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Reaktionen auf Schweizer Veto
Rheinmetall baut Mu­ni­ti­ons­her­stel­lung in Deutschland aus

Ein Kampfpanzer Panther KF51 des Rüstungskonzerns Rheinmetall steht bei einer Führung durch das Rheinmetall-Werk Unterlüss. (Archivbild)
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Rheinmetall baut in Deutschland eine umfangreiche neue Munitionsfertigung mit dem Ziel einer unabhängigen Versorgung der deutschen Bundeswehr auf. Die Anlagen für sogenannte Mittelkalibermunition sollten im Januar fertig sein, bestätigte das Rüstungsunternehmen auf Anfrage. Zuvor hatte es in Berlin politische Verärgerung über das Schweizer Veto gegen Munitionslieferungen aus Deutschland an die Ukraine gegeben. Der Export von Alt-Beständen des für die Flugabwehrkanonenpanzer Gepard benötigten Waffenmaterials hätte der Zustimmung der Schweizer Regierung bedurft, die aber mit Hinweis auf die eigene Neutralität ablehnte.

Könnte es bei der Munitionsherstellung in der Schweiz zu einem Stellenabbau kommen? Bei der Gewerkschaft Unia weiss man nichts von solchen Plänen, wie Serge Gnos auf Anfrage erklärt. Ein Sprecher von Rheinmetall betont, dass die neue  Fertigungslinie in Deutschland «unabhängig von den Planungen für bestehende Standorte in anderen Ländern erfolgt». Darüber hinaus will man am Hauptsitz in Düsseldorf keine weiteren Aussagen zur Standort- oder Personalplanung machen. 

Rheinmetall verweist auf den erheblichen Nachholbedarf bei Munition in Deutschland und Lücken, die durch die Unterstützung der Ukraine entstanden sind. Sie seien gemäss den Vorgaben der Nato zu füllen. Im Mittelpunkt der neuen Bedarfslage stehe das Bestreben, «die Munitionsversorgung in Deutschland wieder prinzipiell unabhängig von ausländischen Fertigungsstätten aufzustellen», so der Sprecher des Rüstungsunternehmens. Man habe sich dazu entschlossen, in Deutschland eine neue Fertigungsanlage für die Kaliber 20-35 Millimeter zu bauen. Die Produktion soll im Juni 2023 aufgenommen werden.

Zudem sei Rheinmetall dann bereits im Juli in der Lage, eine erste Charge von Gepard-Munition auszuliefern, sagte der Sprecher. Dem Vernehmen nach handelt es sich dabei um bis zu 300’000 Schuss für die Ukraine, wenn die deutsche Regierung nun einen entsprechenden Auftrag erteilt. Deutschland hat den Gepard der Ukraine überlassen, konnte aber zunächst nur wenig Munition dazugeben. Die in der deutschen Bundeswehr ausgemusterten und der Ukraine überlassenen Gepard-Panzer sind mit einer 35mm-Zwillingskanone der früheren Rüstungsfabrik Oerlikon ausgestattet. Der Schweizer Hersteller von Waffen und Munition gehört heute zu Rheinmetall. 

 «Ich bin sehr erleichtert darüber, dass die Industrie so schnell reagiert hat. In Zukunft wird verstärkt Munition, die wir dringend benötigen, in Deutschland hergestellt», sagte die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses, Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP), am Donnerstag der Deutschen Presse-Agentur. «Angesichts der sicherheitspolitischen Lage ist es von immenser Bedeutung, dass Deutschland gemeinsam mit den Nato-Partnern bei der Herstellung von Munition unabhängiger wird.»

«Was geschieht, wenn einer der Nato-Staaten angegriffen würde?»

Die Gepard-Panzer werden für den Schutz der Infrastruktur in der Ukraine gegen russische Luftangriffe genutzt. Sie schützen auch Hafenanlagen, die für den Transport von ukrainischem Getreide auf die Weltmärkte nötig sind. Dass die Schweizer Regierung mit Hinweis auf ihre Neutralität zweimal ein Veto gegen Lieferungen von Munition aus Deutschland an die Ukraine eingelegt hat, war in Deutschland zähneknirschend akzeptiert worden.

Auch die deutsche Bundeswehr bezieht bislang im Mittelkaliber Munition aus der Schweiz für ihr Flugabwehr-Waffensystem Mantis, für die Hauptbewaffnung des Schützenpanzers Puma, ein Marine-Geschütz sowie für die Kampfflugzeuge Tornado und Eurofighter. Es handelt sich um Munitionssorten im Kaliber von 20 Millimeter bis 35 Millimeter, die nun auf neuen Maschinen in Deutschland gefertigt werden.

Strack-Zimmermann hatte im November gefordert, in Deutschland müssten Konsequenzen aus der Schweizer Haltung gezogen werden. «Was geschieht eigentlich, wenn Deutschland oder einer der Nato-Staaten angegriffen würde und die in der Schweiz hergestellte Munition aufgrund dieser ‹Neutralität› nicht geliefert würde?», fragte sie.

Deutschland will in den kommenden Jahren insgesamt mehr als 20 Milliarden Euro für Munition ausgeben, darunter auch Raketen und Artilleriemunition. Rheinmetall sehe sich «in der Verantwortung, die Regierung in Berlin nach Kräften dabei zu unterstützen, die erforderliche Verteidigungsfähigkeit der deutschen Bundeswehr wiederherzustellen», sagte der Sprecher, der die Schweiz nicht ausdrücklich erwähnte. Der beschlossene Neuaufbau einer Fertigungslinie und die Ausweitung von Produktionskapazität für Munition in Deutschland erfolge unabhängig von den Planungen für bestehende Standorte in anderen Ländern. Wo genau die Fertigungsanlagen entstehen, ist noch nicht öffentlich bekannt.

Der Rheinmetall-Sprecher sagte weiter: «Wir sehen den beschriebenen Schritt aber ausdrücklich als Beitrag der Industrie, die aussen- und sicherheitspolitische Handlungsfähigkeit Deutschlands zu stärken und die Sicherheit Deutschlands innerhalb einer starken Nordatlantischen Allianz sowie einer geeinten Europäischen Union durch Schaffung geeigneter Kapazitäten zu erhöhen.»

Ebenfalls der Kapazitätsausweitung im Munitionsbereich dient eine Akquisition in Europa, die Rheinmetall vor kurzem bekanntgegeben hat. Mit der Übernahme der spanischen Expal Systems wird das Unternehmen seine Kapazitäten im Bereich der Artilleriemunition auf mehr als das Dreifache erhöhen und im Mittelkaliberbereich oder bei Mörsern verdoppeln. Die Übernahme soll – nach Abschluss der kartellrechtlichen Prüfungen – spätestens im Sommer 2023 abgeschlossen werden.

SDA/aru/ag/rf