Gastbeitrag zum Energiesparen Die Bevölkerung akzeptiert es, sparsam sein zu müssen
Weniger konsumieren, um weniger Energie zu verbrauchen? Studien belegen, dass die Menschen bereit dazu sind. Das muss die Politik bei ihren Energiemassnahmen berücksichtigen.
Weshalb sprechen wir erst jetzt über das Energiesparen, obwohl wir wissen, dass eine klimaneutrale Gesellschaft nur mit einem tieferen absoluten Verbrauch möglich ist? Und weshalb reden wir immer noch nicht über ernst zu nehmende Strategien der Suffizienz? Oft wird argumentiert, dass ein geringeres Konsumniveau die Lebenszufriedenheit einschränkt. Klimapolitische Massnahmen würden dadurch unattraktiv. Nur: Beides stimmt nicht, wie Studien zeigen.
Eine Suffizienzstrategie beginnt bei der Frage nach der Lebenszufriedenheit. Wie viel Wohnraum, Autofahrten und Flugreisen brauchen wir, um ein gutes Leben zu führen? Studien zeigen klar, dass es uns auch mit einem weniger hohen Energieverbrauch gut ginge. So zeigt die Forschung etwa, dass Menschen mit einem hohen Treibhausgas-Fussabdruck nicht glücklicher sind als solche, die auf kleinem Fuss leben. Die Schweizer Wohnbevölkerung würde gemäss einer Studie der Stadt Zürich im Durchschnitt auch 19,5 Grad Wohntemperatur, circa 38 Quadratmeter Wohnfläche pro Kopf und etwa dreimal Fleisch pro Woche als ausreichend einschätzen. Die Werte liegen deutlich unter dem heutigen Konsum.
Politikansätze, die Suffizienz stärken, sind besser akzeptiert, als ihr Ruf suggeriert. Eine Bevölkerungsbefragung der ZHAW zeigte, dass staatliche Massnahmen zur Bekämpfung des Klimawandels von der Bevölkerung grundsätzlich begrüsst werden. Auch Massnahmen wie die Einschränkung der Zersiedelung oder Werbung, vermehrte autofreie Tage sowie ein korrektes Abbilden der Umweltkosten im Fleischpreis werden von der Bevölkerung mehrheitlich akzeptiert.
Suffizienz muss gerecht sein
Suffizienzstrategien müssen als gerecht empfunden werden, um akzeptiert zu werden. Diejenigen, welche die Knappheit mit exzessivem Verbrauch besonders verschärfen, sollten gemäss Studienbefunden im Fokus stehen. Dabei geht es nicht nur um den absoluten Energieverbrauch, sondern auch darum, wie viel eine Person verdient und ob Energie für Notwendigkeiten oder für Annehmlichkeiten im Luxusbereich verwendet wird. Auch Kompensationen für Niedrigverdienende sind wichtig.
Die Politik muss zudem durch Anreize und Infrastrukturen sowie Ge- und Verbote ein Umfeld schaffen, in dem ein suffizienter Lebensstil einfacher und ein ressourcenintensiver Lebensstil erschwert wird. So nimmt die Politik Unternehmen in die Pflicht, Material- und Stoffdurchläufe zu verlangsamen und auf Langlebigkeit und wachstumsunabhängige Geschäftsmodelle zu setzen. Zudem sollten Arbeits-, Wohn- und Freizeitwelten entsprechend umgestaltet werden.
Energie zu sparen, ist deutlich einfacher umzusetzen, unmittelbarer wirksam und ökologischer als Notfallgaskraftwerke und der Ausbau der erneuerbaren Energieproduktion. Nehmen wir Suffizienz jetzt ernst – nicht als Notfall-, sondern als Vorsorgestrategie.
* Dr. Stephanie Moser ist Mitglied der Geschäftsleitung des Centre for Development and Environment (CDE) der Universität Bern sowie Co-Leiterin des Bereichs «Just Economies and Human Well-Being». Sie forscht zu nachhaltigen Konsum- und Lebensstilen sowie zur Frage, wie eine gesellschaftliche Transformation gefördert, gestaltet und wissenschaftlich begleitet werden kann.
Dr. Annette Jenny ist Dozentin am Institut für Umwelt und Natürliche Ressourcen der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW). Die Sozial- und Umweltpsychologin forscht und lehrt zu nachhaltigen Lebensstilen und Ansätzen der Suffizienzförderung.
Fehler gefunden?Jetzt melden.