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Expedition in die Antarktis
Die Pinguine sind fast in Griffnähe – und danach fragt man sich: Hab ich das alles nur geträumt?

Pinguin steht vor einer Forschungsstation in der Antarktis, umgeben von Schnee und Eisbergen unter bewölktem Himmel.
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In Kürze:
  • Die Antarktis-Expedition mit HX (Hurtigruten Expeditions) startet im südlichsten Punkt Argentiniens und dauert zehn Tage.
  • Das Hybridschiff MS Fridtjof Nansen bietet Platz für 500 Passagiere und setzt neue Standards in puncto Nachhaltigkeit und Komfort.
  • Pro Tag sind je eine Ausfahrt mit dem Schlauchboot und eine Anlandung vorgesehen – sofern das Wetter mitspielt.
  • Experten an Bord vermitteln den Passagieren ihr Wissen und treiben während der Reise auch eigene Forschungsprojekte voran.

Zögerlich watschelt der kleine Adeliepinguin über die Schneedecke auf uns zu. Weisser Bauch, weisse Ringe um die Augen, ansonsten ist das Gewand des kaum 50 cm grossen Vogels ganz in Schwarz gehalten. Beim menschengemachten Trampelpfad hält er inne, um ihn kurz darauf beschleunigten Schrittes zu überqueren. Auf der anderen Seite angelangt, bleibt das Tier stehen. Schritt für Schritt dreht es sich um die eigene Achse, blickt zurück und schenkt seinen Bewunderern eingängige Betrachtung.

Was wir ihm mit unseren blauen Expeditionsjacken und roten Gehstöcken wohl für einen Anblick bieten? Noch können wir auf diesem ersten Landgang in der Antarktis nämlich selbst kaum glauben, dass wir tatsächlich hier sind. In dieser Landschaft voller Eisschollen und Pinguine, gewaltigen Bergen und Walfluken. Genauso gut hätten wir auf dem Mond landen können.

Bei «Sweet Caroline» singt immer einer mit

Zwei Tage hat die Überfahrt hierher gedauert, von der Hafenstadt Ushuaia aus, die an der Südspitze Argentiniens liegt, über die Drake Passage. Zur Erleichterung vieler an Bord zeigte sich die berüchtigte Meeresstrasse dabei als zahmer «Drake Lake». Es hätte auch der gefürchtete «Drake Shake» sein können, mit Wellen von bis zu 12 Meter Höhe.

So aber bot der ausgebliebene Höllenritt beste Gelegenheit, uns mit der MS Fridtjof Nansen, unserem schwimmenden Zuhause während zehn Tagen, vertraut zu machen. Das jüngste Expeditionsschiff von HX (Hurtigruten Expeditions) setzt in Sachen Nachhaltigkeit neue Standards. 2020 zu Wasser gelassen, stellt es zusammen mit seinem Schwesterschiff Roald Amundsen eines der zwei ersten hybrid angetriebenen Expeditionsschiffe der Welt dar; rund 20 Prozent Treibstoff und die damit einhergehenden Emissionen lassen sich dank der Batterien und einer innovativen Rumpfkonstruktion einsparen.

Aber auch was die Annehmlichkeiten für die Passagiere angeht, sucht die MS Fridtjof Nansen ihresgleichen. Das fängt bei den drei Restaurants an und hört bei den Jacuzzis an Deck noch lange nicht auf.

Das nachhaltige Schiff Fridtjof Nansen in der Antarktis vor einer Kulisse aus Eisbergen.
Eine Gruppe von Menschen in Winterkleidung fotografiert einen Pinguin auf schneebedecktem Boden in der Antarktis.

«Thar she blows!», ruft ein älterer Herr in der Explorer Bar aus – und lässt seine Mitreisenden dabei im alten Walfängerjargon wissen, dass durch die grosszügigen Scheiben wieder einmal der Atemstoss eines Buckelwals auszumachen war. Die gemütlichen Sessel an der Fensterfront sind bei den Passagieren genauso hoch im Kurs wie das ausschweifende Cocktailmenü, und abends haut hier jeweils der aus der Karibik stammende Devan in die Klaviertasten. Bei «Sweet Caroline» gibt es immer jemanden, der mitsingt; ein bisschen Kreuzfahrtfeeling kommt also auch auf dem Expeditionsschiff auf.

