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Lateinamerika: Belize
Unbekanntes, wunderschönes Reiseland

Grünes Juwel: 60 Prozent der Fläche von Belize sind bewaldet.
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In Kürze:
  • Belize, das kleine Land in Mittelamerika, verfügt über fantastische Naturschätze.
  • Der Urwald nimmt 60 Prozent der Landfläche ein, vor der Küste liegt das zweitgrösste Korallenriff der Welt.
  • Umweltschutz wird grossgeschrieben, beim Tourismus setzt man auf Qualität statt Quantität.

Das Gebrüll geht durch Mark und Bein. Laut, eindringlich und gefühlt von gleich hinter dem nächsten Baum dröhnt es einem in die Ohren. «Ein Jaguar, bestimmt!», flüstert eine Mitreisende. Der Reiseführer hingegen winkt mit einem Lachen ab. Es ist nicht die scheue, bedrohte Raubkatze, die so brüllt, sondern ein Schwarzer Brüllaffe. Er und seine Artgenossen leben in den Baumkronen des belizischen Dschungels. Sie markieren durch das namensgebende Brüllen ihr Revier, am liebsten frühmorgens – aber Raubtiere sind sie nicht. Dass ihr Geschrei aber durchaus etwas Urzeitlich-Bedrohliches hat, fällt nicht nur der Reisegruppe auf: Aufnahmen des Brüllens wurden im Kultfilm «Jurassic Park» für den Tyrannosaurus Rex verwendet. Mit bis zu 140 Dezibel ist der Schwarze Brüllaffe das lauteste Landsäugetier weltweit; bis zu fünf Kilometer weit ist sein Schrei zu hören.

Die Natur in Belize ist wild, zeitlos, ursprünglich und weitläufig. 60 Prozent der Fläche von Belize sind immer noch bewaldet und Heimat von bedrohten Tierarten wie Tukanen, Tapiren und Jaguaren. Das Belize-Barrier-Riff wiederum ist – nach dem Great Barrier Reef in Australien – das zweitgrösste weltweit und bietet Seekühen, Krokodilen und Walhaien einen Lebensraum. Menschen aus der ganzen Welt reisen nach Belize, um diese Natur zu sehen. Und das Land tut viel dafür, dass sie erhalten bleibt.

All rights reserved Kevin W Quischan Photography

Dabei wissen ganz viele nicht, wo Belize auf der Weltkarte zu finden ist. Der kleine Staat – mit 23’000 Quadratkilometern etwas mehr als halb so gross wie die Schweiz, aber mit keiner halben Million Einwohnern – grenzt an Mexiko und Guatemala; als britische Ex-Kolonie ist es kulturell divers. Auf den Strassen hört man Spanisch, Kreolisch, Sprachen der Maya. Das Land ist bekannt für lange Küsten, unzählige Inseln, sein spektakuläres Korallenriff, archäologische Stätten der Maya – und einen entschleunigten Lebensrhythmus. 

Vor allem Taucher reisen nach Belize, Vogelbeobachter und Wanderer. «Die Touristen kommen wegen der Natur», weiss Roni Martinez. Der Belizer arbeitet als selbstständiger Tourguide. Nie sieht man ihn ohne seinen Feldstecher um den Hals. Immer wieder unterbricht er seine Erzählungen und zeigt in eine Baumkrone, wo er – für die ungeübte Besucherin aus Europa unmöglich zu erspähen – einen seltenen Vogel entdeckt hat; einen Montezumastirnvogel hier, einen Schläfenfleckspecht dort. «Belize hat rund 600 einheimische Vogelarten», sagt Martinez. «Das ist sehr viel für ein so kleines Land.» Ob er jede Art schon einmal gesehen hat? Martinez lacht und verrät: «Ich habe schon 572 Arten gesehen.»

Belize ist nicht nur Festland: Vor seiner Küste liegen über 1000 meist bewaldete Inseln.

