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Hitzewellen im Meer in ZahlenNoch nie war der Nordatlantik im Frühsommer so warm

Der Wärmerekord hat Einfluss auf die Hurrikansaison und weckt Erinnerungen an eine Naturkatastrophe vor acht Jahren. 

Luftaufnahme des Strands von Saint-Girons an der französischen Küste: Das Meer ist hier in diesem Frühsommer schon ungewöhnlich warm.
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Hitzewellen in Europa machen Schlagzeilen, grosse Waldbrände schockieren. Was jedoch derzeit im Nordatlantik passiert, nimmt kaum jemand wahr. Ausser die Badenden etwa an der Küste Frankreichs, die bereits Mitte Juni bei über 20 Grad warmem Wasser das Meer geniessen. Für Klimaforscher ist das ein beunruhigender Zustand.

Am 11. Juni stieg die durchschnittliche Temperatur des nordatlantischen Meerwassers an der Oberfläche auf Rekordhöhe: 22,7 Grad. Damit übertraf sie den Spitzenwert aus dem Jahr 2010. Das Meerwasser war um mehr als ein Grad wärmer als der langjährige Durchschnitt von 1981 bis 2023 zu dieser Jahreszeit. Das ist eine ungewöhnliche Abweichung. «Es handelt sich um eine veritable Hitzewelle», sagt Nicolas Gruber. Der Professor für Umweltphysik an der ETH Zürich beschäftigt sich seit langem mit den biochemischen Prozessen in den Ozeanen.   

Die Entwicklung der Temperatur ist seit März auf Rekordkurs. Das Phänomen ist jedoch nicht nur vor den Küsten des europäischen Kontinents lokalisiert. «Es erstreckt sich jetzt immer weiter nördlich», sagt Gruber. Inzwischen sind fast alle Ozeanbecken von einer marinen Hitzewelle betroffen. Die Abweichung der globalen Durchschnittstemperatur liegt mehr als ein halbes Grad über der langjährigen Norm.  

Noch rätseln die Klimaforscher, welche Ursache im Detail für diese Entwicklung verantwortlich ist. «Ziemlich sicher ist, dass die Erwärmung der Weltmeere solche marinen Hitzewellen stärker machen», sagt ETH-Forscher Gruber. Mehr als 90 Prozent der zusätzlichen Wärme im Klimasystem, verursacht durch die vom Menschen gemachten Treibhausgase, nimmt der Ozean auf.

Ohne die enorme Speicherkraft wäre die globale Erderwärmung weit stärker. Der Weltklimarat IPCC geht davon aus, dass die Zahl und die Intensität mariner Hitzewellen ohne wirksamen Klimaschutz in Zukunft deutlich zunehmen werden. 

Doch allein mit der steigenden Durchschnittstemperatur des Meerwassers lässt sich die ungewöhnliche Erwärmung im Nordatlantik nicht erklären. Fachleute der Wetterplattform Severe-weather.eu studierten die Druckverhältnisse der letzten 40 Jahre über dem Nordatlantik. Die Resultate zeigen: Die östlichen Passatwinde nahe dem Äquator sind in diesem Jahr deutlich schwächer. Sie sind dafür verantwortlich, dass das Meerwasser im subtropischen Nordatlantik gut durchmischt wird und damit kaltes Tiefenwasser an die Oberfläche gelangt.  

Ökologische Katastrophe

Das Ganze erinnere ihn an den berühmten «Blob», sagt ETH-Forscher Nicolas Gruber. «Blob» ist die Bezeichnung unter Fachleuten für eine extreme Erwärmung des Nordpazifiks im Jahr 2015. Sie betraf ein Gebiet über vier Millionen Quadratkilometer, von Alaska bis zur Küste Mexikos. Das war die grösste Ausbreitung seit Beginn der Messungen in den 1980er-Jahren. Mitschuld war das Wetterphänomen El Niño, das in unregelmässigen Abständen alle paar Jahre auftritt.

Auch in diesem Jahr, so teilt die amerikanische Behörde für Wetter und Ozeanografie NOAA mit, soll sich ein starker El Niño entwickeln. Dabei sammelt sich ungewöhnlich warmes Wasser im Zentralpazifik und vor der Küste Südamerikas, weil die Passatwinde schwächeln. Die Folgen sieht man bereits in der starken Erwärmung des Nordpazifiks und in der Entwicklung der täglichen globalen Oberflächentemperatur, die derzeit weit über dem langjährigen Durchschnitt liegt und möglicherweise in diesem Jahr zu einem neuen Wärmerekord führen wird. 

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Der «Blob» vor acht Jahren hatte enorme Konsequenzen für die Ökosysteme im Pazifik. Die extrem warmen Verhältnisse schwächten die Prozesse für das Pflanzenwachstum und reduzierten damit das Nahrungsangebot. Fische und andere Organismen waren deshalb gezwungen, kühlere Lebensräume zu suchen. Korallenriffe sind zerstört worden. Zahlreiche Seevögel, Robben und Seelöwen starben. Verschiedene marine Populationen hätten sich bis heute nicht vollständig erholt, heisst es in einem Bericht auf der Klimaplattform «Carbon Brief»

Das Besondere an diesem Extremereignis war jedoch noch etwas anderes: Die ungewöhnliche Erwärmung des Pazifiks traf mit zwei weiteren Phänomenen zusammen, wie ein Forschungsteam um Nicolas Gruber im Fachmagazin «Nature» feststellt: In grossen Gebieten des Meeres sanken der Sauerstoffgehalt und der Säuregrad. Mit dieser Kombination lasse sich möglicherweise ein Teil der katastrophalen Wirkung des «Blob» auf das marine Leben erklären. 

Gibt es mehr Hurrikans?

Doch zurück zur Gegenwart. «Für eine abschliessende Beurteilung ist es noch zu früh», sagt ETH-Forscher Nicolas Gruber. Derzeit gilt es vor allem, die Entwicklung der Hurrikansaison zu beobachten, die nun beginnt. Die extrem warmen Verhältnisse etwa im Nordatlantik könnten zu stärkeren Wirbelstürmen führen. Je stärker sich das Wasser erwärmt, desto mehr Energie in Form von warmer und feuchter Luft steigt in der Atmosphäre auf. Die Statistik auf Severe-wheather.eu zeigt: Je stärker sich das Meer im Verlaufe des Frühlings und Frühsommers erwärmt, desto zahlreicher oder stärker sind die Hurrikans in der folgenden Saison.

Der diesjährige El Niño könnte allerdings dieser Statistik entgegenwirken: Langjährige Niederschlagsdaten ergeben, dass Hochdrucklagen tropische Regionen wie den Golf von Mexiko, die Karibik und andere Gebiete des tropischen Atlantiks während des Wetterphänomens prägen. Das heisst: In diesen Regionen ist es sehr trocken, was die Bildung starker Wirbelstürme behindert. 

Und wie steht es mit den Wetterprognosen in Europa? Theoretisch könnte der Sommer auf dem Kontinent regnerisch werden, weil durch die extreme Erwärmung sehr viel Feuchtigkeit in die Atmosphäre gelangt. Die Wissenschaft kann jedoch bis heute in den Computermodellen noch nicht den Effekt der erwärmten Erdoberfläche auf den Kurs der planetarischen Luftströmungen abbilden. Wo es in nächster Zeit regnen wird, ist also langfristig nicht vorhersagbar.