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Trekking in Pakistan
Luxus im Zelt, die Regierung im Schlepptau und die Berge vor Augen

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In Kürze:
  • Wer zum Trekking nach Pakistan reist, erlebt atemberaubende Landschaften.
  • Das Trekking in grossen Höhenlagen ist körperlich herausfordernd, aber die begleitenden Guides bemühen sich, einem die Reise so angenehm wie möglich zu gestalten.
  • Wer das Abenteuer und die Bergwelt liebt, findet in Pakistan ein tolles Reiseziel.

Eigentlich beginnt unser Abenteuer bereits mit dem Anflug auf Gilgit. Umgeben von einer beeindruckenden Kulisse aus weissen Gipfeln und steilen Felswänden, gibt es dort eine kurze Piste, auf der nur Propellerflugzeuge landen dürfen. Nicht wenige Passagiere schliessen wie ich die Augen, doch der Pilot setzt die Maschine routiniert auf die Piste neben das kleine Flughafengebäude.

Dort werden wir, zu unserer Verblüffung, nicht nur von den lokalen Führern, sondern ganz offiziell von der Provinzregierung empfangen. Wir, das sind eine Gruppe von drei Journalisten und einer Journalistin aus der Schweiz, begleitet von André Lüthi und Michael Krähenbühl von Nature Tours, die die Reise organisieren. Danach geht es auf dem legendären Karakorum-Highway, der entlang der alten Seidenstrasse bis nach China führt, weiter ins Hunza-Tal nach Karimabad. Wir besuchen das 700 Jahre alte Baltit-Fort und das noch ältere Altit-Fort. Fast spektakulärer als die alten Gemäuer ist die Fahrt selber, wobei ich mich erst mal mit dem Fahrer anlege, als er vor der Kurve und ohne Sicht zum Überholmanöver ansetzt. Auf den siebten Sinn des Chauffeurs möchte ich mich nicht verlassen. Der hat zwar kein Verständnis für meine Bedenken, mässigt aber das Tempo etwas. Mir solls recht sein, denn die Aussicht auf die Landschaft ist grandios. Die Berge, die hier von 2800 Meter bis 8000 Meter hoch sind, sind so mächtig, wie ich sie noch nie gesehen habe.

Am zweiten Tag kommen wir beim Attabad-See vorbei. Er entstand erst 2010, als ein Bergsturz den Fluss Hunza blockierte. Es gab viele Tote, und der Karakorum-Highway wurde verschüttet. Doch es ging nicht lange, und der See wurde zur Touristenattraktion, und die Chinesen bauten bis 2015 die nötigen Tunnels, um den Karakorum-Highway wieder durchgängig zu machen. Darauf weisen zahlreiche Plakate hin, auf denen die chinesisch-pakistanische Freundschaft gepriesen wird. Überhaupt, die Chinesen, sie sind allgegenwärtig, die Pakistaner bewundern ihre Effizienz und ihren Arbeitswillen, aber geliebt werden die Nachbarn aus dem Norden nicht. Viel lieber unterhalten sich die inländischen Touristen mit uns, alle wollen ein Selfie mit den Besuchern aus der Schweiz.

Wir fahren weiter bis Gulmit. Dort besuchen wir ein Kollektiv von Teppichknüpferinnen. Es wird das einzige Mal bleiben, dass auf unserer Reise Frauen eine Hauptrolle spielen. Wir, das sind übrigens inzwischen nicht mehr nur die Besucher aus der Schweiz sowie Peter, der lokale Reiseführer, und der Fahrer. Mittlerweile ist eine mindestens so grosse Regierungsdelegation zu uns gestossen, teilweise extra angereist aus Islamabad, teils Vertreter der lokalen Tourismusbehörden. Auffällig ist auch, dass unsere Autos begleitet werden von einem Armeefahrzeug, das uns bewachen soll.

