Papablog: Richtig scheiternDas hier ist keine inspirierende Erfolgsgeschichte
Ende Jahr blickt unser Papablogger zurück und macht sich Gedanken über das Scheitern. Das Resultat: eine ehrliche Auseinandersetzung mit den unheroischen Seiten des Lebens.
Das Jahr ist fast vorbei und es ist an der Zeit, ein Resümee zu ziehen. Es ist zwar noch nicht ganz Silvester, aber so kurz vor Weihnachten ist eigentlich auch ein ganz guter Zeitpunkt, um ein bisschen zur Besinnung zu kommen. Ich zum Beispiel mache gerne Listen und Pläne, was ich gerne im nächsten Jahr alles machen möchte. Ich weiss, Neujahrsvorsätze sind ein schwieriges Thema. Die meisten sind schneller wieder verworfen, als man sie überhaupt fassen kann. Trotzdem mag ich es, mich am Ende des Jahres damit zu befassen, was war und was sein wird. Einfach schon deshalb, weil ich dazu sonst kaum Gelegenheit habe. Ich bin nicht aus meditativer Entspanntheit und allumfassender Achtsamkeit freiwillig im Hier und Jetzt. Ich bin gezwungenermassen hier und jetzt, weil dauernd was ist und ständig irgendwer was will. Womit wir bei einer Sache sind, mit der ich mich am Jahresende auch immer beschäftige: und zwar meinem Scheitern.
Schmerzhafte Lektionen
Wenn ich Scheitern schreibe, dann meine ich nicht diese kapitalismusfreundliche Performance dieser «Aufstehen, Krönchen richten, weitermachen»-Variante von Scheitern, die wir in Anekdoten auf Partys oder im Gespräch mit Freunden verpacken und mit schlechten Witzen garnieren. «Na ja, und dann war ich fast pleite, bin dann aber erst mal in die Berge zum Wandern gegangen, um zu sehen, ob noch ein bisschen Geld auf den hohen Kanten liegt.» (Hier bitte Grillengezirpe einfügen.)
Ich meine nicht dieses Scheitern, aus dem man lernt, sich aufrafft, um es anschliessend gestrafft und motiviert grösser, besser, nachhaltiger und auf jeden Fall richtig zu machen. Das ist kein Scheitern. Das ist ein Beleg dafür, dass uns noch nicht einmal unser Versagen gehören darf und dieses auch unbedingt in eine vorzeigbare Sache mutiert werden muss. Scheitern als Chance. Scheitern als «immer einmal mehr aufstehen, als man zu Boden gegangen ist» und Rampe zum nächsten, noch viel geileren Ding. Scheitern als blablabla, Laberrhabarber.
Das meine ich aber nicht. Das Scheitern, von dem ich spreche, ist fies, vollkommen unproduktiv und kein Auftakt zu irgendwas. Dieses Scheitern ist scheisse, weil es die Fehler sind, von denen wir glaubten, längst aus ihnen gelernt zu haben, sie aber immer noch machen. Dinge, für die wir die Kraft gehabt hätten. Menschen, denen wir wehgetan haben, weil es sich wie das Naheliegendste der Welt angefühlt. Unseren Liebsten. Unseren Kindern. Meinen Kindern. So ein Jahr war es neben allen Gelungenheiten (ja, das sagt man ab jetzt so) nämlich auch. Eins, in dem ich in eins, zwei, dreikommavier Millionen Sachen versagt habe. Sachen, die man nicht kitten, nachholen oder verbessern kann, sondern die komplett misslungen, kaputt oder weg sind.
Unheroischen Wahrheiten
Wenn ich ab und an, wie jetzt Ihnen, anderen davon erzähle, höre ich oft, dass das doch irgendwie unproduktiv und nicht hilfreich sei. Vorbei ist vorbei. Hätte, hätte, Fahrradkette. Das finde ich nicht. Ich will gar nicht produktiv und hilfreich scheitern, weil das nur so ein Lügenscheitern ist, mit dem ich meine eigentlichen «Fuckups» verdecke. Ich bin auch nicht motiviert, genau hinzusehen und mich auseinanderzunehmen, um es beim nächsten Mal besser zu machen. Ich habe ja Erfahrung damit, dass das mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht funktioniert. Für manche Dinge gibt es kein nächstes Mal. Was dann bleibt, ist trauern. Bedauern. Enttäuschung, Scham und Erschöpfung. Alles sehr unheroische Empfindungen. Alles sehr ich. Denn genau darum geht es. Scheitern ist nicht dazu da, um mich zur besten Version meiner selbst zu machen. Scheitern bin ich. Auch.
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