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Tödliche Fahrt in Berlin
Auto fährt in Schülergruppe – Senatorin spricht von «Amoktat»

In Berlin ist ein Auto in eine Gruppe von Schülerinnen und Schülern gefahren. Im Schaufenster eines Geschäfts kam es zum Stillstand. (8. Juni 2022)
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Ein Autofahrer hat in der Nähe der Berliner Gedächtniskirche eine Menschengruppe erfasst und eine Lehrerin aus dem Bundesland Hessen in den Tod gerissen. Unter den vielen Verletzten waren zahlreiche Schülerinnen und Schüler einer zehnten Klasse aus Bad Arolsen. Ein Lehrer wurde nach derzeitigem Stand schwer verletzt. Das teilte die hessische Landesregierung am Mittwochnachmittag mit.

Am Abend meldete die Polizei, dass neben der getöteten Lehrerin 14 Menschen verletzt worden seien. Bei den Verletzten handele es sich ausschliesslich um Menschen aus der Schülergruppe, mit der die Lehrerin aus Hessen in Berlin unterwegs gewesen war, sagte eine Polizeisprecherin der Deutschen Presse-Agentur (dpa). Fünf oder sechs Menschen davon seien lebensbedrohlich verletzt worden, drei weitere schwer verletzt. Wegen der dynamischen Lage schwankten die Angaben noch, hiess es.

Nach Angaben des Bürgermeisters von Bad Arolsen hatte die Klasse gerade erst ihre letzten Prüfungen geschrieben und war auf Abschlussfahrt in Berlin.

Die Hintergründe der Tat sind noch nicht ganz klar, die Trauer und Anteilnahme aus ganz Deutschland enorm. Nach DPA-Informationen aus Polizeikreisen soll der Verdächtige psychisch auffällig sein. Berlins Innensenatorin Iris Spranger hat die Todesfahrt  als «Amoktat» bezeichnet. «Nach neuesten Informationen stellt sich das heutige Geschehen in der Tauentzienstrasse als eine Amoktat eines psychisch beeinträchtigten Menschen dar», erklärte Spranger am Abend im Onlinedienst Twitter. 

Fahrer hatte Plakate dabei

In dem Wagen, den ein 29 Jahre alter, in Berlin lebender Deutsch-Armenier fuhr, wurden neben Schriftstücken auch Plakate mit Aufschriften gefunden worden. «Ein richtiges Bekennerschreiben gibt es nicht», sagte  Spranger. Auch Berlins Bürgermeisterin Franziska Giffey bekräftigte, dass in dem Wagen kein Bekennerschreiben gefunden wurde. «Es gibt entgegen der Aussagen, die zwischendurch mal kamen, kein Bekennerschreiben», sagte die Politikerin am Mittwochabend im ZDF-»heute journal». 

Es seien auf der Rückbank des Wagens lediglich zwei Plakate gefunden worden. Es sei noch nicht geklärt, ob diese im Zusammenhang mit dem Vorfall stünden, wem sie gehörten und ob dahinter eine politische Aussage stehe. «Wir haben in den ersten Vernehmungen da auch noch keine klaren Aussagen bekommen.» Zuvor hatte es aus Polizeikreisen geheissen, es sei ein Bekennerschreiben in dem Auto gefunden worden. Spranger sprach von «Plakaten», auf denen Äusserungen zur Türkei stehen würden. Die genaue Motivation des Fahrers müsse untersucht werden, die Äusserungen würden genau geprüft.

Polizeipräsidentin Barbara Slowik sprach von einem «Tatverdächtigen», der sich nun im Spital befinde. Im Moment gebe es keine einschlägigen Erkenntnisse zu einer politischen Motivation. Von einem zufälligen Unfall war in den Stellungnahmen nicht die Rede. Die Schülerschaft aus Hessen würde psychologisch betreut, sagte Spranger. 

Eine Person starb, mindestens 14 Menschen wurden zum Teil schwer verletzt.

Am Abend betonte die Präsidentin der Hauptstadt-Polizei die Offenheit der Ermittlungen. Man ermittele wirklich in alle Richtungen, sagte Slowik am Mittwochabend im TV-Sender RBB. Psychische Beeinträchtigungen des 29 Jahre alten Fahrers seien zwar nicht auszuschliessen, aber alle anderen Hintergründe ebenso wenig. Die Polizei schliesse im Moment «gar nichts» aus.

Die Ermittlungen würden von einer Mordkommission geführt, sagte Slowik. «Hinweise auf eine politische Tat haben wir derzeit so nicht, dass wir jetzt den Staatsschutz sozusagen die Ermittlungen übernehmen lassen würden.» Die Polizei werde etwa das Auto des Fahrers noch kriminaltechnisch untersuchen.

Passanten hielten Fahrer fest

Eine genaue Gesamtzahl der Opfer des Vorfalls am Ku’damm und der Tauentzienstrasse war zunächst nicht bekannt. Die Polizei richtete eine Telefonhotline für Angehörige ein, vor Ort waren auch Seelsorgerinnen und Seelsorger im Einsatz.