Zum Mittagessen treffen wir den Vize-Gouverneur der Region in einem Ausflugsrestaurant mit grandioser Sicht auf den 7788 Meter hohen Rakaposhi. Am Anfang ist der Berg noch hinter einer Wolke versteckt, und nach einer überschwänglichen Begrüssung droht auch die Stimmung zu kippen, weil der Lokalpolitiker uns plötzlich das Trekking ausreden will. Sicherheitsbedenken, wie er sagt; Kontrollwahn, wird Peter später sagen. Nach einer teils hitzigen Diskussion mit der Reiseleitung kommt es zum Kompromiss: Das Trekking findet statt, allerdings wird der grösste Teil der Regierungsdelegation mitkommen.

Kurztrekking mit Matratze und Kissen

Am nächsten Tag gehts also mit einer 12-köpfigen Delegation los mit der grossen Wanderung zum Rakaposhi Base Camp. 15 Minuten hinter dem Dorf hört die Strasse auf, ab da gibts nur noch einen Weg. Und es wird anstrengend. Die Sonne brennt, es ist staubig. Es geht steil aufwärts, aber noch fühle ich mich fit. Der Reiseleiter mahnt, wir sollen uns mit einer Kopfbedeckung vor der Sonne schützen. Baseballkäppis sind etwas für Trump-Anhänger, denke ich mir – und ignoriere die guten Tipps.

Es geht nicht lange, bis es zum ersten Zwischenfall kommmt. Dem Kollegen aus Murten fällt die Sohle ab, seine Wanderschuhe lösen sich regelrecht auf. Einen Moment lang sieht es so aus, als wäre die Wanderung für ihn vorbei, bevor sie richtig begonnen hat. Doch da haben wir die Improvisationsfähigkeit der Pakistaner unterschätzt. Innert einer halben Stunde haben sie im Dorf Wanderschuhe aufgetrieben, solche, wie sie das Militär auch trägt. Ein junger Pakistaner fährt mit seinem Moped extra den staubigen Weg hoch, um sie uns zu bringen. Somit geht das Trekking doch noch für alle weiter, und vom Vorfall bleibt nur der Spott, mit dem der Kollege fortan leben muss.

Nach der erzwungenen Pause geht es wieder los. Die Sonne brennt immer heisser, wir haben nun 30 Grad, und die Höhe macht sich langsam bemerkbar. Ich gebe meinen Widerstand gegen gute Ratschläge auf und bedecke meinen Kopf. Etwas spät vielleicht, denn leichte Kopfschmerzen sind der Preis, und schlussendlich bin ich ziemlich froh, als wir nach 800 Höhenmetern das Zwischenlager erreichen.

Was dann kommt, das habe ich noch nie erlebt. Nicht nur sind die Zelte bereits perfekt aufgestellt, es gibt auch für jeden eine Matratze, eine blütenweisse Decke und ein Kissen. All das auf knapp 3000 Meter Höhe, in den Bergen Pakistans. Sogar die Toiletten sind perfekt, neu aufgebaut und sauberer als auf manchem Campingplatz in der Schweiz.

Küchencrew im Basecamp des Rakaposhi.

Damit nicht genug. Das Abendessen schlägt alles, was ich von Trekkings kenne. Drei Gänge samt Dessert, mit Stuhl, Tisch, Geschirr und Besteck, alles im Zelt. Das Essen, ein Gemisch aus indischer und türkischer Küche, ist sehr würzig und schmeckt nach der Wanderung wunderbar. Alles ist so perfekt, da ist es schon fast tröstlich, dass der Koch die Pouletbeine dermassen durchgegrillt hat, dass sie kaum mehr essbar sind. Macht nichts, genug gabs allemal.

Der zweite Tag ist eher einfacher, zumindest am Anfang. Bis wir zum Basislager kommen, sind es nochmals 800 Höhenmeter, aber nach gut drei Stunden ist das geschafft. Das Mittagessen ist wieder im gewohnten Stil, der Verdauungsschlaf ist auch hier luxuriös auf der Matratze. Das Kissen hat es aus irgendwelchen Gründen nicht hochgeschafft. Dafür sind die Sanitäranlagen ebenfalls neu, frisch gestrichen und blitzsauber. Langsam glaube ich dem Gerücht, wonach ein Regierungsbeamter zwei Wochen zuvor alles sondiert und in Schuss gebracht hat.