Das verdankt sich wohl auch der Demografie der 380 Mitreisenden (500 dürften es maximal sein), zu grossen Teilen sprechen sie Englisch und Chinesisch, zu kleineren Deutsch und Französisch. Der Durchschnitt ist über 50, viele sind im Pensionsalter, einige junge Gesichter bestätigen als Ausnahme die Regel. Eine solche Reise muss man sich schliesslich erst einmal leisten können. Mary und Tim aus den USA erfüllen sich zum 20. Hochzeitstag mit der Reise einen Traum, dem allein reisenden Alfons aus Süddeutschland wurde sie von Freunden und Familie zum Geburtstag geschenkt. Auch für ihn: die Erfüllung eines Lebenstraums. «Ist das ebenfalls Ihr letzter Kontinent?», möchte Nancy aus Kansas beim Small Talk auf dem Aussendeck wissen. «7th Continent» steht auf der Flagge, die einige Mitreisende schon beim ersten Landgang mit strahlendem Gesicht in die Kamera halten. Jeden Kontinent der Welt besucht zu haben, ist für viele ein Meilenstein. 

Kein Plastik, dafür Mikroskope

Wer möglichst viel über die Antarktis und seine Bewohner wissen möchte, kann sich im schiffseigenen Science Center mit seinen Büchern, Karten und Mikroskopen austoben oder wohnt den zahlreichen Vorträgen von Historikern, Biologinnen und Forschungsteams bei. Für andere sind die Aussendecks der unangefochtene Lieblingsort an Bord, nicht zuletzt wegen der häufigen Anwesenheit auskunftsfreudiger Naturforscher, die zum gemeinsamen Wildlife Watch einladen.

Eisberge treiben im Meer vor schneebedeckten Bergen in der Antarktis.
Ein kleines Boot voller Passagiere fährt vor einem riesigen Eisberg in der Antarktis entlang.
Ein einzelner Pinguin steht auf einer Schneefläche in der Antarktis unter bewölktem Himmel.

Welcher Programmpunkt wann und wo stattfindet und wann wo was auf dem Essensmenü steht – von Bistroklassikern übers Filet mignon bis zum «Mosaik aus Kichererbsen, Linsen und Kürbis» kann man hier alles haben –, erfahren wir über die bordeigene App. Papier halten wir während der zehn Tage auf der Nansen kaum in den Händen, Einwegplastik gar nicht – das ist genauso Teil der Nachhaltigkeitsbestrebungen von HX wie der Einsatz eines ausgeklügelten Wasserwiederaufbereitungssystems. Im Dezember wurde das Unternehmen von der European Sustainability Initiative mit dem ESG Transparency Award 2024 für seine Nachhaltigkeitsbemühungen und die dazugehörige transparente Berichterstattung geehrt.

Mit dem Staubsauger gegen Keime

Vor unserer Ankunft auf dem weissen Kontinent heisst es: Expeditionsjacken und Stiefel fassen, das obligatorische Expeditionsbriefing besuchen und die Regeln verinnerlichen. «Das Einzige, was in der Antarktis den Boden berühren soll, sind eure Stiefelsohlen und die Gehstöcke», stimmt uns Expeditionsleiter Torstein Gaustad auf das kommende Abenteuer ein. Will heissen: kein Hinsetzen, kein Hinknien, auch kein Abstellen von Rucksäcken. Ebenso untersagt ist das Mitbringen von Lebensmitteln oder gar kleinen Papierchen, die davonfliegen könnten. «Stellt vorher bitte sicher, dass eure Taschen leer sind.»

Dann gilt es, die Aussenbekleidung mit einem speziellen Staubsauger akribisch von unliebsamen Mitbringseln aus anderen Weltregionen und Vegetationszonen zu befreien. «Die Klettverschlüsse nicht vergessen, die sind besonders wichtig», hält uns ein Mitarbeiter an der Reinigungsstation an. Die Devise lautet: Leave no trace, hinterlasse in der Antarktis keine Spuren.

Personen in wetterfester Kleidung betrachten einen grossen Eisberg in der Antarktis.
Zwei Personen im Kajak paddeln zwischen beeindruckenden Eisbergen in der Antarktis.

Noch immer verzückt vom kleinen Adeliepinguin, benannt übrigens nach der Frau seines Entdeckers, setzen wir unseren Weg auf Pléneau Island fort. Der Perimeter, auf dem wir uns bewegen dürfen, ist mit roten Fähnchen abgesteckt. Das Expeditionsteam wird sie nach unserem Besuch wieder abräumen, allfällige tiefe Trittlöcher (Pinguinfallen!) zuschütten und sicherstellen, dass wir nichts, aber auch gar nichts nach unserem Besuch zurücklassen.

