Notlandung in GrazPassagiere der Swiss-Unglücksmaschine auf Heimflug – Crewmitglied auf Intensivstation
Ein Swiss-Flugzeug auf dem Weg von Bukarest nach Zürich musste wegen Rauch im Cockpit in Graz landen. Dabei wurde eine Person schwer verletzt. Eine Passagierin berichtet von einer Explosion am Triebwerk.
Ein Sonderflug der Swiss hat die von einer Notlandung in Graz betroffenen Passagiere am Dienstag nach Zürich gebracht. Bei dem Zwischenfall am Montag mit Rauch in der Kabine war ein Crewmitglied schwer verletzt worden.
Das Crewmitglied musste intensivmedizinisch betreut werden, wie die Polizei des Bundeslandes Steiermark mitteilte. Es war mit einem Helikopter in ein Spital geflogen worden. Den Zustand des Crewmitglieds auf der Intensivstation verfolge man weiterhin «mit Sorge», teilte die Fluggesellschaft Swiss am Dienstag mit. Die Angehörigen seien vor Ort und würden betreut. Man stehe in engem Kontakt mit den behandelnden Ärzten.
«Unsere Gedanken sind bei den betroffenen Personen, und wir hoffen fest, dass sich der Gesundheitszustand unseres Kollegen zeitnah verbessert», schrieb die Swiss.
Ein weiteres Crewmitglied ist ebenfalls noch in ärztlicher Behandlung. Zwölf am Montag hospitalisierte Passagiere konnten das Spital wieder verlassen.
Passagierin: Explosion am Triebwerk
Nach Angaben der Swiss waren bei dem Flug des Airbus A220 von Bukarest nach Zürich Triebwerksprobleme entstanden, und es hatte sich Rauch in Kabine und Cockpit ausgebreitet. Der Sinkflug verlief demzufolge ziemlich steil, mit bis zu 26 Metern pro Sekunde. Gewöhnlich sind es rund 9 Meter pro Sekunde. So dauerte der Sinkflug nicht einmal 20 Minuten. Rund 1300 Meter nach Pistenanfang kam die Maschine zum Stehen.
Eine Passagierin berichtet von einer Explosion am Triebwerk und viel Rauch in der Kabine. «Es war ein seltsames Geräusch, sehr viel Rauch, und die Leute konnten nicht atmen. Ich wusste nicht, was passiert war», sagte sie der österreichischen «Kleinen Zeitung» in einem Videointerview.
Sie habe zunächst geschlafen, dann ein Geräusch gehört und Rauch gerochen. «Ich bin in Panik geraten, ich wusste nicht, was los war», sagte die junge Frau. «Ich versuchte, mich zu beruhigen.» Der Flugzeugkapitän habe dann gesagt, dass er eine Notlandung machen müsse. Andere Passagiere hätten eine Explosion und Feuer am Triebwerk gesehen.
Die Insassen und die Crew mussten nach der Landung die Maschine über Notrutschen verlassen. An Bord befanden sich 74 Fluggäste und 5 Crewmitglieder. Der Flughafen Graz war mehrere Stunden gesperrt.
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Nach dem Vorfall hätten sich fünf Crewmitglieder und zwölf Passagiere in ärztliche Behandlung begeben, so die Swiss.
In der Nacht auf Dienstag habe die Swiss einen Flug losgeschickt mit einer Delegation bestehend aus einem Careteam für Passagiere und Besatzung, Technikern und einem Unterstützungsteam für die Behörden vor Ort, berichtet die «Kleine Zeitung» weiter.
Gegenüber «20 Minuten» sagte ein Fluggast, es seien keine Sauerstoffmasken heruntergekommen. Swiss-Sprecher Michael Stief bestätigt dies. Bei einer Rauchentwicklung würden die Masken nicht ausgelöst, weil der Sauerstoff ein allfälliges Feuer noch zusätzlich anfachen könnte. Die Fluggäste wurden angehalten, die Notlandeposition einzunehmen. Mangels Masken schützten sie sich dabei so gut wie möglich mit Stoff, um nicht zu viel Rauch einzuatmen.
Eine Ersatzmaschine startete am Dienstagmorgen in Graz, wie eine Flughafensprecherin der Nachrichtenagentur Keystone-SDA auf Anfrage sagte. Die Passagiere hatten die Nacht in Hotels verbracht.
A220: Moderner Kurzstreckenjet mit Triebwerksproblemen
Bei dem von der Notlandung in Graz betroffenen Swiss-Flugzeug handelt es sich um eine Maschine des Typs Airbus A220. Der Jet gilt als modern und setzte bei der Indienststellung 2016 neue Massstäbe beim Treibstoffverbrauch. Doch Sorgenkinder sind die Triebwerke. Es kam schon mehrfach zu Zwischenfällen und gar zu einem Einsatzstopp der Flotte.
Die Lufthansa-Tochter Swiss setzt 30 Maschinen des Kurzstreckenjets ein, 21 in der Lang- und 9 in der Kurzversion. Die längere Ausführung verfügt über 145 Sitzplätze und hat eine Reichweite von gut 6000 Kilometern. Der Treibstoffverbrauch ist laut der Airline gegenüber vergleichbaren Flugzeugen bis zu einem Viertel tiefer.
Doch die Swiss und andere Airlines wie Air Baltic blicken auf eine lange Leidensgeschichte mit dem A220 zurück, vorab wegen der Triebwerke des US-Herstellers Pratt & Whitney. 2019 groundete die Swiss gar ihre A220-Flotte und unterzog sie einer Inspektion.
Vorausgegangen waren drei Triebwerkabschaltungen innerhalb von drei Monaten inmitten von Reiseflügen. Ein Notfallgremium musste evaluieren, ob und wie ein sicherer Flugbetrieb mit der Flotte sichergestellt werden konnte.
Lieferprobleme und zu wenige Reparaturtermine
Motorenausfälle trafen auch andere Airlines. Die US-Luftfahrtbehörde FAA verlangte 2019 und 2020 in Anweisungen unter anderem zusätzliche Checks der Triebwerke von Pratt & Whitney. Bei Vorfällen waren wegen einer Fehlfunktion Teile des Triebwerks nach aussen geschleudert worden.
Pratt & Whitney führte mehrfach Verbesserungen an den Triebwerken durch, darunter Material- und Designanpassungen, um die Zuverlässigkeit zu erhöhen.
Doch erst im vergangenen Jahr musste fast jeder dritte A220-Swiss-Jet erneut vorübergehend am Boden bleiben. Auch hier hatte Pratt & Whitney Ärger mit den Triebwerken. Gemäss der Lufthansa-Gruppe waren diese weniger zuverlässig als erwartet. Zu schaffen machten den Airlines zudem ein Ersatzteilmangel, Lieferprobleme und zu wenige Reparaturtermine.
Das zweistrahlige Kurzstreckenflugzeug wurde ursprünglich vom kanadischen Hersteller Bombardier als CSeries entwickelt. 2018 übernahm das europäische Airbus-Konsortium das Programm unter der Bezeichnung A220.
SDA/aeg/mrl/oli
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