Analyse zum Wahlsieg der FPÖÖsterreich outet sich
Das Land hat Linke und Bürgerliche abgestraft. Dass die in Teilen rechtsextreme FPÖ demokratische Freiheiten schleifen will? Das ist vielen Menschen egal.
- Monatelang sahen Umfragen die Freiheitlichen in Österreich vorne.
- Am Wahlsonntag bestätigten sich diese Umfragen, Österreich wurde flächendeckend blau.
- Die FPÖ gewann massiv bei Unzufriedenen, besonders auf dem Land.
- Linke und bürgerliche Koalitionen wurden abgestraft, insbesondere die ÖVP.
Monatelang hatten alle Umfrageinstitute in Österreich die Freiheitlichen ganz weit vorn gesehen. Aber es kann nicht sein, was nicht sein darf. Man sollte doch aufzeigen können, sagten sich daher die anderen Parteien in Österreich, sagten Zivilgesellschaft und Künstler, Wissenschaftlerinnen und Studenten, was die wahre Natur einer Partei ist, die vor knapp 80 Jahren von Altnazis gegründet wurde und heute mehr denn je als Auffangbecken für NS-Verharmloser, Identitäre, Corona-Schwurbler, Orbánisten, Putinisten und Rechtsextreme fungiert.
Nun ist die Überraschung gross, dass die Vorhersagen gestimmt haben – und aktuelle Themen wie Hochwasser, Klimaschutz oder Steuergerechtigkeit nichts mehr am Wahlausgang geändert haben. Österreich ist flächendeckend blau; das Wort Erdrutsch erscheint, wenige Wochen nach dem grossen Hochwasser, wie ein nachgeholtes Omen.
Wunschdenken hat eben noch nie geholfen. Und die vielen Aktionen «gegen rechts», die Appelle und Diskussionen, Warnungen und Demonstrationen haben jene nicht erreicht, die sich grundsätzlich mit der Frage hätten auseinandersetzen müssen: Wollen wir eine in Teilen rechtsextreme Partei wählen, um unsere Kritik an der Regierung, das Missfallen über die Inflation oder auch nur über den syrischen Nachbarn im Haus zum Ausdruck zu bringen?
Denn die Begeisterung für den radikalen Frontmann der FPÖ, Herbert Kickl, war es gemäss den Nachwahlanalysen nicht, was die Wähler an die Urnen trieb. Auch der ideologische Überbau war eher egal; es ging um das «Dagegen», nicht um das «Dafür».
Die FPÖ gehört für viele zur politischen Familie
Österreich hat Erfahrung mit der extremen Rechten, und die Berührungsangst gegenüber der FPÖ war jahrzehntelang höchstens in Kreisen linksliberaler Intellektueller sehr gross; in Klagenfurt oder dem oberösterreichischen Wels gehören FPÖ-Mitglieder und -Wähler, anders als etwa in Wien, ohnehin zur politischen Familie. Und doch war diesmal einiges anders.
Die ÖVP, die zuletzt mit den in rechtspopulistischen Kreisen verhassten Grünen koalierte, sollte abgestraft werden. Seit 37 Jahren sitzen die Konservativen in der Regierung. Trotzdem sind sie immer wieder in der Lage, die politischen Verhältnisse als Missstände darzustellen, die ausschliesslich von internationalen Krisen oder aber dunklen, unbekannten Mächten hervorgerufen wurden. Ihre Kooperation mit den Grünen, die nicht davon ablassen wollen, die Klimakatastrophe als menschengemachte Gefahr darzustellen, hat man der ÖVP in rechten und rechtsextremen Kreisen nicht verziehen.
Linke sozialdemokratische Politik hat es schwer
Aber auch die SPÖ wurde abgestraft: für ihren internen Dauerstreit, für den der so honorige wie bedauernswerte Vorsitzende Andreas Babler eher wenig konnte. Aber auch für ihre explizit linke Ausrichtung, Stichwort «Steuern für Superreiche», und ihren Versuch, soziale Gerechtigkeit wieder in den Vordergrund zu stellen. Linke sozialdemokratische Politik aber war in Österreich noch nie populär, auch nicht unter der sozialdemokratischen Legende Bruno Kreisky. Und dass alles, was links ist, als wahlweise kommunistisch oder sozialistisch gebrandmarkt wird, hat der SPÖ in diesem Wahlkampf mutmasslich bei den Wählern auch nicht geholfen.
Und dann ist da, natürlich, noch der Zeitgeist, und der weht rechts. Vor der Abstimmung hatten Meinungsforscher immer wieder betont, anders als früher «deklarierten» sich heutzutage FPÖ-Wähler eher, also neudeutsch: Sie outen sich. In Europa nimmt die Zahl der rechtskonservativ oder rechtspopulistisch regierten Länder stark zu, weil jeder Rechtsschwenk, jeder migrationsfeindliche Kurs, jede Brüssel-feindliche Ausrichtung in einer Hauptstadt die nächste Wende wahrscheinlicher macht, vielleicht sogar nach sich zieht.
Vor einigen Jahren galt es noch als Tabu, es Viktor Orbán nachzumachen und die Medien zu schikanieren, Nichtregierungsorganisationen zu behindern, Asylanträge zu erschweren, ökonomische Unterstützung von Moskau und Kredite von Peking anzunehmen. Heute wird das als Politik im Interesse des «wahren Volkes» verkauft – und als Friedenspolitik.
In diesen Fragen war und ist die FPÖ ganz weit vorn. Der Ungar, der seinen Staat so umgebaut hat, dass er praktisch nicht mehr abwählbar ist, gilt bei den Freiheitlichen als Vorbild. Russland als Partner. Die Ukraine als Ballast. Und demokratische Freiheiten – das steht im Programm schwarz auf weiss – sollen eingeschränkt werden, bis die Verfassung knirscht. Die FPÖ nennt das die «Festung der Freiheit». Diese Festung hat Österreich gewählt.
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