Nun kommt zu unserer Linken ein Eselspinguin bäuchlings und mit rudernden Flügeln den Schneehang heruntergeschlittert. Die Füsschen dienen abwechslungsweise zum Anschieben und zum Abbremsen – je nachdem, was die Topografie gerade verlangt. Er ist unterwegs zu seinen Artgenossen, die unten am Ufer mit gespreizten Flügeln und herausgestreckter Brust auf und ab gehen. Hinter ihnen befindet sich eine schmale Wasserstrasse, darin Eisschollen verschiedener Formen und Grössen. Dahinter ein gewaltiger Berg, bedeckt mit Gletscher und Schnee. Und die Sonne, die für Funkeln sorgt. Was für ein überwältigender Anblick! Und dann fällt ein Pinguin hin, und wir finden das alle schrecklich lustig.

Eine Gruppe von Vögeln fliegt über das Meer in Richtung Antarktis, vor einem nebligen Himmel. Foto für einen Reisebericht.

«An Land mögen die Pinguine tollpatschig wirken», hatte uns ein Mitglied des Expeditionsteams mit auf den Weg gegeben. «Aber wartet nur, bis ihr sie im Wasser seht!» Und tatsächlich: Als uns unser Zodiac – so heissen die für die Ausflüge und Ausfahrten verwendeten motorisierten Schlauchboote – zur MS Fridtjof Nansen zurückbringt, flitzen die soeben noch etwas unbeholfen wirkenden Tierchen wie schwarze Pfeile durchs Eismeer. Fast, als hätten sie uns vorhin lachen gehört.

Forschung aus der Nähe miterleben

Bei veritablem Hudelwetter steigen wir am nächsten Morgen in der Wilhelmina-Bucht ins Zodiac, unsere Mützen weit ins Gesicht, die Schals bis zur Nase hochgezogen. Zeit für ein «Cruising» – eine jener Ausfahrten also, die sich mit den Anlandungen abwechseln. Jeden Tag ist beides vorgesehen.

Die dicken Schneeflocken, die vom Himmel fallen, bilden auf dem heute tiefdunklen, fast schon schwarzen Meer einen dünnen, durch die Wellenbewegung mosaikartig durchbrochenen Film. Wir steuern auf das kleine Boot zu, das einige Hundert Meter vor uns sanft im Wasser schaukelt. Zuvorderst sind die Umrisse einer Person zu erkennen, die aufrecht im Boot steht, die Armbrust schussbereit. Es sind nur wenige Meter, die sie vom nun geruhsam auftauchenden Buckelwal trennen. Treffer! Nein, hier werden keine Wale gejagt. Nur deren Gewebeproben. Und wir dürfen das gerade live miterleben. «Crazy, genau so etwas habe ich gerade erst auf dem National Geographic Channel gesehen!», verleiht eine amerikanische Mitreisende diesem Gefühl Ausdruck.

Wir überlassen das Forschungsteam seiner Arbeit und steuern in unserem Zodiac die Aussenkante einer weitläufigen Eisscholle an, worauf in dichtem Schneegestöber drei Pinguine herumtollen. Doch nun ist es etwas anderes, was uns in seinen Bann zieht: die unglaublichen Blautöne, die trotz – oder gerade wegen – des grauen Himmels unter den Eisschollen und -bergen hervorleuchten. Es ist ein Farbspiel, dessen wir in den folgenden Tagen nie überdrüssig werden. Und das keine Kamera der Welt wahrhaftig einfangen kann.

Zwei See-Elefanten liegen auf einem felsigen Strand in der Antarktis, einer ruft laut mit geöffnetem Maul.

Zurück im Science Center, hält Dr. Natalia Botero Acosta mit ihrer Pinzette ein wurmförmiges, schwarz-weisses Stück Buckelwal in die Höhe. «Das Sample besteht aus einem Zentimeter Haut und zwei Zentimetern Blubber», erklärt sie. «Daraus können wir Informationen zum Gesundheitszustand der Tiere gewinnen. Etwa ob ein Weibchen trächtig ist oder wie hoch sein Stresslevel ist», erläutert die Wissenschaftlerin von der University of California in Santa Cruz den Zweck dessen, was wir am Morgen aus der Ferne beobachten durften. Sie ist eine der vier «Guest Scientists», die auf unserer Expeditionsreise mitreisen – und damit mit Unterstützung von HX nicht nur ihre Forschungsprojekte vorantreiben, sondern auch einen Mehrwert für die Passagiere schaffen.

