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US-Raketenwerfer Himars
Jetzt hat die Ukraine ihre Superwaffe – reicht das zum grossen Gegenschlag?

Auf ihm ruhen die Hoffnungen der Ukrainer: US-Raketenwerfer Himars in Aktion bei einer Militärübung in Marokko im Jahr 2022. 
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Die 106. Luftlandedivision aus Tula südlich von Moskau ist eine der Elite-Einheiten der russischen Armee – und spielt im Krieg gegen die Ukraine eine grosse Rolle. Doch ihre Kommandanten leben gefährlich: Seit die ukrainische Armee im Juni die ersten mobilen Himars-M142-Raketensysteme aus US-Produktion und britische M270-Raketenwerfer bekam, zerstört sie zunehmend erfolgreich Dutzende russische Munitionsdepots, Kommandostellungen und Sammelplätze.

So soll etwa die 106. Luftlandedivision bei ukrainischen Treffern am 20. Juni und 8. Juli alle stellvertretenden Kommandanten verloren haben. Allein in der vergangenen Woche hätten die Ukrainer «über zehn grosse Munitionslager, mehrere Öldepots, rund zehn Kommandozentren und die gleiche Zahl von Truppensammelplätzen getroffen», schimpfte der 2014 vom Kreml in der Ostukraine eingesetzte ehemalige russische Geheimdienstoffizier Igor Girkin (Pseudonym: Strelkow) auf seinem Telegram-Kanal am 10. Juli. Russland habe «grosse Verluste an Männern und Ausrüstung» erlitten, die russische Flugabwehr sei «ineffektiv gegenüber massiven Angriffen mit Himars-Raketen».

Auch Russland verstärkt sich

Zweifellos wirken sich die westlichen Raketenwerfer im Krieg positiv für die Ukrainer aus. Doch auch Russland verstärkte in den vergangenen Tagen seine Angriffe mit Granaten, Raketen und Marschflugkörpern: nicht nur auf Dutzende Dörfer und Städte in der Region Donezk, die Moskau ganz erobern will, sondern auch in der Region Charkiw, in Mikolajiw oder der Region Odessa. Allein Mikolajiw im Süden der Ukraine wurde am Dienstagmorgen von mindestens 19 russischen Raketen getroffen, so Militärgouverneur Witali Kim. Es gebe viele Zerstörungen und «viele Leidtragende». In der Stadt Tschassiw Jar in der Region Donezk, wo ein fünfstöckiges Wohnhaus am Samstag getroffen wurde, haben die Bergungsmannschaften mittlerweile 35 tote Zivilisten geborgen.

Der Krieg ist von seinem Ende Monate, womöglich Jahre entfernt. In der Region Donezk schiessen die Russen die zur Eroberung vorgesehenen Dörfer und Städte wie Bachmut und Druschkiwka, Kramatorsk und Slowjansk langsam, aber sicher sturmreif.

Die Ukrainer ihrerseits wollen die Region Cherson zurückerobern. Die westlich von der Halbinsel Krim gelegene Region am Schwarzen Meer ist seit Beginn des Krieges überwiegend von den Russen besetzt – und strategisch entscheidend, um gegebenenfalls Odessa anzugreifen und die Blockade der Häfen aufrechtzuerhalten, womit Moskau den Ukrainern wirtschaftlich die Luft abschnürt.

«Cherson, halt aus – wir kommen!», kündigte etwa der Generalstab am 29. Mai an.

Am Wochenende kündigten die Ukrainer eine Grossoffensive zur Befreiung Chersons an, Vize-Ministerpräsidentin Irina Wereschtschuk forderte in der Region verbliebene Ukrainer auf zu fliehen. Die Überzeugungskraft der Vize-Ministerpräsidentin litt freilich darunter, dass sowohl der ukrainische Generalstab wie Wereschtschuk selbst schon wiederholt derlei Ankündigungen machten.

«Cherson, halt aus – wir kommen!», kündigte etwa der Generalstab am 29. Mai an. «Bitte geht», forderte Wereschtschuk dann am 20. Juni, «denn unsere Armee wird diese Länder definitiv de-okkupieren ... Die De-Okkupierung wird sehr schnell sein. Es wird definitiv eine Gegenoffensive geben.» Tatsächlich aber kommen die Ukrainer militärisch nur im Schneckentempo voran und haben in den vergangenen Wochen zwar einige Dörfer eingenommen, sind aber von der Rückeroberung der Stadt Cherson und der dahinterliegenden Gebiete in Richtung Krim weit entfernt. Am Dienstag führte der ukrainische Generalstab gleich 17 Dörfer auf, bei denen die russische Artillerie einen weiteren Vormarsch der Ukrainer verhindere.

Verteidigungsminister Olexi Resnikow sagte der englischen «Sunday Times» am Wochenende, Präsident Wolodimir Selenski habe die militärische Rückeroberung nicht nur der Region Cherson, sondern des – bis nach Mariupol führenden – Küstenstreifens generell befohlen. Der Ukraine stehe dafür eine Streitmacht von 700’000 Soldaten und noch einmal 300’000 Nationalgardisten, Grenztruppen und Polizisten zur Verfügung.

Doch diese Zahlen sind auf absehbare Zeit ebenso reines Wunschdenken wie die grosse Offensive zur Rückeroberung der ukrainischen Küstengebiete. Dem Londoner Institut für strategische Studien (IISS) zufolge, Herausgeber des Referenzwerkes «Military Balance» über die Armeen dieser Welt, gingen die Ukrainer anfangs mit gut 125'000 einsatzbereiten Soldaten und noch einmal 100'000 paramilitärischen Nationalgardisten und Grenztruppen in den Krieg gegen Russland.

Seitdem haben die Ukrainer Zehntausende Soldaten durch Tod oder Verwundung verloren, mehr als 7000 sind in russischer Gefangenschaft. Englands Verteidigungsminister Ben Wallace bekräftigte nach der Rücktrittsankündigung von Premier Boris Johnson, England werde 10’000 ukrainische Soldaten ausbilden. Das aber dauert fast vier Monate; gegenwärtig würden erst die ersten 600 Ukrainer in England ausgebildet, berichtete der englische Guardian.