Staatsbetrieb steigt in neuen Markt einPost kauft Werbefirma – Branche und Politiker reagieren verärgert
Der gelbe Riese übernimmt ein Werbeunternehmen. Der Konkurrenz passt das gar nicht. Und aus dem Parlament ertönt der Ruf, dass der Bundesrat einschreiten solle.
Sei es im öffentlichen Verkehr oder an Tankstellen: Die Bildschirme von Livesystems sind omnipräsent. Seit dem 1. Juli gehört die Firma der Schweizerischen Post. Nicht mit übernommen wird die Newsplattform Nau.ch, die bisher Livesystems gehörte.
Mit der Übernahme steigt die Schweizerische Post in den Markt mit digitaler Werbung ein. Dagegen gibt es nun Opposition – auch aus der Politik.
«Wo führt das in Zukunft hin, wenn staatliche Betriebe mit staatlichen Garantien staatliche Verträge bewirtschaften und diese bei etwaigen Verlusten mit staatlichen Zuschüssen decken?»
Am lautesten kritisiert die Übernahme Markus Ehrle, Chef der Werbefirma APG. Denn erstens habe das sogenannte Aussenwerbegeschäft nichts mit dem Leistungsauftrag der Post zu tun. Und auch nichts mit dem bisher betriebenen Werbegeschäft der Post, wie Ehrle gegenüber dem Branchenportal Persönlich.com sagte.
Zweitens macht er sich Sorgen, dass Livesystems mit der Post im Rücken stärker werden kann. Denn: «Praktisch alle grossen und wichtigen Aussenwerbekonzessionen in der Schweiz sind im Besitz der öffentlichen Hand.»
Deshalb fragt Ehrle: «Wo führt das in Zukunft hin, wenn staatliche Betriebe mit staatlichen Garantien staatliche Verträge bewirtschaften und diese bei etwaigen Verlusten mit staatlichen Zuschüssen decken?» Da entstehe ein grosses Ungleichgewicht gegenüber den anderen Firmen in der Branche.
Verlegerverband ist «irritiert»
Der Verlegerverband, bei dem auch diese Zeitung Mitglied ist, kritisiert den Einstieg der Post ebenfalls. «Dass die Post mit dem Kauf der Firma Livesystems in das Geschäft mit digitaler Werbung eintritt und ihr Angebot im Werbemarkt massiv ausbaut, irritiert», heisst es in einer Medienmitteilung.
Die Post erbringe so neue Leistungen, die nichts mit ihrem gesetzlichen Leistungsauftrag der postalischen Grundversorgung zu tun hätten.
Unterstützung erhält die Branche aus der Politik. Der Kauf stösst bei FDP-Nationalrat Christian Wasserfallen auf Unverständnis. «Die Post hat dafür nicht den gesetzlichen Auftrag.» Er erwarte, dass das zuständige Departement der Sache nachgehe und dass der Bundesrat interveniere. Zudem werde man dieses Thema in der Kommission besprechen müssen.
Kauf entspreche strategischen Zielen
Die Post beschwichtigt. Livesystems müsse als eigenständiges Unternehmen bestehen. Auf die Kritik, dass die Post ihren gesetzlichen Leistungsauftrag überstrapaziere, sagt eine Sprecherin: «Die Post ist bereits heute ein starker Partner im Versand von physischer Werbung.» Das sei ein wichtiges Standbein und gehöre zum Kerngeschäft. Und: «Die Post will diesen Bereich in die digitale Zukunft führen», deswegen der Kauf von Livesystems.
Zudem: «Der Bundesrat verpflichtet die Post in seinen strategischen Zielen, die führende Marktstellung in Paket- und Briefpost sicherzustellen und die modernen Kommunikationsbedürfnisse durch die Entwicklung zeitgemässer Angebote abzudecken.»
Die Entwicklung im Werbemarkt und damit der Kauf von Livesystems entspreche den strategischen Zielen. Mit dem zuständigen Departement von Simonetta Sommaruga wurde das Geschäft abgesprochen.
«Die Post darf aufgrund ihrer speziellen Stellung keine Marktmacht in diesen Bereichen aufbauen.»
In der Politik sehen offenbar nicht alle den Kauf als problematisch an. Unterstützung erhält die Post von der Grünen-Nationalrätin Marionna Schlatter. Sie sieht im Kauf der Post grundsätzlich keine Probleme. «Die Post ist schon heute im Werbemarkt vertreten. Da macht es Sinn, dies auch im digitalisierten Bereich zu tun.»
Mitte-Nationalrat Philipp Bregy anerkennt, dass die Post sich in diesem Spannungsfeld zwischen Marktwirtschaft und ihrem Grundauftrag befinde. Was nicht gehe: Man könne nicht die Post von den postnahen freien Märkten fernhalten und gleichzeitig die Grundversorgung einfordern. Aber: «Die Post darf aufgrund ihrer speziellen Stellung keine Marktmacht in diesen Bereichen aufbauen.»
Fragezeichen vonseiten des Verlegerverbands gibt es auch punkto der Stellung von Nau. Bisher bespielt die Medienplattform die Bildschirme von Livesystems mit journalistischen Inhalten. Das wird auch in Zukunft der Fall sein, wie die Post ausrichtet.
Der Verlegerverband fordert «volle Transparenz bezüglich der Konditionen der Vereinbarung, da die Post mit dem Angebot journalistischer Leistungen in Kombination mit Werbemöglichkeiten in Konkurrenz mit der Medienbranche tritt», wie es in einer Mitteilung heisst.
Bereits angekündigt hat die Post, dass die Bildschirme für andere Medienhäuser offen seien. Die Post verspricht, dass für alle im Markt die gleichen Bedingungen gelten. Der Verlegerverband fordert dafür eine «angemessene Entschädigung für die Inhalte der Medienhäuser» sowie eine Gleichbehandlung der unterschiedlichen Newsanbieter, um weitere Marktverzerrungen zu verhindern, wie es weiter heisst.
Personell verbunden
Offenbar pressiert es bei Livesystems nicht, eine gewisse Unabhängigkeit zu demonstrieren. Obwohl die Firma am 1. Juli von der Post übernommen worden ist, macht sie noch immer auf ihrer Website darauf aufmerksam, dass sie mit Nau.ch über eine der reichweitenstärksten Medienplattformen der Schweiz verfüge. Zudem wird Werbung für Nau.ch angepriesen.
Fakt ist zudem: Nau und Livesystems werden auch in Zukunft weiterhin eng miteinander verbunden sein. Bei Nau wird auch in Zukunft Yves Kilchenmann im Verwaltungsrat sitzen. Gleichzeitig ist er Teil der Firma Livesystems, die nun Tochtergesellschaft der Post ist.
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