Deepfakes im InternetSo können sich Opfer von Fake-Pornobildern wehren
Die Zahl der mit künstlicher Intelligenz manipulierten Bilder steigt stark an. Oft werden Personen mit pornografischen Fälschungen diskreditiert. Eine Übersicht der Rechte.
- Die Verbreitung von Deepfakes nimmt stark zu. Dabei handelt es sich um mit künstlicher Intelligenz manipulierte Bilder.
- Pornografische Deepfakes dominieren, wobei 90 Prozent der Betroffenen Frauen sind.
- Opfer haben in der Schweiz mehrere Möglichkeiten, rechtlich gegen Verantwortliche vorzugehen.
- In einem ersten Schritt sollten Betroffene die Verantwortlichen schriftlich abmahnen.
Ein prominentes Opfer von Deepfake ist die italienische Ministerpräsidentin Giorgia Meloni. Zwei Männer aus Sardinien setzten das Gesicht der Politikerin mit Videosoftware in Pornofilme ein. Mit heutigen Technologien und künstlicher Intelligenz ist das relativ einfach. Auch Stimmen können imitiert werden. Solche Inhalte wirken authentisch, obwohl sie es nicht sind. Im Fall der Sängerin Taylor Swift sorgten beispielsweise gefälschte Nacktfotos für Aufsehen und mussten von der Plattform X entfernt werden.
Zunehmend kursieren in der Politik Deepfake-Videos, so etwa im US-Wahlkampf von Kamala Harris und Donald Trump. Manche warnen gar vor einer Gefahr für die Demokratie. Von Ron DeSantis, dem ursprünglichen Mitbewerber im Präsidentschaftswahlkampf, gab es etwa ein viel beachtetes Video, in dem er seinen Rückzug ankündigte, bevor er das tatsächlich tat. Vereinzelt werden Deepfakes auch für Betrugsversuche mit Geldforderungen eingesetzt.
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Es gibt bisher nicht viele Studien zu Deepfakes. Doch Untersuchungen geben gewisse Anhaltspunkte. So zum Beispiel, dass pornografische Inhalte dominieren. Das Unternehmen Sensity, das sich mit Cybersicherheit beschäftigt, bezifferte den Anteil von Porno-Deepfakes im Jahr 2019 auf 96 Prozent. Die in der gleichen Branche tätige Security Hero kommt in ihrem «2023 State of Deepfakes» gar auf einen Wert von 98 Prozent bei Videos.
Bemerkenswert ist die Zunahme, die Sensity über die Jahre festgestellt hat: 2118 war von rund 7900 Deepfakes die Rede, ein Jahr später waren es 14’600 und Ende 2020 bereits rund 85’000. Und zu 90 Prozent sind demnach Frauen betroffen. Security Hero nennt ähnliche Zahlen.
Das sollten Betroffene in einem ersten Schritt tun
Häufig sind prominente Personen betroffen. Doch nicht nur. Für die Opfer stellt sich die Frage, wie sie dagegen vorgehen können. Rechtliche Schritte sind nicht immer zielführend, häufig aber nervenaufreibend, zeitintensiv und kostspielig. Deshalb sollten Betroffene die verantwortlichen Personen zuerst einmal schriftlich auffordern, die Bilder innerhalb einer Frist von wenigen Tagen zu entfernen.
Wenn die Urheber nicht bekannt sind oder eine Löschung verweigern, können Betroffene die Betreiber der Websites oder Onlineplattformen anschreiben. Das ist per E-Mail oder über Kontaktformulare möglich, die manche Plattformen aufgeschaltet haben.
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Grosse Techkonzerne wie Google oder Meta reagieren manchmal nicht auf eine Intervention von Privatpersonen. Dann kann es helfen, wenn man einen Anwalt damit beauftragt, bei der zuständigen Rechtsabteilung eine Abmahnung einzureichen.
Rechtliche Möglichkeiten in der Schweiz
In der Schweiz sieht sowohl das Zivilrecht als auch das Strafrecht Möglichkeiten vor, um gegen Deepfakes vorzugehen. Vorab biete das Zivilrecht griffige Ansätze, um gegen unliebsame Bilder zu intervenieren, sagt Martin Wyss, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Strafrecht von Professorin Brigitte Tag an der Universität Zürich. Er hat kürzlich gemeinsam mit ihr in der juristischen Fachzeitschrift «Jusletter» eine «strafrechtliche Einordnung von pornografischen Deepfakes» publiziert.
