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Mehr Möglichkeiten für Geheimdienst
Nun regt sich heftiger Widerstand gegen Amherds Spionage-Avancen

Der Ärzteverband FHM fürchtet um das Berufsgeheimnis. Gesundheitspersonal ist verpflichtet, das Arztgeheimnis zu wahren. Der Bundesrat will dieses nun aber ritzen – aus Sicherheitsüberlegungen.
Foto: Christian Beutler
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Sie hätten gar nicht angehört werden sollen. Doch nun setzen sich mehrere Berufsverbände umso energischer zur Wehr: Das Arzt- oder das Anwaltsgeheimnis und der journalistische Quellenschutz sollen, finden sie, nicht massiv geschwächt werden. 

Betroffene fürchten um das Vertrauensverhältnis zu Patientinnen, Klienten und Informantinnen, wenn das Nachrichtendienstgesetz so revidiert wird, wie es das Verteidigungsministerium von Bundesrätin Viola Amherd vorhat. Dies geht aus Vernehmlassungsantworten hervor, die dieser Zeitung vorliegen. Interessierte haben bis am Freitag Zeit für Stellungnahmen zum Vorhaben.

Die unerwähnte Streichung

Aufmerksam geworden auf die beabsichtigten Veränderungen, die einem Tabubruch gleichkommen, sind ärztliche, psychiatrische und journalistische Standesorganisationen durch einen Bericht dieser Redaktion.  Eine Einladung des Bundes zur Vernehmlassung war ausgeblieben. Zudem wurde in den publizierten Unterlagen der Behörden nicht erwähnt, dass im künftigen Nachrichtendienstgesetz ein Artikel gestrichen werden soll, der exakt diese Berufsgruppen vor Ausforschung durch den Staatsschutz schützt. Der Schweizer Geheimdienst will damit die Aufklärung von schweren Bedrohungen der Sicherheit des Landes erleichtern.

Nun liefert der Schweizerische Anwaltsverband eine Rechtsbelehrung, die aufhorchen lässt: In einem Rechtsstaat, so schreiben dessen Präsidentin Birgit Sambeth Glasner und Generalsekretär René Rall dem Bund, müsse jeder Rechtssuchende mit seiner Anwältin in völliger Offenheit kommunizieren können – ohne befürchten zu müssen, dass diese Kommunikation oder ein Teil davon später offengelegt oder zu sachfremden Zwecken verwendet werde: «Diese Vertraulichkeit ist unerlässlich, um den ungehinderten Zugang zum Recht möglich zu machen.» Mit der Streichung des Schutzartikels im neuen Nachrichtendienstgesetz verkomme das Berufsgeheimnis zur Makulatur. 

«Nur in Diktatur notwendig»

Die Anwaltschaft sähe sich gezwungen, ihre Kommunikation noch weitgehender zu schützen – und «diejenigen Kommunikationswege zu nutzen, mit denen die organisierte Kriminalität heute operiert». Also beispielsweise das Darkweb. «Der faktische Zwang auf Anwaltsseite zur Hochrüstung und Sicherstellung von technischen und organisatorischen Gegenmassnahmen gegen eine etwaige Aufklärung des Kanzleibetriebs», findet der Anwaltsverband, «sollte nur in autokratischen Staaten und Diktaturen notwendig sein.»

Personal sortiert in einer Klinik Patientenakten. Zur Verhinderung schwerer Straftaten will der Schweizer Nachrichtendienst auch Ärzte aushorchen können. Nötig wäre dazu unter anderem ein richterlicher Beschluss.

Auch die Ärtzeschaft lehnt die Aufweichung des Berufsgeheimnisses ab – mit ähnlich deutlichen Worten. «An der beruflichen Geheimhaltungspflicht der Ärztinnen und Ärzte, ganz speziell auch der Psychiaterinnen und Psychiater, darf auf keinen Fall gerüttelt werden», sagt Manuela Specker von der Dachorganisation der psychiatrisch-psychotherapeutisch tätigen Ärztinnen und Ärzte der Schweiz. Die therapeutische Arbeit mit Patientinnen und Patienten basiere auf einem gegenseitigen Vertrauensverhältnis und auf der Gewissheit, «dass ihre Privat- und Intimsphäre geschützt ist». Die Arzt-Patienten-Beziehung wäre nachhaltig gestört, wenn die Schweigepflicht beziehungsweise das ärztliche Berufsgeheimnis nicht mehr unter allen Umständen garantiert sei. Im schlimmsten Fall würde eine Therapie verunmöglicht, sicherlich aber behindert, sollten sich Patienten sich nicht mehr in einem sicheren Rahmen wähnen und deshalb Informationen zurückbehalten.

Ähnlich argumentiert die Ärztevereinigung FMH: Das neue Gesetz habe «schwerwiegende Folgen» für das Arzt-Patienten-Verhältnis: Erkrankte könnten sich wegen der abstrakt bestehenden Möglichkeit des Mithörens ihrer Gespräche in einer Praxis gegen eine Therapie entscheiden. Ebenso könnten bei Überwachungen auch Daten anderer unverdächtiger Patientinnen und Patienten offengelegt werden. 

Pressefreiheit «unantastbar»

Eine breite Medienallianz – von vereinigten Journalistinnen über die SRG bis zu Verlegerverbänden – wehrt sich in einer gemeinsamen Stellungnahme dagegen, dass «der Quellenschutz beeinträchtigt und die Pressefreiheit geschwächt werden soll». Der Schutz der Pressefreiheit sei «in einem demokratischen Staat unantastbar». Weiter heisst es: «Den Medienschaffenden dürfen zur Wahrnehmung ihrer
demokratierelevanten Funktion keine unverhältnismässigen Hürden in den Weg gestellt werden.»

Ob diese klaren Stellungnahmen der Betroffenen bewirken, dass das Departement von Mitte-Bundesrätin Viola Amherd und der Nachrichtendienst des Bundes von einer Aufweichung des Berufsgeheimnisses Abstand nehmen müssen, ist offen.