Sommerspiele in ParisHöchste Warnstufe – Franzosen fürchten Terror während Olympia
Der Anschlag in Moskau weckt in Frankreich Erinnerungen an das Blutbad im Bataclan. Mit Sorge blicken die Franzosen auf die gigantische Eröffnungsfeier der Sommerspiele im Juli.
«Bataclan russe», so nennt man in Frankreich nun den Terroranschlag auf Konzertbesucher in der Crocus City Hall bei Moskau. So sehr erinnert er die Franzosen an die Attentatsserie in jener Nacht des 13. November 2015, als islamistische Terroristen Paris und die Konzerthalle Bataclan angegriffen hatten. Das Trauma des Bataclan kehrt immer wieder. Schon der Angriff der Hamas auf Teilnehmer eines Festivals im Süden Israels am vergangenen 7. Oktober hatte die Franzosen an das Blutbad im Bataclan gemahnt. Ganz offensichtlich gibt es Hinweise, dass das Land in Gefahr ist.
Nach einem dringlich einberufenen Verteidigungsausschuss im Élysée hat die französische Regierung beschlossen, die Terrorwarnung ihrer Sicherheitsverordnung «Vigipirate» auf die maximale Stufe zu heben: «Urgence attentat», Notlage Attentat.
«Bedrohungen lasten auf dem Land»
Premierminister Gabriel Attal begründete den Entscheid auf X so: «Bedrohungen lasten auf dem Land.» Die Terrororganisation IS-K, die das Attentat von Moskau für sich reklamiere, habe zuletzt «mehrmals» versucht, Europa zu treffen, unter anderem Frankreich und Deutschland. Die deutsche Innenministerin Nancy Faeser sprach ihrerseits am Wochenende von einer «akuten Gefahr» für Deutschland.
Die Warnstufe «Urgence attentat» bedeutet konkret, dass der französische Staat für eine begrenzte Zeit fast unbegrenzte Mittel mobilisieren darf, um mögliche Terrorziele zu schützen: Bahnhöfe, Flughäfen, Schulen, religiöse Einrichtungen, Einkaufszentren.
Es sollte ein Fest mit einer Million Zuschauern werden
Zuletzt war das nach dem Mord an einem Lehrer in einem Gymnasium im nordfranzösischen Arras im vergangenen Herbst der Fall gewesen: Dominique Bernard war von einem ehemaligen Schüler erstochen worden, der aus Tschetschenien stammt und sich als Anhänger des Islamischen Staats beschrieb. Im Januar wurde die Warnstufe dann wieder um ein Niveau gesenkt.
Bei «Notstand Attentat» wird in erster Linie die sogenannte Force Sentinelle verstärkt, eine militärische Sondertruppe, die es seit dem Anschlag auf die Redaktion von «Charlie Hebdo» im Januar 2015 gibt: Bis zu 10’000 Soldaten lassen sich dafür aufbieten, parallel zu allen anderen Polizeikorps.
Die eigentliche Sorge der Franzosen betrifft nicht so sehr die unmittelbare Zukunft, sondern die mittelfristige. Am kommenden 26. Juli, also in genau vier Monaten, beginnen in Paris die Olympischen Sommerspiele – und zwar mit einer gigantischen Eröffnungsfeier, die nun allen Sorgen bereitet.
Geplant ist eine Parade der Länderdelegationen auf der Seine mit Zehntausenden Zuschauern an den Flussufern und Milliarden vor den Fernsehgeräten. Ein Volksfest soll es werden, wie es die Welt noch nicht erlebt hat. Die Schönheit von Paris soll strahlen wie nie zuvor. Ursprünglich war mal mit mehr als einer Million Zuschauern vor Ort gerechnet worden, oben an den Quais und unten am Wasser.
Mittlerweile wurde die Kapazität wegen Sicherheitsbedenken auf etwa 300’000 Personen gesenkt – alle auf Einladung zudem, damit sich ihre Identität prüfen lässt. Wer nicht geladen ist, soll keine Chance haben, in die Nähe der Seine zu kommen. Und allfällige Drohnenangriffe? Die Luftwaffe, heisst es, sei gewappnet.
75 vereitelte Terroranschläge – seit 2012
Doch diese Versicherungen reichen nicht. In einer neuen Umfrage sagen 48 Prozent der Franzosen, man müsste die Eröffnung radikal umdenken. Das sind 10 Prozent mehr als vor einem Monat. Regierung und Organisatoren sagen, es gebe keinen Plan B. Doch natürlich liesse sich die Feier auch im grossen Stade de France ausrichten. 66 Prozent der Befragten sagten, sie glaubten nicht, dass die Regierung die Sicherheit der Spiele garantieren könne.
Wann immer die Terrorangst wächst in Europa, ist sie in Frankreich besonders gross. 25 Attentate gab es in Frankreich seit 2012. 273 Menschen wurden dabei getötet, Hunderte weitere verletzt. Viele weitere Anschläge konnten verhindert werden. Das Innenministerium aktualisierte neulich die Zahlen dazu: 75 Attentatspläne, hiess es, hätten rechtzeitig unterbunden werden können. Zuletzt also auch solche von IS-K.
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