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Kritik an Dreiergremium
Nun kommen Zweifel an der Aufstellung der Nationalbank auf

Die Nationalbank soll sich stärker öffnen und breiter abstützen, so die Forderung aus Wissenschaft und Politik. 
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Kurz nacheinander mussten sich SNB-Präsident Thomas Jordan und sein Vize Fritz Zurbrügg einem operativen Eingriff unterziehen. Auch wenn dies ein unglücklicher Zufall war und mit Stellvertretungen jeweils Ersatz bereitsteht, wenn ein SNB-Direktoriumsmitglied ausfällt, stellt sich eine Frage: Wie gut aufgestellt ist die Institution Nationalbank heute?

Dabei geht es explizit nicht um die Personalien Jordan oder Zurbrügg und nicht um die jüngsten Ausfälle. Sondern vielmehr um die Tatsache, dass seit ihrer Gründung die Komplexität ihrer Geschäfte stark zugenommen hat. Doch die Organisation hat sich nicht gross verändert.

Seit 1907, also der Geburtsstunde, führt im Wesentlichen ein Dreiergremium die Geschicke der Nationalbank. Prägend waren und sind dabei vor allem die Direktoriumspräsidenten. Heute bestimmt vor allem Thomas Jordan mit seinen Auftritten das Bild der SNB, Zurbrügg und Andréa Maechler tauchen nur selten in der Öffentlichkeit auf.

Das Gremium hat viel Macht. Entscheide darüber, wie sich die Schweiz gegenüber dem Druck auf den Franken verhält, wie sie mit der Tiefzinspolitik der grossen Nationalbanken umgeht, sind matchentscheidend für die Wirtschaft. Diese Macht hat sich mit dem Anschwellen der Bilanz in den letzten Jahren noch gesteigert. Die Vermögensverwaltung ist als eigentlich neues Thema hinzugekommen, die SNB verwaltet heute Milliarden von Franken allein in Aktien.

Ökonom kritisiert Verschwiegenheit

Einer, der sich grundsätzlich eine grössere, öffentliche Debatte über die SNB und ihre Entscheide wünscht, ist Yvan Lengwiler. Er ist Professor für Makroökonomie an der Uni Basel und Teil des SNB-Observatoriums, eines Gremiums, das sich der öffentlichen Diskussion rund um Entscheide der SNB angenommen hat.

Er sagt: «Ich glaube nicht, dass die SNB in dieser Organisation robust genug ist.» Er sieht Handlungsbedarf bei der Grösse des Gremiums, vor allem aber auch bei der Entscheidungsfindung. «Die Entscheide der SNB entstehen in einer Blackbox. Die Öffentlichkeit weiss nicht, was diskutiert wurde und ob es unterschiedliche Meinungen gibt. Doch das ist entscheidend, denn die Entscheidungen der SNB berühren uns alle.»

«Wichtig ist, dass die Entscheide der SNB breiter abgestützt werden.»

Yvan Lengwiler, Makroökonomie-Professor

Viele grosse Nationalbanken wie die EZB oder diejenige der USA debattieren öffentlich, lassen gegenteilige Meinungen nach aussen zu. «Das macht die SNB nicht», so Lengwiler.

Die SNB sieht dies naturgemäss anders. «Das Prinzip, wonach die geldpolitische Ausgangslage im Gremium intern offen diskutiert wird und der daraus resultierende Entscheid dann gemeinsam nach aussen vertreten wird, hat sich bewährt», sagt Susanne Mühlemann, Leiterin Kommunikation bei der SNB. Dies diene der besseren Verständlichkeit und Glaubwürdigkeit der Geldpolitik. «Das Direktorium entscheidet weitgehend im Konsens und kommuniziert die Entscheidungen entsprechend.»

Fachgremium als Möglichkeit

Eine Möglichkeit, um die SNB zu reformieren, sieht er etwa in einem Komitee von externen Fachleuten, die sich um die Währungspolitik kümmern, so wie dies zum Beispiel in England etabliert ist. «Wichtig ist, dass die Entscheide der SNB breiter abgestützt werden. Das hilft, allfällige Fehler früh zu erkennen», sagt Lengwiler.

Kritisch sieht er die Tatsache, dass die Politik nicht genauer hinschaut. «Viele sind zufrieden, dass die Nationalbank etwas mehr Gewinn verteilt. Aber die parlamentarischen Kommissionen, die die jährliche Anhörung der SNB durchführen, sollten sich jeweils ernsthaft vorbereiten, sodass sie bohrende Fragen stellen können.»

