Ihr Browser ist veraltet. Bitte aktualisieren Sie Ihren Browser auf die neueste Version, oder wechseln Sie auf einen anderen Browser wie ChromeSafariFirefox oder Edge um Sicherheitslücken zu vermeiden und eine bestmögliche Performance zu gewährleisten.

Zum Hauptinhalt springen

Schweizer Firma vor Gericht
Amerikanerin will 5 Millionen, weil sie sich von Ricola getäuscht fühlt 

Jetzt abonnieren und von der Vorlesefunktion profitieren.
BotTalk

Der Schweizer Kräuterbonbon-Hersteller Ricola ist in den USA ins Visier einer Sammelklage geraten. Der Vorwurf: Das Traditionsunternehmen spiegele falsche Tatsachen vor.

Denn die Packungen seien prominent mit der Aufschrift «Made with Swiss Alpine Herbs» versehen und weckten die Erwartung, die abgebildeten Kräuter seien für die heilende Wirkung der Bonbons verantwortlich. Tatsächlich aber sei Menthol die einzige aktive Substanz zur Linderung von Halsschmerzen.

Die Klägerin, eine Frau aus Illinois, sieht darin eine absichtliche Täuschung der Konsumenten mit der Absicht, einen im Vergleich zu amerikanischen Produkten höheren Preis für die Bonbons verlangen zu können. Ricola wollte mit Verweis auf das laufenden Verfahren keine Stellung nehmen und erklärte nur, «jederzeit sämtliche Vorschriften korrekt eingehalten zu haben».

Irreführende Angaben im Visier

Damit stellt sich die Frage, wie naiv amerikanische Konsumentinnen und Konsumenten sind oder sein wollen. Tatsache ist, dass Sammelklagen wegen angeblich irreführender Wirkungen von Lebens- und Genussmitteln in den letzten Jahren stark zugenommen haben und die Gerichte nach Auskunft unabhängiger Juristen zunehmend Mühe haben, die Motive der Kläger ernst zu nehmen. 

Im Fall von Ricola werden in der Klageschrift die Halsbonbon-Packungen des Schweizer Unternehmens jenen von US-Herstellern gegenübergestellt. Dabei zeigt sich, dass die amerikanischen Produkte Menthol als Wirksubstanz auf der Packung hervorheben, während Ricola die Schweizer Alpenkräuter abbildet und Menthol nur auf der Rückseite als aktive Substanz deklariert. Die Alpenkräuter würden in der Produktinformation explizit als nicht aktive Substanzen aufgelistet. Der Mentholgehalt sei bei allen Herstellern der gleiche.

«Die Gerichte verlieren langsam die Geduld mit Fällen, die davon ausgehen, die Konsumenten seien Idioten.»

Anwaltskanzlei Perkins Cole

Die Klägerin macht geltend, sie hätte billigere US-Bonbons gekauft, wenn sie um die fehlende Wirkung der Schweizer Kräuter gewusst hätte. Sie fordert einen Schadenersatz von fünf Millionen Dollar, eine Summe, die in derartigen Klagen oft genannt wird, um den Fall auf tieferer Ebene zu halten und ein höher gestelltes Bundesgericht zu vermeiden.

«Die Gerichte verlieren langsam die Geduld mit Fällen, die davon ausgehen, die Konsumenten seien Idioten», schreibt die Anwaltskanzlei Perkins Cole. Besonders beliebt sind gemäss Perkins Cole Klagen wegen Gesundheitsversprechen – wie im Fall Ricola.

Bild von Ricolas Logistikzentrum in Mulhouse-Brunstatt in Frankreich. 

So machten Kläger in einem Fall geltend, getrocknete Heidelbeeren in Frühstücksflocken müssten gegen Krebserkrankungen vorbeugen. In einem anderen Fall wurde die Bezeichnung Soja-Milch als betrügerisch gebrandmarkt, weil die Milch nicht von der Kuh kommt. Beide Klagen scheiterten.

Zahl der Klagen verdoppelt

Die Erfolgsquote ist gering, da Gerichte müde werden, Klagen von sich naiv stellenden Konsumenten zu behandeln. Sie wenden mehr und mehr das Konzept des «vernünftigen Konsumenten» an und schiessen offensichtliche Versuche von Anwälten ab, schnelles Geld zu machen.

2021 war mit 325 Klagen ein Rekordjahr, nach 221 Klagen im Jahr zuvor und 179 zwei Jahre früher. Noch 2008 wurden erst 19 Klagen wegen angeblich irreführender Produktversprechen deponiert.

Ricola war bereits 2015 und 2019 vor Gericht gezerrt worden, damals unter dem Vorwurf, der Begriff «naturally soothing» sei irreführend, weil die Bonbons nicht nur natürliche Inhaltsstoffe, sondern unter anderem synthetische Zitronensäure enthielten. Beide Fälle versandeten; ob Ricola jeweils einen Vergleich anbot, ist nicht bekannt.

Das US-Recht regelt Begriffe wie «natürlich» und «gesund» nicht klar, was zur Flut von Sammelklagen beigetragen habe, vermutet der Nahrungsmittel-Experte Roger Clemens, der beklagte Firmen vertritt. «Natürlich ist nicht das Gleiche wie sicher; und natürlich ist nicht das Gleiche wie gesund», sagte Clemens im Zusammenhang mit dem Ricola-Fall von 2019.

Gratisdosen für die Kläger, Millionen für Anwälte

Die Ricola-Bonbons seien seit Jahrzehnten ein hoch angesehenes Produkt. «Meiner Meinung nach geht es um den Griff in tiefe Taschen», um das Herausschinden eines Vergleichs, von dem üblicherweise ein Drittel in den Tasche der Anwälte landet.  

Selbst wenn Konsumenten einmal recht bekommen, schaut meist wenig für sie heraus. So willigte Red Bull 2013 in einen Vergleich von 13 Millionen Dollar ein, weil sich Kläger über die angeblich zu lahme Wirkung des Energydrinks beklagten. Zum Schluss blieben ihnen zwei Gratisdosen Red Bull oder 4.23 Dollar in Cash. Die Anwälte kassierten dafür 3,4 Millionen Dollar.

Die USA sind ein Wachstumsmarkt für Ricola. Aktuelle Zahlen will das Unternehmen nicht nennen. In der Schweiz zählt das Unternehmen zu den bekanntesten Marken. 

Der letzte publizierte Umsatz von 2018 betrug 339,2 Millionen Franken. Das Unternehmen habe sich in den vergangenen Jahren sehr positiv entwickelt, hält Ricola fest. Trotz der Corona-bedingten Einschränkungen seien 2020 und 2021 «zufriedenstellende Ergebnisse» erzielt worden. Das Familienunternehmen wurde 1930 gegründet, beschäftigt rund 500 Angestellte und bezieht Alpenkräuter von rund hundert Bio-Bergbauern.