Seit 18 Jahren führt er Touristen zu den besten Birdspotting-Spots. Manche sind einfach erreichbar, wie in der weitläufigen Lagune des Crooked Tree Wildlife Sanctuary, das von der Belize Audubon Society verwaltet wird. Zwischen November und April zieht das Reservat Zugvögel an, rund 300 Arten sind erfasst, die man per Bootstour bei Sonnenaufgang beobachten kann. Manche von Martinez’ Beobachtungsspots sind aber auch abgelegene Geheimtipps, nur mit einem Kanu oder einer Kraxelei durch den Dschungel erreichbar. Noch kann er seinen Gästen meistens ein Erfolgserlebnis bereiten. Er weiss aber auch: «Viele der Vogelarten sind bedroht, weil ihr Lebensraum kleiner wird. Und keine Vögel heisst: keine Touristen.»

All rights reserved Kevin W Quischan Photography
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Im Gespräch mit lokalen Guides und Naturschützern wird schnell klar: Die Natur ist das Kapital von Belize. Geführte Touren bringen Geld für die lokalen Gemeinschaften. Wenn auch noch übernachtet und gegessen wird, umso besser. Rund 30 Prozent der Bevölkerung arbeiten im Tourismus, und die Tourismusindustrie trägt 40 Prozent zur Wirtschaft des Landes bei. Doch wie nutzt man die Ressource Natur für den Tourismus, ohne dass sie dabei zerstört wird?

Die Unesco konnte das Riff von der Gefährdungsliste streichen

Amanda Acosta ist Geschäftsführerin der Belize Audubon Society. Sie sagt: «Es steht und fällt damit, welche Art Tourismus wir hier haben. Kreuzfahrtschiffe zum Beispiel bringen uns nicht viel. Statistiken zeigen, dass ihre Passagiere nur halb so viel Geld im Land ausgeben wie Übernachtungsgäste.» Anders sieht es aus, wenn die Besucher in einem nachhaltigen Resort unterkommen, das idealerweise einen Teil der Einnahmen in den Umweltschutz investiert. 

Die Regierung kann die Richtung der Entwicklung vorgeben: So hat sie 2018 einen sogenannten Blue Bond for Nature unterzeichnet. Dabei wurden im Gegenzug für internationalen Schuldenerlass Offshore-Erdölbohrungen in allen Gewässern des Landes verboten, um das empfindliche Korallenriff zu schützen. Umweltorganisationen und die Tourismusindustrie gleichermassen begrüssten den damals weltweit pionierhaften Schritt. Die Unesco strich das Riff von der Gefährdungsliste. Acosta ist überzeugt: «Tourismus kann grossartige Arbeit in einem Land finanzieren. Und Belize ist ein gutes Beispiel dafür, wie man Tourismus auf eine weniger zerstörerische Art machen kann.» 

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Belize hat mit schätzungsweise 800 Tieren eine der gesündesten Jaguarpopulationen in Mittelamerika. In der Regenzeit im Juni und Juli sind die Katzen am aktivsten.

Die Fahrt in Richtung Belize Maya Forest zeigt aber, dass Umweltzerstörung nach wie vor existiert: Grosse Maschinen stehen am Rand kürzlich gerodeter Waldparzellen, die Erde ist schwarz von der Brandrodung, oder es weiden bereits Rinder auf den nun baumlosen Flächen. Regenwaldlandfläche wird hier im Norden verkauft und abgeholzt, die Landwirtschaft ist ein wichtiger Wirtschaftszweig. Diese gerodeten Parzellen zerteilen die Lebensräume von Wildtieren wie dem Jaguar und dem Brüllaffen. «Zerstörte Lebensräume sind die grösste Bedrohung für viele Tierarten. Nicht etwa Fressfeinde oder Wilderei durch den Menschen», sagt Elma Kay. Sie setzt sich seit Jahrzehnten für den Waldschutz in Belize ein. Heute ist sie Direktorin des Belize Maya Forest Trust, einer Organisation, die in den letzten Jahren ein grosses Stück Wald hat erwerben und dadurch schützen können. 

