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Gepard-Panzer in der Ukraine
«Schweiz als Problem»: Deutsche ärgern sich über Verweigerung der Munition

Der deutsche Kanzler Scholz posiert stolz vor einem Gepard-Panzer. Die zwei Flugabwehrkanonen könnten pro Minute 1100 Schuss abfeuern, doch die Ukraine hat kaum Munition für das Kriegsgerät erhalten.
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«Rüstungsgüter kauft man künftig besser nicht mehr in der Schweiz ein.» Das ist das Fazit des Kommentars «Die Schweiz als Problem» der «Frankfurter Allgemeinen Zeitung», nachdem der Bundesrat die Weitergabe von Munition für deutsche Gepard-Panzer an die Ukraine aufgrund der Neutralität verweigert hat. Dabei seien die Verteidigungskräfte in der Ukraine eigentlich «sehr zufrieden» mit den ausgemusterten Geräten der Bundeswehr. Die Panzer leisteten gute Dienste im Einsatz gegen iranische Drohnen.

Gerade in der aktuellen Phase mit verstärkten Drohnenangriffen und Luftkampf «wäre es besonders bitter für die Ukraine, wenn das Beharren der Schweiz auf ihrer Neutralität dazu führen würde, dass das System unbrauchbar wird», heisst es im Kommentar der FAZ. Deutschland solle deshalb Lehren aus dem Vorgang ziehen und sich künftig genauer überlegen, dass Auflagen beim Waffen- und Munitionskauf auch Folgen haben können. Und eben: In der Schweiz solle man nicht mehr kaufen.

Experte zeigt Verständnis

Mehrere Bundestagsmitglieder haben sich zuvor schon in diese Richtung geäussert und damit gedroht, die Rüstungskäufe in der Schweiz zu beenden. Das wäre für die Schweizer Produzenten wie Ruag, Rheinmetall oder Mowag ein ziemlicher Rückschlag, gehört Deutschland doch zu den besten Kunden.

Welt.de meint es etwas besser mit der Schweiz und zeigt Verständnis für die Absage des Bundesrats auf die erneute Bitte der deutschen Verteidigungsministerin nach der Munitionsfreigabe. Die Schweiz habe aufgrund des Neutralitätsgesetzes gar nicht anders entscheiden können, das bestätigt dem Onlineportal auch ein Experte.

Die rechtliche Situation habe sich seit der ersten Entscheidung im Juni ja nicht geändert, sagt Olaf Wientzek, Direktor der Konrad-Adenauer-Stiftung in Genf. Er attestiert der Schweiz, dass sie sich «im Terrain ihres Neutralitätsgebots» seit dem Ausbruch des Ukraine-Kriegs bereits bewegt habe, insbesondere bei der Übernahme der EU-Sanktionen. Wientzek hält es deshalb nicht für ausgeschlossen, dass sich die Schweiz auch bei der Munitionsfreigabe noch bewegt. Schliesslich sei das Gesetz ja nicht immer nachvollziehbar, so erlaube es beispielsweise auch Waffenlieferungen nach Saudiarabien.

Tatsächlich schätzte ein angesehener Schweizer Experte für internationale Handelsfragen schon Ende Oktober, dass das Kriegsmaterialgesetz die Weitergabe im Einzelfall ausdrücklich erlaube. Der Bundesrat könne das Wiederausfuhrverbot für einen solchen Spezialfall aufheben, sagte Thomas Cottier dieser Zeitung.

Deutschland hat der Ukraine 30 Gepard-Panzer geschickt, aber nur 60’000 Schuss Munition, mehr war nicht mehr vorhanden. Und auf dem freien Markt konnte bisher nicht mehr besorgt werden, weshalb das Interesse an den 12’400 Schuss aus Schweizer Produktion sehr gross ist. Ein Gepard-Panzer kann theoretisch 1100 Schuss pro Minute abfeuern, um feindliche Drohnen oder Raketen abzufangen. Die Vorräte sind beim derzeit intensivierten Luftkampf entsprechend knapp.

