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Meinung

Kommentar zur Pflegeinitiative
Nur eine rasche Ausbildungsoffensive bringt Linderung

Das Pflegepersonal auf den Intensivstationen ist in der Pandemie noch mehr gefordert .
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Selten stiess ein Volksbegehren auf so viel Sympathie wie die Pflegeinitiative. Auch wenn die Pandemie Gräben in der Gesellschaft aufgerissen hat: Das Pflegepersonal geniesst über alle Lager hinweg ungeteilte Unterstützung. Man mag den Pflegenden von Herzen bessere Arbeitsbedingungen gönnen. Wenn auch dieser Zuspruch nicht ganz selbstlos ist: Die Pandemie hat verdeutlicht, wie sehr jeder und jede plötzlich auf Pflege und motiviertes Fachpersonal angewiesen sein kann. So dürfte sich an der Urne das Original durchsetzen, obwohl das Parlament der Initiative in einem indirekten Gegenvorschlag weit entgegengekommen ist.

Die Frage ist jedoch, ob die Initiative die gesetzten Ziele tatsächlich erreicht. Neben erweiterten Kompetenzen für Pflegefachleute und der Ausbildung von mehr Personal fordert die Initiative bessere Arbeitsbedingungen, zu denen der Gegenvorschlag nichts sagt. Die Lohnfrage stellen die Initiantinnen aber bewusst in den Hintergrund. Dem Personal gehe es nicht in erster Linie um Geld, sondern um eine Entlastung bei der täglichen Arbeit. Tatsächlich klagen Pflegende vor allem über permanente Überlastung, fehlende Freizeit, ermüdende Schichten, über psychische und physische Auszehrung, die durch die Pandemie noch verstärkt wurde.

Doch Linderung verspricht einzig die Einstellung von mehr Personal, namentlich von Fachpersonal. Hier setzt der Gegenvorschlag an. Fast eine Milliarde Franken sind vorgesehen, um Ausbildungsstätten und Studierende finanziell zu unterstützen. Zwar wenden die Initianten zu Recht ein, dass die Kantone den Erfolg der Ausbildungsoffensive gefährden könnten, weil sie letztlich nicht gezwungen sind, die Bundesgelder abzuholen. Doch bei einem Ja zur Initiative wäre das nicht anders. Auch dann kann der Bundesrat nicht einfach über die Kantone hinweg Geld an Bildungsinstitutionen und Studierende ausrichten, ohne dass die Kantone ihren Teil dazu beitragen.

Und wenn es um die konkreten Arbeitsbedingungen des Pflegepersonals geht, so fehlt dem Bund schlicht der Hebel, um die Verbesserungen herbeizuführen. Wenn auf Bundesebene nach dem Willen der Initiantinnen künftig festgeschrieben sein soll, dass Pflegeinstitutionen die Zahl der Patienten pro Fachkraft definieren müssen, ändert das noch nichts an der Arbeitsbelastung. Denn um einen besseren Pflegeschlüssel zu realisieren – also dass weniger Patientinnen auf eine Pflegefachkraft kommen –, braucht es erst einmal mehr Personal. Womit wir wieder bei der Ausbildungsoffensive wären.

Damit Spitäler und Heime mehr Personal einstellen können, brauchen sie vor allem höhere Einnahmen.

Markus Brotschi

Richtig ist, dass diese nur nützt, wenn das Personal künftig länger im Beruf bleibt. Ebenso kann der Bedarf nicht allein durch eine Ausbildungsoffensive gedeckt werden, sondern es müssen bereits ausgebildete Pflegefachleute zum Wiedereinstieg motiviert werden. Dazu braucht es tatsächlich bessere Arbeitsbedingungen. Das können Lohnerhöhungen sein, höhere Schichtzulagen oder Arbeitszeitreduktionen. Dies wiederum kann aber nicht der Bund verordnen. Dieser kann höchstens die Pflicht zu Gesamtarbeitsverträgen postulieren. Ausgehandelt werden müssen die Verträge selbst bei einem Ja zur Initiative zwischen den Sozialpartnern in den Kantonen.

Die Pflegeinitiative dürfte wohl von Volk und Ständen angenommen werden und der Gegenvorschlag scheitern. Dies wäre zwar bedauerlich, da die Gelder für die Ausbildungsoffensive erst mit Verzögerung gesprochen werden. Immerhin könnte es das Parlament bei einem deutlichen Ja zur Initiative nur schwer begründen, wenn es unter den Betrag von einer Milliarde ginge.

Und natürlich entsteht bei einem Ja zur Initiative ein Druck in den Kantonen, für bessere Arbeitsbedingungen zu sorgen. Aber dass von heute auf morgen alles besser wird, ist eine Illusion. Damit Spitäler und Heime mehr Personal einstellen können, brauchen sie neben Bewerbungen auf die ausgeschriebenen Stellen vor allem höhere Einnahmen. Dies lässt sich nur mit höheren Pflegetarifen realisieren, für welche die Versicherten und Steuerzahlenden aufkommen müssen. Bei dieser konkreten Umsetzung erst wird sich zeigen, ob die Solidarität mit dem Pflegepersonal mehr als ein Lippenbekenntnis ist.