«Verursacht das den Walen denn keinen Schmerz?», möchte eine besorgte Zuschauerin wissen. «Das ist für den Wal wie ein Mückenstich. Die meisten zeigen nicht einmal eine Reaktion», gibt Botero Acosta Entwarnung. Ob sie mit den Tieren jeweils zuerst mental kommuniziere und dabei um Erlaubnis frage, lautet eine nächste Frage. Die gebürtige Kolumbianerin verneint und lächelt. «Aber ich sage danach jedes Mal Danke!» 

Wer will, verbringt eine Nacht im Zelt

Fast könnte man bei dem grossen Angebot von Vorträgen und Workshops, den zahlreichen Inputs von Biologinnen, Ornithologinnen und Historikern von einem schwimmenden Klassenzimmer sprechen, das die Fridtjof Nansen in ihrem Bauch mitführt. Den Passagieren bietet sich die Möglichkeit, bei einer Ausfahrt im Science Boat unter fachkundiger Instruktion selbst Daten und Wasserproben zu sammeln, die anschliessend analysiert und der Wissenschaft zur Verfügung gestellt werden. Citizen Science lautet der hier gelebte Begriff für Forschungsprojekte, bei denen sich Laien an der Datensammlung beteiligen. Auf den Expeditionen von HX werden Passagiere auch dazu animiert, ihre Beobachtungen und Fotos auf Plattformen (Apps) wie eBird, iNaturalist oder HappyWhale zu erfassen.

Fünf Tage verbringen wir in der Antarktis, zweimal täglich verlassen wir unser Schiff abwechselnd für eine Anlandung oder eine Zodiac-Ausfahrt. Einige Hartgesottene verbringen eine Nacht im Zelt, andere fahren im Kajak aus oder schnallen sich Schneeschuhe an die Füsse. Angesichts des grossen Interesses an diesen zusätzlichen Aktivitäten entscheidet das Los.

Passagiere sitzen in einer Lounge an Bord eines Schiffs, mit grossen Fenstern, die einen Blick auf eine eisige antarktische Landschaft bieten.

Manchmal gibt es kurzfristige Planänderungen, weil die Eisverhältnisse ein Anlanden verunmöglichen oder der aufkommende Wind ein früheres Weiterfahren bedingt. Dem Erlebnis tut das keinen Abbruch – wenn das Wetter irgendwo schalten und walten darf, wie es will, dann hier. Und weil jetzt im Sommer fast durchgängig Tageslicht herrscht, gibts auch vom Mutterschiff aus fast immer etwas zu sehen. Selten hat sich ein Cocktail an Deck so gut geschlürft wie angesichts einer abtauchenden Walfluke im Abendrot!

Fast jeder verdrückt eine Glücksträne

Die zweitägige Rückfahrt über die – wiederum gutmütige – Drake Passage bietet Zeit für Reflexion. Waren wir wirklich da? War alles nur ein Traum? Das «Antarctic Plunge Certificate» in unserer Kabine jedenfalls besagt: Wir waren da – und sind am 62. Breitengrad, und somit nur leicht über dem Polarkreis, sogar für einen eiskalten Schwumm ins 0,1 Grad kalte Wasser gesprungen. Wir haben Buckelwalen beim Auf- und Abtauchen zugesehen und vom Kajak aus einem Grüppchen schlummernder See-Elefanten bei ihren furzartigen Niesgeräuschen zugehört. Wir sind durch den atemberaubend schönen Lemaire-Kanal gefahren, durften einem Gletscher beim Kalben zuschauen und haben uns immer und immer wieder aufs Neue von der unglaublichen Landschaft aus Wasser und Eis verzaubern lassen.

Ein Pinguin läuft über den Schnee in der Antarktis, mit verschwommenem Hintergrund von Eis und Wasser. Foto von Timo Heinz.

Die Antarktis ist von betörender Schönheit. Wer nicht aus Stein ist, wird früher oder später einen Moment absoluter Glückseligkeit verspüren, vielleicht sogar zu Tränen gerührt sein. Genau deswegen muss man sich fragen: Ist es überhaupt richtig, hier zu sein? Darf man hierherkommen? Es ist eine Frage, auf die jede und jeder eine für sich stimmige Antwort finden muss. Die der Autorin lautet: wenn, dann so. Mit einem Bewusstsein um das unglaubliche Privileg, hier sein zu dürfen. Und mit einem Expeditionsanbieter, der sich seiner Verantwortung nicht nur bewusst ist, sondern diese auch seinen Gästen vermittelt. 

Die Recherchereise für diesen Artikel wurde unterstützt von HX (Hurtigruten Expeditions).