Heftige Diskussion in Kommentarspalten

Die Schweizer Antwort an Berlin sorgt deshalb in Deutschland auch online für harsche Reaktionen, wie sich in den Kommentarspalten lesen lässt. «Unglaublich, dass die Schweiz die Munition für eine FlugABWEHRkanone blockiert. Das macht sie für mich zur Komplizin des Kreml», heisst es in einem der beliebtesten Kommentare auf Zeit.de. Auch viele andere schreiben, dass diese «Neutralität eine Begünstigung des Angreifers» sei.

Mehrmals wird zudem gefordert, künftig keine Rüstungsgüter mehr aus der Schweiz zu importieren oder die Produktion von Rheinmetall gleich ganz aus der Schweiz abzuziehen. Wenn das Neutralitätsrecht den Einsatz der Munition verbiete, dann solle die Schweiz am besten auch keine Munition mehr verkaufen, schliesslich werde die ja nicht als Silvesterfeuerwerk produziert.

Ein Kommentarschreiber empfiehlt, das Veto der Schweiz einfach zu ignorieren. «Was soll die Schweiz denn machen?», fragt er. Und dann werden auch noch Vergleiche mit dem Zweiten Weltkrieg bemüht, als die Schweiz jahrelang Waffen und Munition an Deutschland und die Achsenmächte lieferte. 

«Mieses Vorgehen» der deutschen Regierung

Zwischendurch gibt es auch Verständnis für die Schweizer Haltung. «Die Schweiz war schon immer neutral. Dass sie das gerade jetzt weiterführt, ist nachvollziehbar», heisst es etwa. Zudem werden die Drohungen, künftig keine Rüstungsgüter mehr in der Schweiz zu kaufen, kritisiert. «So wird also auf die souveräne Entscheidung eines demokratischen Staats in Europa reagiert? Unter Druck setzen mittels Sanktionen? Ausschluss?»

Und insbesondere auf Welt.de machen einige darauf aufmerksam, dass wohl nicht nur die Schweiz solche Munition herstellt, sondern diese wohl in vielen anderen Ländern verfügbar wäre. Oder dass Deutschland die Produktion selber hochfahren könnte, um mehr Schuss liefern zu können, wenn sie denn wollten. Zudem sei wohl schon beim Entschluss, die Gepard-Panzer der Ukraine weiterzugeben, festgestanden, dass zu wenig Munition verfügbar sei. Entsprechend hätte gemäss den Kommentaren ein anderes Waffensystem geliefert werden sollen, oder die deutsche Regierung hätte sich ernsthafter um weitere Munition bemühen müssen, anstatt nun der Schweiz die Schuld zuzuschieben, heisst es beispielsweise.

Die Haltung der Schweiz sei ja bereits bekannt gewesen, es sei mies, dann öffentlich die «Schlechtes Gewissen»-Karte auszuspielen und so auf ein Einlenken zu hoffen. Und es wird auch darauf hingewiesen, dass es europäischen Partnern teilweise gleich gehe, wenn Deutschland anderen Ländern den Export von gemeinsam produzierten Rüstungsgütern verbiete. Auch jetzt an die Ukraine.

Die Lehre aus dem Vorgang ist für den beliebtesten Kommentar bei der FAZ letztlich nicht wie vom Journalisten geschrieben, dass man mit der Schweiz keine Rüstungsgeschäfte mehr machen sollte, sondern, dass man lernen sollte, dass die Schweiz sich an die Gesetze halte. Das hätte die deutsche Regierung wissen können, bevor man die Gepard-Panzer für die Ukraine freigab. Nun wolle man mit der Munitionsdebatte wohl vor allem davon ablenken, dass weiter keine Leopard-Panzer oder anderes benötigtes Kriegsmaterial in die Ukraine geliefert werde.

Für die Ukraine gibt es vielleicht noch eine leise Hoffnung. So wurde Brasilien um die Freigabe von 300’000 Schuss angefragt, die Regierung von Jair Bolsonaro hat diese aber wohl verweigert, wie diese Zeitung berichtete. Möglich wäre, dass der neu gewählte Präsident Lula in dieser Frage anders entscheidet.