Kommentar zu Schweizer MunitionDie Schweizer Rüstungspolitik ist verlogen
Die Schweiz verbietet Rüstungsexporte in Kriegsgebiete, will die eigene Rüstungsindustrie aber unbedingt am Leben halten. Das geht nicht auf.
Wenn es um die Rüstungsindustrie geht, gibt es in der Schweiz zwei Wahrheiten.
Die eine Wahrheit lautet: Unter gar keinen Umständen darf unser neutrales Land Waffen in Schurkenstaaten exportieren. Wo Krieg herrscht, da dürfen keine Schweizer Waffen hin. Das Parlament hat unlängst das letzte Schlupfloch gestopft, das dem Bundesrat Ausnahmebewilligungen erlaubt hätte. Deutschland darf der Ukraine deshalb keine Panzermunition schweizerischer Provenienz liefern.
Die andere Wahrheit lautet: Damit sich die Schweiz verteidigen kann, braucht sie eine eigenständige Rüstungsindustrie. Um diese am Leben zu erhalten, muss jedes Land, das der Schweiz Kampfjets, Panzer oder Drohnen verkaufen will, Hunderte von Millionen Franken in Gegengeschäfte investieren. Diese Bedingung verteuert zwar die schweizerischen Rüstungskäufe, soll aber sicherstellen, dass die eigene Industrie den Zugang zur Spitzentechnologie behält.
Überleben kann die Rüstungsindustrie jedoch nur, wenn sie auch exportieren kann: Das ist der wunde Punkt, an dem sich die beiden Wahrheiten ins Gehege kommen. Der Widerspruch besteht schon lang; nun macht ihn Putins Angriffskrieg gegen die Ukraine offenkundig.
Der Widerspruch besteht schon lang; nun macht ihn Putins Angriffskrieg gegen die Ukraine offenkundig.
Wenn Nato-Länder damit drohen, ihre Rüstungsaufträge anderweitig zu vergeben, so ist das nicht in erster Linie das Problem der Rüstungsindustrie. (Lesen Sie hier den Artikel dazu.) Solange die Verteidigungsbudgets überall steigen, kann sie sich über volle Auftragsbücher freuen. Ausserdem gehören viele ehemals rein schweizerische Rüstungsunternehmen inzwischen zu internationalen Konsortien, die anderswo produzieren können. Oder sie wurden ganz ins Ausland verkauft, wie die Thuner Munitionsfabrik Ammotec an den italienischen Waffenhersteller Beretta.
Wer hingegen ein Problem bekommt, ist der schweizerische Staat. Will er glaubwürdig bleiben, sollte sich die Politik Gedanken machen: nicht nur darüber, wie sie die Neutralität ausgestalten, sondern auch, welcher dieser beiden Wahrheiten sie künftig nachleben will.
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