Politiker wollen SNB öffnen

Gerade in der politischen Linken und auch darüber hinaus gibt es Kritiker der heutigen Struktur der SNB. So sagt Grünen-Nationalrat Gerhard Andrey: «Die Frage, ob ein Dreierdirektorium den heutigen hochkomplexen Anforderungen noch gerecht wird, ist durchaus berechtigt.» Er spricht dabei explizit von der Bilanzsumme von über 1000 Milliarden Franken und den 200 Milliarden Franken, die die SNB am Aktienmarkt anlegt. Andrey ist der Meinung, dass das Gremium personell ausgebaut werden sollte.

Damit würde sich die Führung der SNB auch derjenigen anderer Zentralbanken annähern. Was Andrey anspricht, ist die Tatsache, dass andere Zentralbanken grössere oberste Führungsgremien haben.

Ähnlich klingt es bei SP-Nationalrat Samuel Bendahan. Er sieht Reformbedarf bei der SNB. Zwei Dinge sind für ihn entscheidend. Einerseits sieht er Handlungsbedarf bei der grundsätzlichen Organisation des Gremiums. Er kann sich deshalb ein vergrössertes Direktorium vorstellen. «Die Entscheide der SNB sind entscheidend für unser Land. Deshalb sollten sie breiter abgestützt sein», sagt Bendahan.

Andererseits solle die Diversität des Gremiums gesteigert werden. «Die Verantwortlichen heute sind sich in ihren Profilen sehr ähnlich und haben alle eine ähnliche ökonomisch-ideologische Prägung», sagt Bendahan. Er möchte grundsätzlich, dass die SNB sich dem Parlament gegenüber stärker verantworten muss und eine demokratischere Führung.

«Das heutige Gesetz erschwert eine Änderung der Organisation der SNB.»

Roland Fischer, GLP-Nationalrat

Wie gross das Direktorium ist, kann die Nationalbank nicht selbst entscheiden. Sie ist in ihrer Organisation an das Nationalbankgesetz gebunden. Und dort ist explizit erwähnt, dass das Direktorium aus drei Mitgliedern besteht, denen drei Stellvertretungen zur Seite stehen.

Dort sieht GLP-Nationalrat Roland Fischer einen Ansatzpunkt: Er sieht in einem grösseren Handlungsspielraum für die SNB eine Möglichkeit, wie sie auf die gestiegene Komplexität reagieren kann. Der Ökonom sagt deshalb: «Das heutige Gesetz erschwert eine Änderung der Organisation der SNB. Hier wäre es gut, wenn die SNB mehr Flexibilität hätte, um sich anders aufzustellen, wenn sie es für notwendig erachtet.»

Aus Sicht der Nationalbank hat sich die heutige Organisationsform bewährt, sie fördere intensive und effiziente Diskussionen mit rascher Entscheidungsfindung, sagt Mühlemann von der SNB. Die Nationalbank sehe keine Vorteile in einer Vergrösserung des Direktoriums oder der Einführung eines externen Komitees. Die Erfahrungen aus den letzten 15 Jahren würden die Vorteile der bestehenden Organisationsform bestätigen.

Politisch schwieriges Pflaster

Tatsächlich wird im Parlament zwar über Gewinnverteilfragen der SNB diskutiert. Die Struktur der SNB und insbesondere die des Direktoriums waren in der Vergangenheit aber selten Gegenstand politischer Diskussionen.

Das hat auch mit einer Tatsache zu tun: Politische Vorstösse, die eine Öffnung der SNB oder eine Umstrukturierung des Gremiums zum Ziel haben, haben es schwer, Mehrheiten zu finden. Gerade rechts der Mitte sieht man keinen Grund, die Struktur der SNB anpassen zu wollen. Die Unabhängigkeit der Nationalbank wird dabei als oberstes Gut angeschaut.

Dass es Vorstösse in diesem Bereich schwer haben, zeigt sich am Beispiel von Alt-Nationalrätin Susanne Leutenegger Oberholzer. Sie wollte einst die Protokolle der Sitzungen der SNB öffentlich machen. «Die SNB hat heute viel mehr Macht als früher. Und sie ist eine wirtschaftspolitische Instanz, die niemand kontrolliert», begründete sie. Doch das Parlament versenkte den Vorstoss.