Hormonelle VerhütungImmer weniger Frauen nehmen die Pille
Die Angst vor Nebenwirkungen rückt alternative Methoden in den Fokus. Zwei grosse Studien haben nun untersucht, wie sicher die hormonelle Verhütung wirklich ist.

- Nur noch 16 Prozent der Frauen nehmen die Pille zur Verhütung.
- Neue Studien beleuchten Risiken hormoneller Verhütung wie Thrombosen und Schlaganfälle.
- Pillen der dritten und der vierten Generation haben die meisten Nebenwirkungen.
- Hormonspiralen sind beliebt und erhöhen nicht das Thromboserisiko.
Einst feierten Frauen die Pille als bahnbrechende Erfindung, doch die hormonelle Verhütung hat in den letzten Jahren an Beliebtheit verloren. Die Nebenwirkungen sind heute stärker im Gespräch. Zwei grosse neue Studien befassen sich mit den Risiken der hormonhaltigen Verhütungsmittel. Für einige neuere Präparate gibt es dabei erstmals ausführliche, langjährige Daten.
Thema der Studien sind nicht nur die Pillen, die in verschiedenen Wirkstoffkombinationen auf dem Markt sind, sondern auch andere hormonhaltige Anwendungen wie die Hormonspirale, der Vaginalring, die 3-Monats-Spritze oder das Implantat.
Beide Untersuchungen stammen vom selben dänischen Team, da Dänemark aufgrund seines Gesundheitsregisters über eine umfassende Datenbasis verfügt. Zwei Millionen Frauen nahmen an den Studien teil, die Daten stammen aus einem Zeitraum von 15 Jahren.
In der ersten Studie hat das Team untersucht, wie häufig es zu Venenthrombosen kommt. Dies ist eine bekannte Nebenwirkung. 2008 sorgte in der Schweiz der Fall von Céline für Schlagzeilen. Die damals 16-Jährige verhütete mit der Pille Yasmin und trug nach einer Thrombose schwere Schäden davon.
Nicht alle Pillen haben das gleiche Risiko
Allgemein weniger bekannt ist, dass die Pillen in sehr seltenen Fällen auch arterielle Komplikationen verursachen können, und das Risiko für Schlaganfälle und Herzinfarkte steigt. Das wurde in der zweiten Studie erstmals in grösserem Mass untersucht.
Pille ist dabei nicht gleich Pille, was sich auch in den Auswertungen zeigt. Entweder werden die weiblichen Hormone Östrogene und Gestagene (Gelbkörperhormone) in den Pillen kombiniert, oder die Pillen enthalten nur Gestagene. Es gibt verschiedene synthetisch hergestellte Hormone, die nicht alle die gleichen Risikoprofile haben.
Forschende teilen die Pillen nach Generationen ein. Die erste Generation aus den 1960er-Jahren wird heute nicht mehr verschrieben. Die Pillen waren damals viel höher dosiert und enthielten nur Östrogen. Doch neuer bedeutet bei den Pillen nicht automatisch risikoärmer. Die Pillen der zweiten Generation gelten heute als am risikoärmsten. Sie enthalten Östrogen und als Gestagen-Komponente meist Levonorgestrel und wurden in den 1970er-Jahren entwickelt.
Drospirenon führt häufiger zu Venenthrombosen als Levonorgestrel
«Die Pillen mit dem Gestagen Levonorgestrel verschreiben wir am häufigsten», sagt Angela Niggli, Oberärztin an der Klinik für Reproduktionsendokrinologie des Universitätsspitals Zürich. In der Schweiz gibt es mehrere Produkte mit der Wirkstoffkombination Östrogen und Levonorgestrel. Wer unsicher ist, findet die Angaben auf dem Beipackzettel.
Ab den 1990er-Jahren kamen die Pillen der dritten und der vierten Generation auf den Markt. Bei ihnen heisst eine mögliche Gestagen-Komponente Drospirenon. Doch heute weiss man, dass Drospirenon häufiger zu Venenthrombosen führen kann als Levonorgestrel. Die Pille Yasmin enthält beispielsweise Drospirenon.