Ganz schön anstrengend: Gefühlt zählen die Höhenmeter über 3000 Meter ü. M. doppelt.

Allerdings ist der Tag noch nicht vorbei. Die gute Idee kommt von André Lüthi: Er sagt, wir könnten doch noch links den Bergrücken hoch, von da aus sehe man den Rakaposhi doch sicher viel besser. Also nochmals 400 Höhenmeter. Was solls, auf den Uetliberg sind es ja auch nicht mehr, sage ich mir. Nur dass der Uetliberg nicht auf 4000 Metern liegt, was halt schon einen Unterschied macht. Doch schlussendlich haben wir es geschafft, und die Wolken vor dem Gipfel sind auch bald weg. So werden wir mit einer sensationellen Aussicht belohnt. Was auch für einen Schweizer, der glaubt, die Berge zu kennen, eindrücklich ist: Die Berge haben eine ganz andere Wucht, selbst von einer Höhe von 3800 Meter über Meer geht es nochmals 4000 Meter bis zum Gipfel.

Am Abend löst sich dann die Anspannung zwischen den Schweizer Besuchern und der Regierungsdelegation. Salman Patras, Chef des lokalen Tourismusbüros, entpuppt sich als talentierter Hobbysänger. Er bringt Stimmung ans Lagerfeuer, genauso wie das lokale Feuerwasser, das die Runde macht. Ganz so ernst ist es also nicht mit dem Alkoholverbot. Als dann auch noch Patras’ 75-jähriger Onkel zu tanzen beginnt, ist der Abend gerettet. Was allerdings auffällt: Am Lagerfeuer sitzt ausser der Journalistin aus der Schweiz keine einzige Frau.

Als dann Patras’ 75-jähriger Onkel zu tanzen beginnt, ist der Abend gerettet.

Runter gehts am nächsten Morgen in einem Tag. Wie genau das Knie hier mitgemacht hat, weiss ich im Nachhinein nicht mehr. Man kann Schmerz ja auch ignorieren, sage ich mir jedenfalls, und irgendwann bin ich unten. Kurz nach der Brücke holt uns ein kleiner Bus ab und bringt uns zurück ins Hotel. Dort taucht beim Nachtessen der Vizegouverneur wieder auf. Diesmal allerdings in gelöster Stimmung. Ihn werden wir am nächsten Abend nochmals sehen, als uns eine Regierungsdelegation in Gilgit zum Abschiedsdinner bittet.

Dort fragen uns die Lokalpolitiker, was sie tun könnten, damit mehr Touristen aus Europa nach Pakistan kommen. Und können sich die Antwort darauf gleich selber geben, denn auch sie sind konsterniert darüber, als der für den nächsten Tag angesagte Rückflug der offiziellen Delegation nach Islamabad kurzfristig, ohne Begründung, abgesagt wird. Da am Folgetag allerdings die Anschlussflüge nach Zürich angesagt sind, organisieren Lüthi und Krähenbühl in Rekordzeit zwei Busse, welche die Reisenden Richtung Süden über den Karakorum-Highway nach Islamabad bringt.

Weiter ohne Regierung

Für mich ist die Reise hier allerdings noch nicht vorbei, denn ich habe mich entschieden, auf eigene Faust noch ein Kurztrekking zum Basislager des Nanga Parbat, des Todesbergs, anzuhängen. Todesberg heisst er darum, weil bis zu seiner Erstbesteigung 1953 durch Hermann Buhl dort unzählige Berggänger ihr Leben verloren haben. Während des letzten Jahrhunderts lieferten sich die Engländer und die Deutschen ein absurdes Wettrennen bei der Erstbesteigung von 8000ern. Der Nanga Parbat war ein «deutscher Berg». Schon die Nazis suchten dort ihren Ruhm, doch sie gelangten nicht ans Ziel. Erfolg hatten sie erst nach dem Krieg mit einer vom deutschen Arzt Karl Herrligkoffer geleiteten Expedition. Herrligkoffer, der nie einen hohen Berg bestiegen hat, leitete die Expeditionen vom Basislager aus, das nach ihm benannt ist.

