Sechster Tag im Ukraine-KriegPutin plant eine Grossoffensive auf mehrere ukrainische Städte
Vor der Hauptstadt Kiew stehen laut Satellitenbildern mittlerweile Militärfahrzeuge auf einer Strecke von mehr als 60 Kilometern. Kiew und Moskau planen ein weiteres Treffen.
Die russische Armee zog am Dienstag starke Verbände um die Hauptstadt Kiew zusammen, darunter weitreichende Artilleriegeschütze, Panzer und Raketenwerfer. Ein Militärkonvoi reichte mehr als 60 Kilometer Richtung der Grenze zu Weissrussland zurück. Das Verteidigungsministerium in Moskau warnte die Bewohnerinnen und Bewohner Kiews am Dienstag, es würden Ziele in der Stadt angegriffen. Das Ministerium nannte militärische Einrichtungen, forderte aber auch Menschen, die neben Verteilerstationen wohnen, auf, ihre Wohnungen zu verlassen.
In Kiew wurde offenbar ein Fernsehturm durch einen Raketenangriff getroffen. Die Agentur Unian veröffentlichte ein Video, das eine dunkle Rauchwolke direkt neben dem Turm zeigt. Der Turm selbst blieb aber stehen, wie eine Kommentatorin in der Aufnahme sagte. Zwei Raketen sollen an dem Ort eingeschlagen sein. Unian zufolge gab es danach Probleme bei der Fernsehübertragung. Nach ukrainischen Angaben starben mindestens fünf Menschen. In der Millionenstadt wurde am Nachmittag erneut Luftalarm ausgelöst.
Bürgermeister Witali Klitschko bezeichnete die Lage als «bedrohlich». «Der Feind will das Herz unseres Landes erobern. Aber wir werden kämpfen und Kiew nicht aufgeben», schrieb er im Nachrichtenkanal Telegram. Er warnte zugleich vor Panik und Falschinformationen.
Russische Armee soll Streumunition eingesetzt haben
Die Stadt Charkiw im Nordosten des Landes war in der Nacht zuvor schon Ziel heftiger Angriffe geworden, unter anderem mit ungelenkten Grad-Raketen. Dabei sind laut den Behörden mindestens elf Zivilisten getötet und Dutzende verletzt worden, mehr als 80 Wohnhäuser wurden demnach beschädigt. Die ukrainische Botschafterin in den USA sowie die Menschenrechtsorganisationen Amnesty International und Human Rights Watch warfen den russischen Streitkräften vor, grossflächig Streumunition einzusetzen.
Diese für Zivilistinnen und Zivilisten besonders gefährlichen Sprengkörper sind international geächtet, Russland hat die entsprechende Konvention aber nicht unterzeichnet. Der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag will so schnell wie möglich wegen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit in der Ukraine Ermittlungen aufnehmen. Es gebe eine hinreichende Grundlage für Ermittlungen, teilte Chefankläger Karim Khan mit.
Selenski fordert Flugverbotszone
Der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski erklärte, er habe den deutschen Kanzler Olaf Scholz in einem Telefonat darum gebeten, eine Flugverbotszone über der Ukraine zu errichten, um Angriffe aus der Luft auf zivile Ziele zu unterbinden. Dies hatte zuvor die US-Regierung schon abgelehnt, weil zur Durchsetzung westliche Soldaten direkt in die Gefechte eingreifen und russische Kampfjets, Marschflugkörper und Raketen abschiessen müssten. Präsident Joe Biden hat ein direktes militärisches Eingreifen ebenso wie die Nato ausgeschlossen.
Ungeachtet der russischen Drohungen gehen Bemühungen weiter, den Konflikt beizulegen. Am Mittwoch sollen sich laut der russischen Nachrichtenagentur Tass Unterhändler der Ukraine und Russlands zu einer zweiten Gesprächsrunde treffen. Die Ukraine ist laut Aussenminister Dmytro Kuleba bereit, Lösungen zu finden. Aber man werde nicht einfach russischen Ultimaten folgen. Die Nato habe die moralische und politische Pflicht, die militärischen Anstrengungen der Ukraine zu unterstützen. Wenn die Ukraine falle, sei die Nato als Nächstes an der Reihe, erklärte Kuleba.
China rief Russland und die Ukraine auf, eine Lösung des Konflikts durch Verhandlungen zu erreichen. Absolute Priorität sei nun, zu verhindern, dass die Lage eskaliere oder sogar ausser Kontrolle gerate, zitieren Staatsmedien Aussenminister Wang Yi nach einem Telefonat mit Kuleba. China hat zwar betont, dass das Prinzip der territorialen Integrität auch für die Ukraine gelte, nicht aber Russlands Angriffskrieg als solchen verurteilt.
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