Der Fahrer des Wagens war vorläufig festgenommen worden. Er sei zunächst von Passanten festgehalten worden, sagte Polizeisprecher Thilo Cablitz. Der Fahrer war nach dpa-Informationen mit einem Auto unterwegs, das seiner älteren Schwester gehört. Er soll der Polizei bereits wegen mehrerer Delikte bekannt gewesen sein, allerdings nicht in Zusammenhang mit Extremismus.

Der Fahrer soll seinen Renault Clio mehrfach aufs Trottoir gelenkt haben. Einsatzkräfte im Einsatz im Zentrum Berlins.

Der Vorfall am Mittwoch spielte sich nach bisherigem Stand so ab: Der Mann fuhr den Renault-Kleinwagen am späten Vormittag an der Strassenecke Ku’damm und Rankestrasse auf den Bürgersteig des Ku’damms und in die Menschengruppe. Dann fuhr er auf die Kreuzung und knapp 200 Meter weiter auf der Tauentzienstrasse Richtung Osten. Kurz vor der Ecke Marburger Strasse lenkte er den Wagen erneut von der Strasse auf den Bürgersteig, touchierte ein anderes Auto, überquerte die Marburger Strasse und landete im Schaufenster eines Parfümerie-Geschäfts.

Bestürzung im ganzen Land

Die deutsche Regierung, Innenministerin Nancy Faeser und Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier zeigten sich bestürzt über das Geschehene. «Meine Gedanken sind bei den schwer und sehr schwer Verletzten, bei dem Todesopfer», erklärte Steinmeier. «Und sie sind bei denen, die Schreckliches erleben mussten. Mein tiefes Mitgefühl gilt ihnen, allen Angehörigen und Hinterbliebenen.» Berlins Bürgermeisterin Franziska Giffey sagte den Betroffenen Unterstützung zu.  «Die grausame Amoktat an der Tauentzienstrasse macht mich tief betroffen», schrieb der deutsche Kanzler Olaf Scholz am Mittwochabend bei Twitter. «Die Reise einer hessischen Schulklasse nach Berlin endet im Alptraum. Wir denken an die Angehörigen der Toten und an die Verletzten, darunter viele Kinder. Ihnen allen wünsche ich eine schnelle Genesung.»

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Am Mittwochvormittag war die Polizei nach eigenen Angaben mit zirka 130 Kräften im Einsatz, mit einem Helikopter verschafften sich die Beamten einen Überblick aus der Luft. Die Feuerwehr war mit 100 Kräften vor Ort. Das Areal war grossflächig abgesperrt. 

Hessens Kulturminister Alexander Lorz sagte: «Wir haben umgehend Notfallbetreuungsteams nach Bad Arolsen geschickt, um den Angehörigen, Mitschülerinnen und Mitschülern sowie den Lehrkräften beizustehen.» Ein Team aus der Schule sei auf dem Weg nach Berlin, um den Jugendlichen vor Ort sowie ihren Eltern zur Seite zu stehen.

Erinnerungen an 2016

Der Unfallort befindet sich unweit der Gedächtniskirche am Breitscheidplatz in Berlin-Charlottenburg. Dort war im Dezember 2016 ein islamistischer Attentäter in einen Weihnachtsmarkt gefahren. Dabei und an den Spätfolgen starben insgesamt 13 Menschen, mehr als 70 wurden verletzt.

Die Gegend, in der sich der tödliche Vorfall am Mittwoch ereignete, ist wegen der vielen Geschäfte, Cafés und Sehenswürdigkeiten oft sehr belebt. Sie ist ein Anziehungspunkt für Touristen aus dem In- und Ausland.

Der Fall weckte in Berlin auch Erinnerung an eine Amokfahrt auf der Stadtautobahn A100 im August 2020, als ein Autofahrer gezielt drei Motorradfahrer rammte. Er wurde vom Gericht in die Psychiatrie eingewiesen.

«Es klafft noch immer eine Wunde im Herzen dieser Stadt», sagte Cablitz. Die Polizei forderte Menschen bei Twitter auf, keine Bilder vom Ort des Geschehens zu posten. Stattdessen bittet sie um Hinweise. «Es ist eine Situation, wo man denkt: Um Gottes willen, nicht schon wieder!», erklärte  Giffey. «Ob das jetzt ein Zufall war, der Ort, ob das ein bewusst gewählter Ort war, das wissen wir alles noch nicht.»

Wohnung des Fahrers durchsucht

Nach dem tödlichen Vorfall mitten in der deutschen Hauptstadt hat die Polizei mit Unterstützung eines Spezialeinsatzkommandos die Wohnung des Fahrers durchsucht. Den Einsatz im Stadtteil Charlottenburg, über den zuvor die «Bild»-Zeitung berichtet hatte, bestätigte eine Polizeisprecherin der Deutschen Presse-Agentur.

Zudem habe die Polizei Kontakt zur Schwester des Fahrers gehabt, hiess es. Weitere Einzelheiten gab es zunächst nicht.

SDA/AFP/red