Dieses Wissen bestätigt auch die neue Studie. Sie berücksichtigt Frauen im Alter zwischen 15 und 49 Jahren. In dieser Altersgruppe erleiden ohne hormonelle Verhütung von 10’000 Frauen im Lauf eines Jahres zwei Frauen eine Thrombose.
Von den kombinierten Pillen schneidet die Pille der zweiten Generation mit Östrogen und Levonorgestrel am besten ab, bei 10’000 Frauen kommt es hier mit Pille im Lauf eines Jahres zu 7,6 Thrombosefällen. Bei anderen, neueren Pillen sind es 10 Fälle und sogar knapp 12 für die 3-Monats-Spritze. Bei Vaginalringen und Hormonpflastern sind es um die acht Fälle. Reine Gestagen-Pillen haben ein tieferes Risiko.
Die Pille verliert an Beliebtheit
Von allen hormonhaltigen Verhütungsmitteln kommt die Hormonspirale in der Studie am besten weg. Sie wird in die Gebärmutter eingeführt und gibt nur lokal Wirkstoffe ab. Das Thromboserisiko ist laut den Daten nicht erhöht.
Erstmals wurden auch für neuere Präparate wie reine Progesteron-Injektionen oder den Vaginalringen grössere Datenmengen erhoben. Trotzdem sind diese Auswertungen noch nicht so verlässlich wie die Daten zu den Pillen, weil weniger Frauen auf diese neueren Methoden setzen.
Die zweite Studie untersuchte die arteriellen Komplikationen. «Das wurde bisher weniger in grossen Studien untersucht, da die Fallzahlen nochmals deutlich geringer sind als bei den Thrombosen», sagt Niggli. Und es sei ein Verdienst dieser Studie, das nun erstmals in grösserem Masse zu überprüfen.
Dabei zeigte sich, dass die kombinierten Östrogen-Gestagen-Pillen das – in dieser Altersgruppe grundsätzlich sehr tiefe Risiko – für Schlaganfälle verdoppelten. Bei 4760 Frauen, die während eines Jahres die Pille nahmen, kam es zu einem zusätzlichen Schlaganfall. Bei den Herzinfarkten war das Risiko noch kleiner. Bei 10’000 Frauen, die die Pille nahmen, kam es zu einem zusätzlichen Herzinfarkt.
«Viele junge Frauen sagen, dass sie ihren Zyklus spüren»
«Bei der Wahl eines hormonellen Verhütungsmittels ist es sehr wichtig, auf Risikofaktoren zu achten», sagt Niggli. Zu den Risikofaktoren gehören Übergewicht, Rauchen, schwere Migräne oder Thrombosen in der Vorgeschichte. Auch bei Frauen ab 35 Jahren raten Ärztinnen in der Schweiz manchmal, auf ein anderes Verhütungsmittel umzusteigen.

In der Altersgruppe zwischen 15 und 45 Jahren hat die Pille laut der Gesundheitsbefragung Obsan aus dem Jahr 2022 weiter an Beliebtheit eingebüsst. Nur noch knapp 16 Prozent der Frauen verhüten mit der Pille, am beliebtesten sind Kondome mit 36 Prozent. Kondome haben als einziges Verhütungsmittel ausserdem den Vorteil, dass sie auch vor Krankheiten schützen, die beim Geschlechtsverkehr übertragen werden können.
«Viele junge Frauen sagen heute in den Beratungsgesprächen, dass sie ihren Zyklus spüren und deshalb keine Pille einnehmen möchten», sagt Niggli. Oder sie hätten von Kolleginnen gehört, die schlechte Erfahrungen mit Nebenwirkungen gemacht hätten. Obwohl die Pille noch immer als eines der zuverlässigsten Verhütungsmittel gilt, hat die Schweiz trotzdem eine sehr tiefe Rate an Teenager-Schwangerschaften. Die Notfallpille oder «Pille danach» ist in der Apotheke ohne Rezept erhältlich.
An Beliebtheit gewonnen haben zudem die Spiralen, die ebenfalls einen guten Schutz vor Schwangerschaften bieten. Es gibt sie in zwei Varianten, mit oder ohne Hormone. Die Hormonspirale und die Kupferspirale können mindestens fünf Jahre in der Gebärmutter bleiben.
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