Ukraine-KriegRussen greifen auf allen Seiten an
Die Invasoren weiten ihren Feldzug aus, um massive Gegenangriffe der Ukraine im Donbass und im Süden des Landes zu verhindern.
Russland setzt seine Angriffe auf die Ukraine unbeirrt fort. Ein Sprecher der ukrainischen Militäraufklärung sagte am Sonntag, dass die russischen Streitkräfte nicht nur aus der Luft attackierten, «sondern praktisch entlang der gesamten Frontlinie». Angriffe habe es auch vom Kaspischen Meer aus gegeben. Der russische Verteidigungsminister Sergei Schoigu hatte am Wochenende angekündigt, die Angriffe auf allen Seiten auszuweiten, um massive Angriffe der Ukraine auf Stellungen im Donbass zu verhindern.
Die ukrainische Atomenergiebehörde Energoatom warf Russland vor, die Atomanlage von Saporischschja zu missbrauchen, um dort Waffen, inklusive Raketensysteme, zu verstecken und die Regionen Nikopol sowie Dnipro anzugreifen. Die Lage dort sei «extrem angespannt».
Russische Angriffe auch auf Industriestadt Dnipro
Russland hatte einen Angriff auf die Industriestadt Dnipro bestätigt, dabei jedoch angegeben, militärische Fabrikhallen getroffen zu haben. Die ukrainische Seite sagte, dass bei den Angriffen 3 Menschen gestorben und mindestens 15 weitere verletzt worden seien. Unabhängig bestätigen liessen sich die Angaben zunächst nicht. Nach der Einnahme der ostukrainischen Region Luhansk will Russland nun auch das Gebiet von Donezk vollständig erobern. Die ukrainische Regierung erklärte am Wochenende jedoch, dass sie Artillerieangriffe auf Slowjansk erfolgreich abgewehrt habe.
Die ukrainische Führung erwartet, dass Russland seine Angriffe auch in den kommenden Tagen und Wochen verstärkt. Für Moskau scheinen militärische Erfolge derzeit allerdings schwerer zu werden, seitdem die Ukraine zuletzt immer mehr moderne Waffensysteme erhalten hat und sie offenbar auch erfolgreich einsetzt, allen voran das Mehrfachraketensystem Himars. Einen solchen von den USA gelieferten Raketenwerfer will nun Russland am Wochenende in einem Gebäude in der Nähe der südlichen ukrainischen Hafenstadt Odessa zerstört haben. Dies erklärte ein Sprecher des russischen Verteidigungsministeriums. (Lesen Sie zum Thema auch den Artikel «Jetzt hat die Ukraine ihre Superwaffe – reicht das zum grossen Gegenschlag?»)
Russland verstärkt seine defensiven Positionen im Süden der Ukraine. Es nimmt die Gefahr durch eine Gegenoffensive ernst.
Moskau nimmt nach Ansicht von britischen Geheimdienstexperten die Gefahr für seine Truppen in der Ukraine durch Gegenoffensiven der Verteidiger ernst. Russland verstärke seine defensiven Positionen im Süden der Ukraine, hiess es im täglichen Geheimdienst-Update des britischen Verteidigungsministeriums am Sonntag. «Das beinhaltet die Bewegung von Personal, Material und defensiven Vorräten zwischen Mariupol und Saporischschja sowie in Cherson.»
Die russischen Truppen verstärkten zudem auch ihre Sicherheitsmassnahmen in der besetzten südukrainischen Stadt Melitopol, hiess es in der Mitteilung auf Twitter. Die russischen Defensivmassnahmen seien unter anderem wahrscheinlich eine Reaktion auf die Angriffe der Ukrainer auf Kommandoposten, logistische Knotenpunkte und Truppenkonzentrationen. Kiew übe zudem seit mehr als einem Monat Druck auf die von Russland besetzten Gebiete in der Region Cherson aus und habe zu verstehen gegeben, dass weitere Offensivmassnahmen geplant seien.
Angesichts des Personalmangels, unter dem die russischen Truppen zu leiden hätten, zeige eine Truppenverstärkung im Süden bei gleichzeitigem Kampf um den Donbass im Osten, wie ernst die Russen die Gefahr durch eine Gegenoffensive nähmen, lautet das Fazit der britischen Experten. Seit Beginn des russischen Angriffskriegs Ende Februar veröffentlicht die britische Regierung regelmässig Geheimdienstinformationen zum Verlauf. Moskau wirft London eine gezielte Desinformationskampagne vor.
Prorussische Behörde führt ukrainisches Getreide aus
Die prorussische Verwaltung einer Region im Südosten der Ukraine führt unterdessen nach eigenen Angaben in grossem Umfang Getreide aus. «Mehr als 100 Waggons wurden bereits abgeschickt, ein weiterer Vertrag über 150’000 Tonnen wurde mit einem Getreidehändler abgeschlossen», teilte der Chef der russischen Militärverwaltung von Saporischschja, Jewgeni Balizki, am Samstag auf seinem Telegram-Kanal mit. Die Ukraine wirft Russland bereits seit Monaten Getreidediebstahl vor.
Balizki machte keine Angaben dazu, wohin das Getreide gebracht werden soll. Per Bahn kann das Getreide aber nur nach Russland oder auf die von Russland seit 2014 annektierte Halbinsel Krim gebracht werden. In einem vor Ort typischen Eisenbahnwaggon können ukrainischen Angaben zufolge rund 70 Tonnen Getreide transportiert werden. Laut Balizki ist neben dem Eisenbahntransport aber auch die Verschiffung über den Seeweg geplant. «Etwa 100’000 Tonnen werden über den Seehafen Berdjansk exportiert», kündigte er an.
Die Ukraine war vor dem Krieg einer der grössten Getreideexporteure der Welt. Nach Angaben aus Kiew stecken durch den russischen Angriff und die Seeblockade im Schwarzen Meer mehr als 20 Millionen Tonnen ukrainisches Getreide fest. Erst allmählich gelingt es der Ukraine, alternative Exportrouten zu etablieren. Weltweit haben sich durch die Unsicherheiten infolge des Kriegs viele Lebensmittel verteuert. Parallel dazu raubt Russland ukrainischen Angaben zufolge in den besetzten Gebieten Getreidevorräte. Moskau bestreitet dies.
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