine «hohe Akzeptanz» macht diese für einen kühleren City- oder Nahverkehr aus. Wenn Busse und Trams mit ihren vielen Türen oft stoppen und die Fahrgäste darum ohnehin Jacke und Schal anbehalten, könnte die Temperatur statt 18 oder 19 Grad auch nur 16 Grad betragen, steht im Papier. Im S-Bahn- oder Regionalverkehr mit mittlerer Verweildauer liegt laut dem Dokument stattdessen nur eine Reduktion von bisher 21 oder 22 Grad auf neu 19 oder 20 Grad drin.
Am heikelsten im Fernverkehr
Nur mittel bis gering dürfte hingegen die Akzeptanz für um 2 Grad tiefere Fahrgasträume im Fernverkehr (von 21/22 Grad auf 19/20 Grad) sein, vermutet die Arbeitsgruppe. «Dort sind es die Kundinnen und Kunden gewohnt, die Jacken ablegen zu können.» Tiefere Temperaturen im Intercity dürften deshalb nur eine «ausserordentliche und temporäre Massnahme» sein.
Kälter wird es ab November nicht nur bei der Bahn, sondern auch in Bussen, Trams, Bergbahnen oder Schiffen: Die Empfehlung, den Fahrgastraum weniger zu heizen, geht von den Systemführerinnen SBB und Postauto AG an alle Transportbetriebe im Land. Die genaue Umsetzung ist aber überall Sache der einzelnen Unternehmen und hängt von Technik- und Sicherheitsfragen ab: So sei der Schutz vor vereisten Türen und das Verhindern von beschlagenen Scheiben «direkt sicherheitsrelevant», heisst es beim Verband öffentlicher Verkehr.
Zudem fürchtet sich die ÖV-Branche vor der Wut ihrer Fahrgäste, wie es im internen Papier heisst. «Kundenreaktionen wegen Zugluft und Kälteempfinden der Reisenden sind in der kalten Jahreszeit, je nach Fahrzeugtyp, schon unter normalen Bedingungen häufig.» Weil eine tiefere Raumtemperatur das grösste Potenzial zum Energiesparen bietet, haben sich SBB und Co. dennoch für die Massnahme entschieden. Denn in einem kalten Winter frisst die Heizung bis zu 30 Prozent der Gesamtenergie.
Langsamer durch Gotthardtunnel
Allein die SBB hoffen so, bis Februar 5000 bis 8000 Megawattstunden Strom einzusparen. (Lesen Sie zum Thema auch: So viel Strom und Gas verbraucht die Schweiz jeden Tag). Zudem fährt die Bahn in ihren 30 grössten Bahnhöfen die Fassaden- und Festbeleuchtung herunter. Das normale Licht in den Bahnhöfen bleibe aber an – aus Sicherheitsgründen. Den Strombedarf von 500 Haushalten wollen die SBB einsparen, indem sie Züge langsamer durch den Gotthard-Basistunnel fahren lassen. Damit setzen sie eine Idee des Lokführerverbands um.
Mit den freiwilligen Stromsparaktionen will die ÖV-Branche unbedingt verhindern, dass es zu einer echten Knappheit kommt und der Staat eingreifen muss. Denn die Folgen wären drastisch: Gibt es nur noch Stromkontingente, müsste die Bahn ihr Angebot stark reduzieren. Und kommt es im absoluten Notfall zu stundenweisen Netzabschaltungen, dann fahren gar keine Trams und Züge mehr. «Höchstens punktuell und lokal» lässt sich laut SBB ein Blackout auf der Schiene mit Ersatzbussen auf der Strasse kompensieren.
Trotzdem kommt es für SBB und Co. nicht infrage, den Fahrplan auf Vorrat auszudünnen: Kurse werden erst gestrichen, wenn das die Behörden befehlen. Auch erst auf politischen Druck stellt die Branche die News- und Werbedisplays ab, wie sie in vielen Bussen und Postautos hängen. Und zwar, weil sie sonst Ertragsausfälle und Schadenersatzforderungen befürchtet, wie im internen Papier zu lesen ist.
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