Der Weg dorthin ist nicht besonders beschwerlich, die Fahrt bis zum Ausgangspunkt in Tarishing allerdings schon. Ich hätte nie gedacht, dass ein Fahrzeug solche Schluchten durchqueren kann. Als uns allerdings im Staub ein Bus entgegenkommt, begreife ich, dass wir durchaus auf einer Strasse sind.

Auch das ist in Pakistan eine Strasse.

Der Fahrer spricht zwar nicht besonders gut Englisch, aber er erzählt gerne von seiner Familie und den zwei kleinen Kindern. In Tarishing stossen noch ein Führer und ein Träger zu uns. Regierungsbeamte gibt es glücklicherweise keine mehr, dafür Esel, die unsere Zelte transportieren. Was ich dann im Herrligkoffer-Basislager antreffe, entspricht nicht mehr dem Regierungsstandard der offiziellen Expedition. Keine Matratze, kein Kissen, rustikales Essen und, vielleicht am unangenehmsten, keine Toilette gibt es hier – nur die Natur. Die ist allerdings spektakulär. Langsam taucht der Nanga Parbat aus den Wolken auf.

Dass der Berg auch heute noch seinen Schrecken nicht verloren hat, zeigt ein kleiner Spaziergang vom Basislager aus. Ein junger Franzose liegt hier begraben, der vor zwei Jahren, entgegen dem Rat der lokalen Führer, im Herbst den Gipfel zu erklimmen versuchte. Nach einem Wetterumsturz kam er nicht zurück.

Esel sind in den Bergen Pakistans ein beliebtes Transportmittel.

Wir gehen am nächsten Tag weiter über den Gletscher, der allerdings mehr einer Geröllhalde gleicht, zum Shaigiri-Camp. Von dort aus startete 1970 Reinhold Messner mit seinem Bruder Günther, unter der Leitung von Herrligkoffer, die Besteigung der Südflanke des Nanga Parbat. Die Brüder schafften den Gipfel, aber Günther kehrte nie zurück. Der Ehrgeiz endete bei ihm, wie bei vielen anderen, tragisch.

Die Kulisse ist grandios, die Gipfel des Leila und des Rupal sind zur Linken, der Nanga Parbat auf der rechten Talseite.

Den Abstieg nach Tarishing machen wir auch von hier aus in einem Tag. Auf dem Weg treffen wir viele Esel an, die vollbepackt mit Holz ins Tal trotten. Der Führer befürchtet, dass die Wälder bald einmal abgeholzt sind, wenn es keine Alternativen geben wird. Im Herrligkoffer-Basislager begegnen wir einigen einheimischen Touristen, die vor der Hitze in Karachi und Lahore – von dort meldet die Wetter-App 50 Grad Celsius – in die kühlen Berge geflohen sind.

Ganz zu Ende ist meine Reise noch nicht, am nächsten Tag geht es mit dem Auto nach Chilas. Sechs Stunden brauchen wir für die 143 Kilometer. Dementsprechend ist der Zustand der Strasse. Was der Fahrer da leistet, ist schlicht unglaublich.

Der Weg führt über den Ramaghat-Pass, der über 4000 Meter hoch ist. Chilas ist ein staubiges Städtchen, voller Leben. Allerdings sieht man auch hier kaum Frauen auf der Strasse, dafür Plakate, die zum Tragen des Schleiers auffordern. Aber obwohl die Leute konservativ sind: Die westlichen Frauen, die ich getroffen habe, fühlten sich sicher.

Blick auf den Nanga Parbat vom Herrligkoffer-Basislager.

Die Flugverbindungen von hier nach Islamabad sind deutlich stabiler, die Berge nicht mehr so bedrohlich nahe. Im Flugzeug denke ich darüber nach, wem ich eine Reise in den Norden Pakistans empfehlen würde. Ich glaube, es braucht die Liebe zu den Bergen, etwas Kondition und vor allem eine gute Portion Abenteuerlust. Wer das mitbringt, der ist hier am richtigen Ort. Ich bin jedenfalls froh, dass ich das Abenteuer gewagt habe.

Die Recherchereise für diesen Artikel wurde unterstützt von Nature Tours.