Analyse zum verurteilten Krypto-MogulDer fatale Denkfehler von Sam Bankman-Fried
Seine letzte Wette vor Gericht ging nicht auf. Der gescheiterte Gründer der Kryptobörse FTX muss wegen Betrugs ins Gefängnis.
Einen ersten Fehler machte Sam Bankman-Fried schon vor dem Prozess. Er gab nach dem Kollaps seiner Kryptobörse FTX detaillierte und, wie sich zeigen sollte, unbedachte Interviews über seine Karriere und sein Leben. Er lud sogar Journalisten für mehrere Tage in sein Luxusanwesen auf den Bahamas ein und gewährte ihnen Einblicke in ein komplexes Imperium, das ihm über den Kopf gewachsen war.
Ob sorglos oder berechnend: Mit seiner Offenheit verschaffte er den Anklägern erdrückend viel Beweismaterial. Doch der zweite, grössere Fehler wurde ihm zum Verhängnis. Trotz warnender Stimmen trat er selbst in den Zeugenstand. Er wollte die Geschworenen persönlich überzeugen, dass er kein kalkulierender Betrüger, sondern ein überforderter, aber gutmütiger Unternehmer war.
Was seine Anwälte befürchteten, trat voll ein: Er verstrickte sich in zahlreiche Widersprüche und zerstörte das Image des Ahnungslosen.
Die Beweislage war erdrückend
Der monatelange Strafprozess gegen den Gründer von FTX vor einem Bundesgericht in New York kam am Donnerstagabend nicht ganz unerwartet zu einem raschen Ende. Die Beweislage war erdrückend.
Nach wenigen Stunden Beratung fällten die zwölf Geschworenen das Urteil: Bankman-Fried wurde in allen sieben Punkten des Betrugs und der Geldwäsche für schuldig befunden. Die Deliktsumme beläuft sich auf zehn Milliarden Dollar – das ist die Summe der Kundengelder, die er illegal für Krypto-Spekulationen, für Immobilien auf den Bahamas und für «Geschenke» an seine Eltern und Freunde abgezweigt hatte.
Dem 31-jährigen ehemaligen Krypto-Mogul droht theoretisch eine Haftstrafe von bis zu 115 Jahren. Realistischer aber ist ein Vergleich mit dem Fall von Elizabeth Holmes, Chefin des Medtech-Unternehmens Theranos, die 2022 wegen Betrugs zu einer Haft von elf Jahren verurteilt wurde. Wie Bankman-Fried hatte auch sie die riskante Strategie der Selbstverteidigung gewählt. Sieben Tage lang versuchte sie, die Schuld auf Mitarbeiter und ihren Geliebten zu schieben. Auch sie machte geltend, nicht in betrügerischer Absicht, sondern mit guten Intentionen gehandelt zu haben. Auch ihr glaubten die Geschworenen nicht. Das Strafmass gegen Bankman-Fried wird im März festgelegt.
Image des skurrilen Kerls zerstört
Die Anklage präsentierte einen vernichtenden Fall. Sie lud Zeugen nach Zeugen vor, die aussagten, dass Bankman-Fried persönlich die illegale Verwendung von Kundenkonten überwacht hatte. Die Anklage zeichnete das Bild eines berechnenden Betrügers, der letztlich sogar bereit war, sich ins Unheil zu stürzen. Selbst das Image eines skurrilen, aber anständigen Kerls, als das ihn seine Verteidiger darstellen, sei eine Täuschung, so die Staatsanwälte. Tatsächlich sei seine lässige Kleidung und sein wilder Haarwuchs Ausdruck eines gerissenen Schwindlers, was auch durch seine eigene Aussage belegt wird: «Es ist gut, wenn die Leute denken, ich sei verrückt», sagte Bankman-Fried gegenüber Bekannten.
Vor Gericht erschien er dann gezähmt; mit geschnittenem Haar und einem grauen, im Ausverkauf erstandenen Anzug. So sollte das Bild bestätigt werden, das die Verteidigung präsentierte. Er habe das Unternehmen nur schlecht gemanagt, so die Verteidigung, und zu viel Geld und Verantwortung an unfähige Personen delegiert. Aber so unverantwortlich sein Verhalten auch gewesen sei, kriminell sei es nie gewesen.
Bankman-Fried war vielleicht die einzige Person, die bis zuletzt nicht realisierte, was ihm drohte.
Finanzprozesse sind komplex zu führen, weil nur wenige Geschworene den Jargon und die Prinzipien der Finanzindustrie verstehen. Das gilt besonders für die undurchsichtige Kryptowelt und die ebenso undurchsichtigen Player. Bankman-Fried hatte mit FTX und der Tochtergesellschaft Alameda ein derart verwinkeltes Kartenhaus gebaut, das schliesslich weder er noch seine Angestellten kontrollieren konnten. Doch die Anklage stellte den Betrug nicht als Kryptodelikt dar, sondern als klassische Betrugspyramide. Dies erlaubte den Geschworenen offensichtlich einen raschen Durchblick und einen raschen Schuldspruch. Bankman-Fried war vielleicht die einzige Person, die bis zuletzt nicht realisierte, was ihm drohte.
Er zeigte wenig Emotionen, als ein Juror siebenmal das Wort «schuldig» wiederholte. Er nickte seinen Eltern kurz zu, bevor er sein Gesicht abwandte und abgeführt wurde.
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