Kolumne «Schweizer Herzfrequenzen»Wie empfänglich sind Sie für Populismus?
Rund ein Viertel der Bevölkerung glaubt nicht, dass der Bundesrat sich dafür einsetzt, das Leben der Menschen im Land zu verbessern.

Ein Gespenst geht um in Europa. Das Gespenst des Populismus. Selbst eilig errichtete Brandmauern können es nicht aufhalten: Populistinnen und Populisten sind in den letzten Jahren wie Pilze aus dem Boden geschossen. Aktuell prominente Beispiele sind Geert Wilders, Viktor Orban, Marine Le Pen, Giorgia Meloni oder auch Sahra Wagenknecht. Und fernab in Amerika räumt ein gewisser Donald Trump beim Super Tuesday ab, um sich für die kommenden Präsidentschaftswahlen in Stellung zu bringen.
Sie alle profitieren von der Gunst derer, die per Stimmzettel ihre Sympathie für den praktizierten Populismus bekunden. Wie ist es eigentlich bei Ihnen? Sind auch Sie dafür empfänglich? Und wie viele Menschen teilen hierzulande überhaupt diese politische Grundhaltung?
Anti-elitär und volkszentriert
Unter Populismus wird im Alltag zumeist die Anbiederung an populäre politische Positionen verstanden, also ein Politikstil, der die Wünsche der Massen zur Richtschnur politischen Handelns macht. Allerdings geht es den Wortführerinnen und Wortführern des Populismus in ihrer Rebellion gegen das Establishment weniger um möglichst breite Zustimmung. Sich selbst als Underdogs deklarierend, haben sie allein das Wohl und Weh ihrer unterdrückten Anhängerschaft im Blick und geben vor, den wahren Volkswillen zu erspüren und zu vertreten. Nicht selten erwecken sie dabei auch den Anschein, nicht anders zu können oder im Auftrag zu handeln.
Im Kern sehen sich Populistinnen und Populisten auf der Seite der rechtschaffenen und hart arbeitenden kleinen Leute im Kampf gegen eine korrupte und abgehobene Elite. Neben dieser anti-elitären und volkszentrierten Grundhaltung gehört noch ein ausgeprägtes manichäisches Freund-Feind-Denken zur Grundausstattung des populistischen Überlebenskits. Während Rechtsausleger diese politischen Haltungen um die Forderung nach einer ethnisch geschlossenen Einheit erweitern, prangern Linkspopulisten zusätzlich die Verflechtung von Politik und Kapital an.
Eigenen Umfragen zufolge würden sich hierzulande rund 40 Prozent lieber von einer normalen Bürgerin oder einem normalen Bürger als von Berufspolitikerinnen und -politikern vertreten lassen. Fast 60 Prozent legen Letzteren zudem nahe, mehr Zeit mit Ersteren zu verbringen. Dazu glaubt rund ein Viertel nicht, dass der Bundesrat seine Macht dafür einsetzt, das Leben der Hiesigen zu verbessern. Und immerhin jede und jeder Zehnte hält politisch Andersdenkende für schlecht und böse. Derartige populistische Attitüden sind beileibe kein Alleinstellungsmerkmal der Schweiz. Sie sind beispielsweise in Deutschland, Frankreich, Italien, Grossbritannien oder auch in Spanien bisweilen noch viel stärker verbreitet.
Innerhalb der Schweiz sind populistische Haltungen in der Deutschschweiz weniger wahrscheinlich als in den übrigen Landesteilen. Elitenkritisch, volkszentriert und schwarz-weiss denkend sind dabei eher diejenigen, die sich für wenig verträglich halten, über ein geringes Einkommen verfügen und mit den Veränderungen um sie herum nicht Schritt halten können.
Wenn Sie selbst der Meinung sind, dass Politikerinnen und Politiker sich immer und überall dem Willen des Volkes zu beugen haben, dass die Interessen der politischen Klasse generell das Wohl des Volkes gefährden, und wenn Sie darüber hinaus den politischen Kompromiss als Verrat an den eigenen Prinzipien brandmarken, dann schlägt Ihr populistisches Herz laut, vernehmlich und schnell. Sie können es dann wohl auch kaum erwarten, den linken oder rechten Mentalitätsvarianten dieser Ideen Ihre Aufwartung zu machen.
Markus Freitag ist ordentlicher Professor für Politikwissenschaft an der Universität Bern. Er präsentiert jeden zweiten Freitag Gedanken, Daten und Fakten zu Schweizer Befindlichkeiten.
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