«Ein Zivilgericht kann schon vor einem Verfahren eine Publikation vorläufig verbieten oder eine einstweilige Entfernung von Inhalten anordnen», erläutert Wyss. Damit es dazu kommt, müssen Betroffene unter anderem aufzeigen, dass ihre Klage wahrscheinlich erfolgreich sein wird und dass ihnen ein Nachteil droht.
Daneben tangieren Deepfakes rasch einmal das Strafrecht. Welche Aspekte dabei unter anderem eine Rolle spielen können, zeigt die folgende Übersicht:
Ehrverletzung: Ob jemand durch Deepfakes in seiner Ehre verletzt wird, ist immer im Einzelfall zu beurteilen. Wird ein Gesicht auf einem nackten Körper eingesetzt, ist die Ehre nach Einschätzung von Martin Wyss noch nicht zwingend verletzt. Wenn jedoch eine Person beim Geschlechtsverkehr gezeigt wird, häufig schon. «Insbesondere, wenn dadurch der Eindruck entsteht, dass die Zielperson in Pornofilmen mitwirkt oder in der Prostitution tätig ist», sagt Wyss.
Pornografie: Die Täterschaft verschickt zum Beispiel via Whatsapp manchmal Deepfakes an andere Personen. Das unaufgeforderte Zusenden von Pornografie kann jedoch strafbar sein. Hier stellt sich die Frage, ob tatsächlich Pornografie vorliegt. Laut Wyss gelten rechtlich folgende Kriterien: Menschen werden zum blossen Sexualobjekt degradiert, die Bilder wollen sexuelle Erregung herbeiführen und sind typischerweise auf Genitalien fokussiert. Hinzu kommt die harte Pornografie. Dazu zählt beispielsweise, wenn das Gesicht eines Kindes in einem Pornofilm verwendet wird und dadurch der Eindruck entsteht, dass die Personen minderjährig sind.
Rachepornografie: Dabei geht es üblicherweise um Bilder, die einvernehmlich entstanden und zugeschickt worden sind. Wenn eine Beziehung zu Ende ist, verbreiten manchmal frustrierte Personen solche Bilder, um jemandem zu schaden. Der Straftatbestand ist erst Anfang Juli 2024 in Kraft getreten. Nach Einschätzung von Martin Wyss könnten auch Deepfakes unter diesen Straftatbestand fallen.
Anschlussdelikte: Bei Deepfakes kann es zu Anschlussdelikten kommen. Ein typisches Beispiel wäre Nötigung: Der verlassene Partner verlangt von seiner Ex-Freundin, dass sie zu ihm zurückkehrt. Sonst droht er, ein manipuliertes Video an ihren Freundeskreis zu verschicken.
Es ist eine Reihe weiterer Delikte denkbar, die hier nicht abschliessend aufgezählt werden können. So etwa, wenn eine fremde Identität verwendet wird, um sich unrechtmässige Vorteile zu verschaffen oder jemandem zu schaden. Auch eine Beeinflussung von Wertschriftenkursen durch irreführende Informationen lässt sich nicht ausschliessen. Die grosse Bandbreite an Delikten widerspiegelt sich auch in den Strafen: Von Bussen bis hin zu mehrjährigen Freiheitsstrafen ist alles möglich.
Doch Achtung: Längst nicht jedes Deepfake ist rechtlich problematisch. So ist aufgrund der Meinungsäusserungsfreiheit vieles erlaubt. «Bis zu einem gewissen Grad können auch falsche oder irreführende Äusserungen durch Grundrechte geschützt sein, gerade wenn sie künstlerischen Inhalts sind», erläutert Wyss. So beispielsweise bei einer Satire.
Auf zivilrechtlichem Weg können Betroffene Schadenersatz fordern. Doch dafür sind die Hürden ziemlich hoch. Denn es ist schwierig, einen Reputationsschaden in Zahlen zu beziffern. Zudem ist es nicht einfach, den kausalen Zusammenhang zwischen dem Schaden und einem Deepfake rechtlich zu beweisen. Weiter können Betroffene eine finanzielle Genugtuung verlangen. «Aber hier kennt die Schweiz eine restriktive Gerichtspraxis», sagt Wyss.
Das Recht im Ausland durchzusetzen, ist schwierig
Da das Internet vor Landesgrenzen nicht haltmacht, kann es für Betroffene komplizierter werden. So können sich die verantwortlichen Personen im Ausland befinden. Grenzüberschreitende Verfahren sind schwierig, da sie unter anderem von internationalen Abkommen und Rechtshilfeverfahren abhängen.
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