Beschwerde bei der PostcomPost hat neues Aufsichtsverfahren am Hals
Eine Aussenwerbefirma will einen Zukauf der Post wieder rückgängig machen. Dies ist bereits das zweite Verfahren, das bei der Postmarkt-Regulierungsbehörde Postcom läuft.
Die Werbefirma Clear Channel Schweiz AG und der Verband Aussenwerbung Schweiz zerren die Post vor die Aufsichtsbehörde. Der Grund dafür ist der Kauf von der Firma Livesystems durch die Post in diesem Jahr. Livesystems betreibt Werbebildschirme im öffentlichen Verkehr und an Tankstellen.
Bereits kurz nach der Bekanntgabe des Kaufs war der Aufschrei in der Branche gross. Denn das sogenannte Aussenwerbegeschäft, in dem Livesystems tätig ist, habe nichts mit dem Leistungsauftrag der Post zu tun, liess sich etwa Markus Ehrle, Präsident von Aussenwerbung Schweiz, auf dem Branchenportal Persönlich.com zitieren. Zudem habe das Geschäft von Livesystems auch nichts mit dem bisher betriebenen Werbegeschäft der Post zu tun.
Die Hauptforderung der Beschwerde, welche dieser Zeitung vorliegt: Der Kauf von Livesystems soll rückgängig gemacht werden und die Post soll sich aus «dem Geschäft der Fremdvermarktung von analogen und digitalen Aussenwerbeangeboten gänzlich zurückziehen».
Es sei «dringend geboten, der Post die rechtsstaatlichen Grenzen ihres Handlungsspielraums aufzuzeigen», heisst es in der Beschwerde.
Bereits bekannt ist, dass mit der Softwarefirma Abacus eine weitere Konkurrenz der Post an die Aufsichtsbehörde gelangt ist. Die Übernahme der Mehrheit an der Firma Klara soll ebenfalls rückgängig gemacht werden, so die Hauptforderung der Beschwerde. Die Übernahme der Aktienmehrheit gab die Post im Oktober 2020 bekannt. Es sei «dringend geboten, der Post die rechtsstaatlichen Grenzen ihres Handlungsspielraums aufzuzeigen», heisst es in der Beschwerde.
Nun liegt also eine weitere Beschwerde vor wegen des Kaufs von Livesystems, sie wurde diese Woche bei der Postcom platziert. Falls die Aufsichtsbehörde auf die Hauptforderung nicht eintritt, fordern die Beschwerdeführer, dass sich Livesystems zum Beispiel nicht an Ausschreibungen der öffentlichen Hand oder ähnlicher Player beteiligen dürfe. Das hätte weitreichende Konsequenzen: Livesystems dürfte dann – ausser in den Postautos – nicht mehr im öffentlichen Verkehr auftreten. Dieses Geschäft ist indes ein wichtiges Standbein der Firma.
Post will wachsen
Die Kritik am Zukauf von Livesystems steht im Zusammenhang mit der neuen Unternehmensstrategie, die Post-Chef Roberto Cirillo dem gelben Riesen verpasst hat. Diese sieht vor, dass die Post über Zukäufe wachsen soll. Allein für die nächsten Monate hat die Post über 20 Firmen im Visier. Der Vorwurf an die Post: Sie übertrete die Grenzen, die ihr das Postgesetz setze.
Die Post dagegen sieht ihre Zukauf-Politik durch die vom Bundesrat vorgegebenen Ziele gedeckt. «Der Bundesrat verpflichtet die Post in seinen strategischen Zielen, die führende Marktstellung in Paket- und Briefpost sicherzustellen und die modernen Kommunikationsbedürfnisse durch die Entwicklung zeitgemässer Angebote abzudecken», liess die Post etwa zum Kauf von Livesystems verlauten.
Die Post will wachsen, um das wegbrechende Geschäft im Briefbereich zu kompensieren, und auch in Zukunft ihr Angebot ohne Subventionen finanzieren zu können. Ebenfalls zu dieser Strategie gehört der Verkauf von Swiss Post Solutions (SPS), den die Post jüngst ankündigte. Statt eines zunächst angedachten Börsengangs hat die Post SPS nun an eine Private-Equity-Firma verkauft. Die Gewerkschaften befürchten schon Schlimmstes für die rund 750 Mitarbeitenden in der Schweiz und fordern Verhandlungen über einen neuen Gesamtarbeitsvertrag.
«Hunter-Strategie» in der Kritik
Nicht nur Unternehmen, die sich von der Post unfair konkurrenziert fühlen, kritisieren die neue Zukauf-Strategie Cirillos. Auch in der Politik regt sich Widerstand. In der soeben zu Ende gegangenen Session des Parlaments gingen zwei Vorstösse zum Thema ein. Eine Interpellation von FDP-Nationalrat Matthias Jauslin will Antworten zur «Hunter-Strategie» der Post, ein Begriff, der an die unheilvolle Zukauf-Strategie der einstigen Swissair anlehnt.
Eine Motion von Mitte-Nationalrat Thomas Rechsteiner geht noch einen Schritt weiter. Der Bundesrat soll die nötigen Gesetzesänderungen vorschlagen, «dass Akquisitionen ausserhalb des Leistungsauftrags der Post dem Bundesrat zur Genehmigung vorgelegt und zuhanden der verantwortlichen Parlamentskommission begründet werden müssen».
Diese Motion könnte ungemütlich werden für die Post. Denn sie ist von Mitte über FDP bis hin zu SVP breit abgestützt. Grundsätzlich ist die Post, seit sie die neue Strategie umsetzt, einer ständigen politischen Kritik ausgesetzt. Erst im September gründete sich eine parlamentarische Gruppe namens «Fair ist anders». Sie will die Konkurrenz von staatsnahen Betrieben für Private eindämmen. Soeben startete eine Onlinepetition gegen die Post.
Noch zeigt man sich bei der Post aber gelassen. Doch die Privaten wollen nicht nur an die Postcom gelangen, sie überlegen sich auch, sich an die Wettbewerbskommission zu wenden. Der vor kurzem abgetretene Post-Verwaltungsrat Urs Schwaller sagte im Interview, dass das normale Verfahren seien. «Ich habe es lieber, wenn man dies so durchführt und dann einen klaren Entscheid hat. Aber wir brauchen eine wachsende Post. Wir wollen die Grundversorgung auch in Zukunft aus eigenen Mitteln stemmen.»
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