Linke will UntersuchungWar der Bund der Schifffahrts-Lobby hörig?
Exakt jene Steuersätze, welche die Branche sich wünschte, sind in der Vorlage für eine neuartige Reederei-Steuer gelandet. Das hat jetzt ein Nachspiel.
Die Vorlage über eine Sonderbesteuerung für Reedereien könnte in Bundesbern zum Untoten werden: beerdigt, was die Erfolgsaussichten angeht, aber politisch weiterhin präsent. Am Donnerstag wird der Ständerat wohl auf Antrag der vorberatenden Kommission einen weiteren Sargnagel einschlagen.
Die sogenannte Tonnagebesteuerung hätte rund 60 Reedereien im Land erlaubt, ausgewählte Schiffe nicht nach Gewinn, sondern nach Ladekapazität besteuern zu lassen. Auch Rohstoffhändler wie Glencore oder Gunvor, die über eigene Schiffe verfügen, wären vom Gesetz betroffen gewesen.
Manuela Weichelt allerdings will die Vorlage nicht in Frieden ruhen lassen. Die Zuger Grünen-Nationalrätin verlangt, dass die Geschäftsprüfungskommission ihres Rats ihr Zustandekommen genau untersucht. Eine der Aufgaben der Kommission ist es, die Arbeit der Bundesbehörden zu kontrollieren.
Im Antrag für die Sitzung Ende März, der dieser Zeitung vorliegt, kritisiert Weichelt, wie das Gesetz in den Jahren 2020 und 2021 in der Verwaltung vorbereitet worden sei: Unter anderem seien sich die zuständige Steuerverwaltung und die Verbände der Schifffahrtsunternehmen zu nahe gewesen.
Geprüft, aber für gerechtfertigt empfunden
Sie verweist dabei auf eine Berichterstattung der Rechercheplattform «Reflekt» vor einem Monat. Gestützt auf offizielle Unterlagen, berichtete diese damals auch, dass wiederholt keine Aufzeichnungen über Gespräche mit Branchenvertretern angefertigt worden seien.
Die Nähe zur Branche habe darin gegipfelt, so stellte es der «SonntagsBlick» am vergangenen Wochenende dar, dass die Steuerverwaltung die Swiss Shipowners Association nach deren bevorzugten Steuersätzen gefragt und die Antwort eins zu eins in die Gesetzesvorlage überführt habe. Damit hätte sich die Steuerlast der betroffenen Firmen gegenüber dem Szenario ohne Tonnagebesteuerung um etwa die Hälfte reduziert.
Sollte sich der Vorwurf als korrekt erweisen, würde die Behörde das Bild einer willfährigen Gehilfin einer aufgrund ihrer Umweltwirkung hochumstrittenen Branche abgeben. Die Verwaltung bestätigt auf Nachfrage, dass sie die von der Branche vorgeschlagenen Steuersätze übernommen hat.
Allerdings handle es sich bei diesen um den Median jener Sätze, die bereits in der EU unter dem Tonnageregime angewendet würden; im internationalen Vergleich ist der Wert also zumindest nicht tief. Darüber hinaus habe die Verwaltung die Vorschläge des Verbands kritisch geprüft, diese aber für gerechtfertigt befunden. Überhaupt sei es bei der Ausarbeitung eines Gesetzes üblich, sich intensiv mit den betroffenen Branchen auszutauschen.
Weichelt kritisiert in ihrem Antrag weiter, dass sich «die Steuerverwaltung wiederholt weigert, die finanziellen Auswirkungen ihrer eigenen Steuerreform zu schätzen». Tatsächlich ist diesbezüglich trotz jahrelanger Bearbeitung durch Behörden und Parlament noch vieles unklar.
Zwar hat die Steuerverwaltung in einem Bericht von Ende Januar ausgewiesen, dass die Mindereinnahmen in den Jahren 2015 bis 2020 maximal 10 Millionen Franken pro Jahr betragen hätten, wenn es die Tonnagesteuer damals schon gegeben hätte. Das wäre vernachlässigbar.
Allerdings waren das magere Jahre für die Branche. Der Clou an der Tonnagesteuer ist hingegen, dass sie in erfolgreichen Jahren zu einer deutlich geringeren Steuerbelastung führt. Für die Boomjahre 2021 und 2022 lassen sich laut der Steuerverwaltung noch keine genauen Berechnungen anstellen; die Mindereinnahmen wären dann deutlich höher ausgefallen.
Die Schätzungen der Verwaltung mögen also nicht aussagekräftig sein. Ob es sich dabei um Arbeitsverweigerung der Behörde handelt, wie Weichelt sie unterstellt, wäre Teil der Untersuchung.
Die Forderung nach Aufklärung durch die Geschäftsprüfungskommission ist allerdings in einem grösseren Kontext zu sehen: Seit Jahren kritisiert die Linke im Umfeld fast jeder Steuerreform, dass die Berechnungen der Steuerverwaltung nicht gut genug seien. Stimmt die Geschäftsprüfungskommission Weichelts Antrag zu, könnte sie einen Erkenntnisgewinn für künftige, quietschlebendige Vorlagen erzielen.
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