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Inzwischen sind in Belize 40 Prozent der Landfläche staatlich oder privat geschützt. Doch jeder Quadratmeter zählt, für die Artenvielfalt und für den Klimaschutz. Kay ist nicht gegen Landwirtschaft. Doch während früher die Produkte vor allem im Land selbst blieben, werden Rinder und Zuckerrohr für den Export zunehmend wichtiger. «Belize gewinnt aber wenig Wert aus diesen erweiterten Landwirtschaftszweigen. Die Rohstoffe werden unverarbeitet ins Ausland verkauft, die Wertschöpfung passiert dort», sagt sie. «Beim Ökotourismus bleibt der volle Ertrag im Land und kommt den lokalen Gemeinschaften zugute. Und zugleich erhalten wir damit die Natur, statt sie zu zerstören.»

Die Mangroven im Turneffe-Atoll sind die Brücke zwischen Land und Meer.
Wer sich mit dem Boot auf die Wasseradern zwischen den Mangroven begibt, kommt ganz nah an die Natur heran.

«Erwische ich einen beim illegalen Fischen, zeige ich ihn an»

Ein Augenschein im Turneffe-Atoll zeigt, wie das funktioniert. Das Motorboot zischt auf dem offenen Meer durch die Wellen, der Hafen von Belize City wird immer kleiner. Irgendwann sieht man Delfine aus dem Wasser springen. Nach gut einer Stunde Fahrzeit wird das Wasser ruhiger, wir haben das Atoll erreicht. Sanft gleitet das Boot durch die sattgrünen Mangrovenwälder, die die Landschaft formen, so weit das Auge reicht. «Die Mangroven sind die Brücke zwischen Land und Meer. Sie halten hier alles zusammen», erklärt Hubert Gillett. Er ist Naturschutzbeauftragter der Turneffe Atoll Sustainability Association im Meeresschutzgebiet Turneffe-Atoll.

Der Fokus der Organisation liegt auf der Regulierung der Fischerei. Denn: Es darf hier gefischt werden, allerdings nach strengen Nachhaltigkeitskriterien. Gillett, der sonst nie um einen Scherz verlegen ist, wird ernst, wenn er über seine Arbeit als Naturschutzbeauftragter spricht: «Ich habe eine gute Beziehung zu den Fischern. Die allermeisten verstehen, dass die Quoten auch ihnen zugutekommen, weil sie dann auch im kommenden Jahr gute Erträge haben. Aber wenn ich jemanden beim illegalen Fischen erwische, zögere ich nicht, ihn anzuzeigen.» 

Um ihre Arbeit finanzieren zu können, arbeitet die Organisation mit Tauch-Resorts zusammen. Resorts bezahlen mit jedem Gast eine Gebühr, damit diese den Meerespark zum Tauchen nutzen dürfen. Zusätzlich können Gäste die Forschungsstation der Organisation mit dem Mangroven-Erlebnispfad und den Aussichtsturm besuchen. Einmal pro Woche präsentieren Gillett und sein Team ihre Arbeit in den Tauchhotels. Gillett sagt: «Die Gäste schätzen das sehr. Es kommen ja vor allem Menschen zu uns, die am Meer und dem Erhalt seiner Tierwelt interessiert sind – und die dazu beitragen möchten.»

Blaue Stunden: Für Taucher ist Belize ein Paradies.

