Pläne für die ZukunftWie die Ukraine wieder aufgebaut werden könnte
In Warschau wird schon über die Zeit nach dem Krieg gesprochen, auf einer Messe verhandeln Unternehmen, ukrainische Städte, Investoren und Ingenieure. Die Frage ist nur: Wann ist es so weit?
Oleksandr Markuschin steht auf einer Bühne auf einem Messegelände im Westen Warschaus und erzählt, wie das Lyzeum Nummer 3 wiederaufgebaut wird. Dass 85 Prozent der Einwohner nach Irpin zurückgekehrt sind.
In der kleinen Stadt nordwestlich von Kiew sollte im Februar und März 2022 der Vormarsch der Russen auf die Hauptstadt gestoppt werden. Nicht einmal 50’000 Einwohner lebten in dem Ort, der einst als Erholungsort gegründet wurde, der sechs Parks hatte, Velowege am Fluss Irpin entlang, Kliniken, Schulen, moderne Wohnsiedlungen. Zu 70 Prozent zerstörten die Russen die Stadt.
Irpin wurde zu einem Symbol für die Verbrechen der russischen Truppen. Die Soldaten hatten willkürlich Einwohner gefoltert, vergewaltigt, erschossen, Leichen geschändet. Und nun steht der Bürgermeister in dieser nahezu überfüllten Messehalle in der polnischen Hauptstadt und berichtet, wie mit einem eigens gegründeten Fonds die Stadt wiederaufgebaut wird – weiteres Engagement sehr erwünscht.
Viele Aussteller sind zum zweiten Mal da
Dazu ist diese Messe da. Bereits zum zweiten Mal findet in Warschau die Rebuild Ukraine statt, organisiert vom Kiewer Unternehmen Premier Expo. Die erste Ausgabe gab es im Februar, für viele Aussteller scheint es sich gelohnt zu haben, sie sind bereits zum zweiten Mal da. Darunter so unterschiedliche Akteure wie die Wirtschaftsförderung Sachsen, das Baskenland oder ein tschechischer Vermessungsdienstleister. Im kommenden Juni soll es wieder eine Rebuild geben, dann mit dem Schwerpunkt Medizintechnik und Gesundheitsversorgung.
Garth Schultz aus Oxford in Michigan, nördlich von Detroit, ist zum ersten Mal auf der Messe. Aber in der Ukraine war er schon. Mit seiner Firma Powerpanel hat er dort einige mobile Solarzellen zur Stromgewinnung und Speicher für die Sonnenenergie installiert – als Hilfsleistung. Nun sucht er auf der Messe in Warschau Partner, um etwa gemeinsame Projekte im Wohnungsbau anzugehen. «Es ist besser, mit Firmen aus der Ukraine oder der EU zusammenzuarbeiten», sagt er. Gemeinsam sei es einfacher, sich in Vorschriften zurechtzufinden, Baukredite zu erhalten oder Logistikfragen zu lösen.
Für solche Partnerschaften vor allem mit polnischen Firmen wirbt auch Lars Gutheil, er leitet die Deutsch-Polnische Industrie- und Handelskammer in Warschau. Es gehe schliesslich um wirklich grosse Aufträge, um die sich Firmen gemeinsam bei europaweiten Ausschreibungen bewerben sollten: «Warum soll nicht auch mal ein deutscher Mittelständler als Zulieferer für eine grosse polnische Baufirma arbeiten?» Deutschland ist grossflächig vertreten, es sind die ersten Stände, in die man in der Hauptausstellungshalle hinter dem Eingang direkt hineinläuft. Darunter auch die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KFW) mit ihrem Partner DEG (Deutsche Investitions- und Entwicklungsgesellschaft), die über die Finanzierung von Grossprojekten informiert.
Ein «Geräusch der Hoffnung» in der Halle
Auch politisch erfährt die Rebuild Ukraine einige Aufmerksamkeit. Kleinere Länder wie Dänemark, Schweden oder Finnland haben die Minister für Energie oder Entwicklungszusammenarbeit geschickt, aus Grossbritannien ist ein Regierungsvertreter für Aussenhandel angereist, aus der Ukraine ist Energieminister Herman Haluschtschenko anwesend, aus Deutschland Staatssekretärin Christine Toetzke vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. «Lauschen Sie einmal kurz diesem Summen in der Halle», sagt der dänische Energieminister Lars Aagaard Møller. Dieses Summen der Betriebsamkeit, das sei auch ein «Geräusch der Hoffnung».
Unternehmen aus 28 Ländern stellen aus, die Niederländer werben mit klimafreundlicher Agrartechnik, die Rumänen mit Stahlbauteilen und Elektroverkabelung, Kanada hat einen Länderpavillon und will die Ukraine mit seinem Know-how bei der Erzeugung von erneuerbaren Energien unterstützen. Hier sehen viele einen Markt, auch die Schweden. Die Ukraine, sagt der schwedische Entwicklungsminister Johan Forssell, soll ja nicht nur wiederaufgebaut werden, sondern das Land soll «grüner, moderner, resilienter» werden. Gerade, was die Energie angeht.
Der ukrainische Energieminister Haluschtschenko erklärt, sein Land werde dereinst wieder Europa mit Strom versorgen können, es werde viel mehr produzieren können, als es selbst brauche. Nur die Vertreter aus Finnland und Schweden giessen etwas Wasser in den Wein und mahnen, die Ukraine müsse aber auch die Korruption bekämpfen und einen stabilen Rechtsstaat aufbauen.
Bevor neu gebaut werden kann, müssen erst mal die Ruinen abgeräumt werden.
Die Messe füllt drei Hallen, das Gedränge ist gross, kaum dass man sich mal irgendwo für einen Moment hinsetzen kann. Einen Teil belegen die ukrainischen Kommunen, die sich auf einer der Bühnen in einer Art Speeddating vorgestellt haben und an ihren Ständen Informationshefte auslegen, die man auf den ersten Blick für Tourismusbroschüren halten könnte. Stattdessen zeigen sie Bilder der Zerstörung neben farbigen Skizzen einer besseren Zukunft.
Bachmut wirbt mit seinen natürlichen Vorkommen von Lehm, Sandstein, Gips, seiner Baustoffproduktion und Metallindustrie. Sjewjerodonezk hat einen 550’000-Dollar-Auftrag für das Recycling von Baustoffen zu vergeben – bevor neu gebaut werden kann, müssen erst mal die Ruinen abgeräumt werden.
Der ukrainische Energieminister hatte bei der Eröffnung der Messe gesagt: «Bereiten wir uns alle gut vor, sodass Sie Ihre Projekte am ersten Tag nach dem Krieg beginnen können.» Hier bei den Kommunen wird deutlich: Der Wiederaufbau läuft permanent. Wie in Irpin. Iryna Jarmolenko betreut hier den Stand, gerade hat sie Kontakte zu einer britischen Wohnungsbaufirma geknüpft. «Wir haben Binnenflüchtlinge in der Stadt», sagt sie. Viele Menschen seien zurückgekehrt, die Kinder müssten zur Schule. «Wir können nicht warten, bis der Krieg zu Ende ist», sagt die junge Frau. «Wir müssen schon jetzt aufbauen.»
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