Viele Umweltorganisationen arbeiten mit Luxusresorts zusammen. Die Logik dahinter macht aus Umweltschutzsicht Sinn, wie Amanda Acosta von der Audubon Society betont: «Wenn der Tourismus den Naturschutz finanzieren soll, dann ist die Devise natürlich: Möglichst wenige Touristen, die möglichst viel Geld dalassen, welches wir in Umweltschutz investieren können. Das sind die Luxustouristen, die geringe Auswirkungen auf die Natur haben, aber einen höheren Wert.» Und in Belize gibt es tatsächlich Resorts, die Nachhaltigkeit leben, indem sie Solaranlagen haben, Wasser aufbereiten und Plastik vermeiden, rund um das Resort grosse Flächen Wald schützen oder Lebensmittel in eigenen, nachhaltigen Farmen anpflanzen. Aber auch, indem sie Naturschutzorganisationen finanziell unterstützen und bei Exkursionen und Aktivitäten für die Gäste mit ihnen zusammenarbeiten. 

Ara-Küken werden ins Ausland geschmuggelt

Wer in Belize Natur erleben möchte, braucht aber nicht zwingend ein grosses Budget. Viele Naturschutzorganisationen und Naturparks unterhalten einfache Unterkünfte für Gäste. Bei der Organisation Friends for Conservation and Development in San Jose Succotz übernachten die Gäste in luftigen Räumen in sattem Türkis. Blumen blühen vor den Fenstern, Vögel zwitschern. Hier kann man herrlich in der Sonne entspannen, lesen, die Gedanken ziehen lassen. Doch wer den eigentlichen Star des Ortes mit eigenen Augen sehen will, muss etwas Einsatz zeigen.

Mit dem Jeep fahren wir einige Minuten auf einer Schotterstrasse in den Chiquibul-Dschungel, dann geht es zu Fuss weiter. Mit zügigem Schritt erklimmt Rafael Manzanero, Geschäftsführer von Friends for Conservation and Development, einen steilen Hügel im dichten Wald und hält immer wieder Ausschau in die Blätterkronen. Wir sind im Gebiet des Königs unter den Vögeln von Belize: des Scharlach-Aras. Dieser grösste Papagei des Landes ist durch Wilderei bedroht. Jäger stehlen die Jungtiere, um sie via Guatemala ins Ausland zu schmuggeln, wo sie als Haustiere gehalten werden. Nur noch 350 Scharlach-Aras leben wild in Belize. 

Manzanero und ein Team von Rangern und Biologen patrouillieren deshalb in dem Gebiet. Mit beschränkten Mitteln ist das in diesem weitläufigen Wald aber ein Tropfen auf den heissen Stein. Effektiver ist es, die Menschen, die hier leben, miteinzubeziehen. Ihnen zu vermitteln, dass die Scharlach-Aras vom Aussterben bedroht sind. Und dass, wenn sie wild lebend im Wald Touristen anziehen, dies den Einheimischen mehr Einkommen bringt als der illegale Schmuggel. Die Bemühungen wirken, die Zahlen steigen. Langsam, aber so, dass Manzanero vorsichtig optimistisch ist. 

Etwa 350 Scharlach-Aras leben derzeit in den belizischen Wäldern. Und es werden langsam mehr.
Der Scharlach-Ara gehört zu den grössten Papageien überhaupt. Er misst vom Kopf bis zur Schwanzspitze schon mal 90 Zentimeter.

Wirklich freudig aufgeregt ist Manzanero aber erst, als die Bäume sich lichten, sich der Blick ins Tal auftut und rote Punkte in der Luft blitzen. Der rasche Griff zum Feldstecher bestätigt: Vier Scharlach-Aras mit ihrem tiefroten Federkleid segeln durch die Luft, lassen sich bei weiteren Paaren in einem Baum nieder, scheuchen sich gegenseitig auf, auf der Suche nach Früchten, im gegenseitigen Machtkampf. Wie sie es seit Jahrhunderten tun, in diesen Wäldern, die so alt scheinen wie die Erde selbst.

Die schönsten Strände von Belize gibt es auf vorgelagerten Inseln.

Die Recherchereise für diesen Artikel wurde von The European Nature Trust unterstützt.